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Kennst du Antoine
de Saint-Exupéry?

Karlheinrich Biermann

Großer Beliebtheit erfreut sich noch heute die Geschichte vom kleinen Prinzen, jenem philosophischen Märchen, das von Liebe, Freundschaft und Tod handelt. Darin geht Saint Exupery der Frage nach dem Sinn des Lebens nach und blickt zurück auf sein eigenes: das Abenteuer einer Bruchlandung, das Überleben in der Wüste, die Sehnsucht nach der verlorenen Liebe … all das war dem Autor nur allzu vertraut.

Pumphuts Beil im Kirchturm zu Mockrehna

Pumphuts Beil im Kirchturm zu Mockrehna

Friedemann Steiger

Das Beil im Kirchturm  Foto: W. Brekle
Das Beil im Kirchturm Foto: W. Brekle
In das Dorf Mockrehna, das zwischen Eilenburg und Torgau in der Dübener Heide liegt, kam einst ein Mann. Er trug an der Seite ein Schlichtbeil. So musste er wohl ein Zeugarbeiter oder Müllerbursche sein. Die trugen das Beil als Handwerkszeichen bei sich. Es war gerade Flurumgang im Dorf gewesen. Die Bauern saßen im Krug, wo der Erbrichter über die besichtigten Felder sprach, die guten Bauern lobte, die schlechten aber, deren Felder nicht gut bestellt und gepflegt waren, rügte. Je nach dem Befund mussten die Bauern Rügegelder zahlen, die dann gemeinsam verzehrt wurden. Der Müller kam schlecht dabei weg und er musste viel bezahlen. Er lebte zwar hauptsächlich von seiner Mühle, hatte aber dazu auch einiges Feld, sich jedoch nicht so recht gekümmert. Der Mockrehnaer Windmüller wusste sich wohl zu verteidigen. Doch der Erbrichter winkte wegen der entschuldigenden Worte wegwerfend mit der Hand: „Müllerlist und Schneidertrug, der Teufel selber wird nicht klug!"
Da antwortete der Müller: "Recht hast du, Erbrichter, die Müller sind alle Schelme, aber die Schelme sind nicht alle Müller!" Alle lachten, die Bauern, der Wirt und was sonst noch in der Gaststube war. Da man die Rügegelder noch längst nicht alle vertrunken hatte, wurden die Humpen frisch gefüllt und mit rollenden Augen bis auf den Grund geleert.
Alle, die in der Gaststube waren, lachten, scherzten und tranken mit.
Auch der fremde Geselle mit dem Schlichtbeil. Das war Pumphut. "Nun, Fremder", sagte der Wirt, "was meint Ihr denn zu unserem Müller, der klüger ist als der Erbrichter?" "Nun, nun", lachte der Geselle, "kennt Ihr nicht das Lied: 'Wie machen's denn die Müller. So machen sie's, so machen sie's: Sie metzen fleißig und mahlen den Rest, dass man nur den Bauern die Säcke noch lässt. So machen sie's, so machen sie's!" Da lachten die Bauern noch mehr als zuvor. Nur der Mockrehnaer Müller machte ein dummes Gesicht. Besonders aber gefiel der lustige Fremde dem Wirt, der für dieses Lied einen extra Schoppen ausgab.
Aber dem armen Mockrehnaer Müller setzte Pumphut noch ärger zu:
Er holte sein Beil hervor, stellte es aufrecht mit dem Stiel auf den Zeigefinger der rechten Hand und gab der Schneide einen Schups, dass es tanzte. "Gebt acht", sagte er, "auf wen die Schneide weist, wenn das Beil stillsteht, der wird im kommenden Jahr am Rügetage am meisten bestraft." Als ob es der Teufel gewollt hätte! Die Schneide des Beils zeigte auf den Mockrehnaer Windmüller. Diesen wurmte es im Inneren, dass er von einem Zunftgesellen so gehänselt wurde. Schließlich war er Meister und der nur Geselle. Aber nicht nur beim Mockrehnaer Windmüller hatte sich Pumphut mit seiner boshaften Rede und seinen tollen Scherzen unbeliebt gemacht, sondern auch bei den jungen Burschen. Er holte nämlich dann auch immer die hübschesten Mädchen zum Tanz, machte ihnen schöne Augen und fragte auch nicht danach, ob das Mädchen schon einem Burrschen versprochen war. So ballten sich manche Fäuste ingrimmig in der Hosentasche und warteten nur auf den Augenblick, um loszuschlagen. Und dieser Augenblick kam. Ein durchreisender Müller, der seine Mühle hinter Torgau hatte, hörte die Geschichte von eben und wusste sofort, das war Pumphut.
Pumphut mit dem Beil auf dem Stein, unter dem er verschwindet. Gemälde: Volker Pohlenz
Pumphut mit dem Beil auf dem Stein, unter dem er verschwindet. Gemälde: Volker Pohlenz
Als Pumphut eben vom Tanze kam und den neuen Gast sah, ahnte er nichts Gutes. Er machte sich schnell zu seinem Bündel in der Ecke. Aber da waren auch schon einige handfeste Burschen um ihn. Sie lieeßen ihn nicht aus den Augen. Plötzlich rief der neue Gast laut: "Das ist Pumphut, der Zauberer, der Tunichtgut, der aller Welt übel mitspielt mit seinen Narreteien und Possen. Er ist mit dem Teufel im Bunde. Packt ihn! Packt ihn! Nehmt ihm das Beil. Darin liegt seine Zauberkraft. Packt ihn!" Im Nu war ein großer Tumult. Tische und Stühle fielen um, irdene Krüge fielen zu Boden. Schon wollte man Pumphut fassen. Da war er bereits an der Tür. Er sprang hinaus und rief: "Ihr sollt das Beil haben, solange Ihr es wollt!" Schon lief er mit langen Schritten über die vom Mond beschienene Dorfstraße, dem Kirchhof zu. Hinter ihm her die johlende Menge. Es begann ein großes Kesseltreiben auf dem Frieddhof. Der Kreis zog sich enger und enger um Pumphut, bis ihm nur noch ein Platz auf der Friedhofsmauer blieb. Schon wollten einige auf die Mauer und Pumphut ergreifen. Da schwang der das Beil und ließ es aus der Faust gegen die Kirche fahren. Ein Zischen und Brausen erfüllt die Luft. Die Angreifer duckten sich unwillkürlich und zogen die Köpfe ein. Sie fühlten schon alle das Beil im Genick. Da gab es einen großen Krach und hoch oben in der Kirchturmspitze, die wohl dreizehn Meter hoch war, haftete das Beil.
Mund und Augen sperrten sie alle auf. Ehe sie sich aber recht umsahen und begriffen hatten, was geschehen war, war Pumphut nicht mehr auf der Mauer. Man erzählt, dass nur noch der Schatten eines großen Hutes unter einem Stein verschwand. Das war Pumphuts letzter Streich. Nie hat ihn wieder jemand gesehen. Das Beil im Kirchturm zu Mockrehna ist noch heute da, auch der Stein, unter dem Pumphut verschwand.

Aus: Friedemann Steiger, "Sagenhafte Geschichte zwischen Elbe und Mulde", Wartburg Verlag, Weimar, 2006. Mit freundlicher Genehmigung des Verlages.

 

 

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