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Ein Buch, das zu Herzen geht

Klinikclown Knuddel erinnert an die vielen Kindern und Jugendlichen, die er begleiten durfte, und in seinen Geschichten lässt er ihr Wesen und ihre Persönlichkeit nochmals aufleben. Geschichten über die Liebe und einen Clown im Sterbezimmer.

Gellert im Schloss Wölkau

Gellert im Schloss Wölkau

Hans-Joachim Böttcher

Das Schloß, vom Lichte silberübersponnen, ......

Ansicht des Schlosses Wölkau im Winter
Ansicht des Schlosses Wölkau im Winter

Mit dem Schloß wird mir's nicht gut glücken ..... denn es ist so groß, daß ichs selbst nicht ganz kenne und in Gefahr stehe, das Zimmer unter fünfzig, oder sechzigen nicht finden zu können, das mir ein wie allemal gehört. Indeßen stellen Sie sich ein großes, maßives, ins Viereck, zu Anfange dieses Jahrhunderts von einem guten italienischen Baumeister erbautes Gebäude, zwey Geschoß hoch, mit Souterains, sehr hellem Hofe, mit unglaublich vielen, größtentheils treflich, durchgängig gut meublirten hohen Zimmern und einen prächtigen Salon vor, so haben Sie unser Schloß. An der Seite des Corps de Logis stößt der Garten, an den einen Flügel ein kleines Wäldchen, die Wohnung der Nachtigallen und aller guten Vögel die singen können; und hier wohne ich, mit einem Teiche und einem Theile der Allee umgeben. Die anderen beiden Seiten, haben Teiche, Wiesen, das Dorf, die Kirche und einen Theil des Gartens und die Wirtschaftsgebäude zur Aussicht. Kurz, wir haben hier ja soviel Platz ..... Der Garten ist nach dem großen Garten in Dresden, wirklich der größte, den ich gesehen habe; und ehe ich drey große Hauptalleen, und zwo in der Breite, zwo trefliche Bogengänge, und ein Lindenstück von zwölf Alleen; Kurz ehe ich zwölfhundert Linden durchgehe: so muß ich all meine Kräfte mehr als einmal daran wagen. Indeßen halte ich mich am meisten in den Cabinetten von wilden Bäumen auf; denn wer hört nicht gern die Nachtigallen? Aus diesen schleiche ich in den Obstgarten, und dann in den Küchengarten, immer in Sorge, ob ich mich auch wieder zurück finden werde, wenn ich allein gehe; doch meistens gehe ich mit der Gräfin ....."

Dem populärsten Dichter der deutschen Aufklärung Christian Fürchtegott Gellert (1715 - 1769) ist diese Beschreibung des Wölkauer Schlosses und seines Gartens in einem Brief vom 17. Mai 1763 zu danken. Dieser ging an seine Vertraute, die sich schriftstellerisch betätigende Christiane Caroline Lucius. Wie viele seiner Zeitgenossen beeindruckte das literarische Schaffen Gellerts, des außerordentlichen Professor für Poesie an der Leipziger Universität, auch die Familie der Grafen Vitzthum von Eckstädt. So ist es nur zu natürlich, dass er bei ihnen gern als Gast gesehen wurde. Gellert nahm das natürlich auch an und ein wenig eitel veranlagt - wer will ihm das übel nehmen - schrieb er gleich nach dem ersten Besuch bei den Vitzthums an seine Schwester: „Man erwies mir außerordentlich viel Ehre, denn die Gräfin kann mich auswendig ....." In jedem Fall vermittelt Gellert als exzellenter Briefeschreiber mit unzähligen Korrespondenten - die bis in die höchsten Kreise seiner Zeit reichten - insbesondere für die heutige Forschung ein unschätzbar wertvolles Bild von den Gütern und dem Schaffen seiner Gastgeber. ...

Ost-Fassade mit dem Eingangsportal in den Schlosshof
Ost-Fassade mit dem Eingangsportal in den Schlosshof

Nicht so sehr ihm [gemeint ist Johann Friedrich Graf von Vitzthum von Eckstädt; 1712 - 1786], sondern mehr seiner ihm 1752 angetrauten Gattin Erdmuthe Dorothea Magdalena, verwitwete von Schönfeldt geborene von Fullen, ist es zu verdanken, dass Christian Fürchtegott Gellert mindestens seit 1755 bis 1766 (aber wahrscheinlich bis zu seinem Tode 1769!) sehr häufig als Gast in Schönwölkau weilte.

Gellert hat nicht nur durch seine Briefe über das Schloss und den Garten berichtet, sondern er war auch als Erzieher der Kinder sowie als Berater der Vitzthums tätig. Es ist bekannt, dass Gellert 1760 die vakante Pfarrstelle vermittelte sowie einen Bibliothekar, einen Lehrmeister und einen Hofmeister empfahl. Leider sind die Briefe von Gellert seiner bevorzugten Briefpartnerin Johanna Erdmuthe von Schönfeldt, der Tochter der Gräfin aus erster Ehe, an Gellert verschollen, so dass über weitere Zusammenhänge nur gemutmaßt werden kann. Deshalb ist nicht auszuschließen, dass der von 1760 bis 1765 in den Kirchenbüchern genannte Hochgräfliche Vitzthum'sche Kunst- und Lustgärtner Johann Heinrich Thimig eventuell ebenfalls auf Empfehlung von Gellert beim Grafen angestellt war.

Christian Fürchtegott Gellert im Porträt, aus Wikipedia - gemeinfrei
Christian Fürchtegott Gellert im Porträt, aus Wikipedia - gemeinfrei
Neben Gellert weilte auch sein Freund, der satirische Schriftsteller Gottlieb Wilhelm Rabener, einige Male in Schönwölkau. Hier schien mitunter ein regelrechter Zufluchtsort für derartige Geistesgrößen gewesen zu sein. Gellert berichtete 1760 an Johanna Erdmuthe von Schönfeldt in einem Brief über ein Gespräch in seinem Leipziger Hause: "..... Vorgestern ließ sich ein Hessischer Geheimderath nebst einem andern Rathe bey mir melden ..... Wir hatten nicht lange complimentiret, so fiel das Gespräch auf Rabners Satyren. Ja, fieng der Rath an, dieser vortreffliche Scribent hätte länger leben sollen. - Er lebt noch, Herr Rath, und zwar in Wölkau bey Frau Gräfinn von Vitzthum und ist so gesund und munter, daß ich glaube, er kann noch funfzig Jahre leben, ..... Da weiß ich keinen andern Rath, als daß Sie nach Wölkau reisen und sich im Garten und Schlosse umsehen. Wenn Sie einen jungen blühenden Mann mittler Statur, sehr corpulent, mit einer heitern und sehr muthwilligen Mine gewahr werden, der ungefehr vierzig Jahr als ist ..... so haben Sie Rabnern gesehn ....." Gellert empfahl also seinen honorablen Gästen sich auch einmal in Schönwölkau umzusehen; diese waren offenbar immer willkommen.

Zumindest ein Aufenthalt bei den Vitzthums ist nachweislich sehr anregend für das künstlerische Schaffen bei Gellert gewesen. Nach alten Unterlagen des Pfarrarchivs Großwölkau hat Gellert einige Strophen des Liedes „Mein erst Gefühl sei Preis und Dank" im dortigen Pfarrgarten geschrieben. Es heißt: „....Er war wieder einmal zu Pferd nach Wölkau gekommen und wollte nach dem Mittagessen im Schloß den Pfarrer von Großwölkau besuchen. Der aber war zum Gottesdienst in Krensitz. So setzte sich Gellert in den herrlichen Pfarrgarten und dichtete, wie es ihm ums Herz war. ...In der ursprünglichen Fassung begann es: „Mein erst Geschäft sei Preis und Dank", das aber war nach Aussage des befragten Kutschers mißverständlich und so änderte Gellert in:

Mein erst Gefühl sei Preis und Dank, erheb ihn, meine Seele!

Der Herr hört deinen Lobgesang, lobsing ihm, meine Seele!

Mich selbst zu schützen ohne Macht, lag ich und schlief in Frieden.

Wer schafft die Sicherheit der Nacht, und Ruhe für die Müden?

Du bist es, Herr und Gott der Welt, und dein ist unser Leben;

Du bist es, der es uns erhält und mir's jetzt neu gegeben.

Gelobet seist du, Gott der Macht, gelobt sei deine Treue,

daß ich nach einer sanften Nacht, mich dieses Tags erfreue." ...

Der Schwanenteich im Schlossgarten
Der Schwanenteich im Schlossgarten

Eine tiefe Ruhe liegt heute über dem Garten und erst recht dem Schloss, das seit Jahren ungenutzt im Besitz einer Gesellschaft einer ungewissen Zukunft dahin dämmert und immer mehr verfällt; ein Symbol der Kultur unserer Zeit. Die wohl vorläufig letzten Höhepunkte erlebte der Schlossgarten 1997 und 2002, als tausende Besucher Konzerten unter der Leitung von Justus Franz beiwohnten.

Wie in vergangenen Zeiten, als noch Gellert, Rabener und so manche Damen sowie Herren des Adels hier die Natur genossen und sich vergnügten ist man zumeist im Garten bei einem besinnlichen Spaziergang ungestört. Und der lohnt noch immer - trotz des traurigen Zustandes der Anlage - zu jeder Jahreszeit, so wie schon Otto Cimutta 1928 in seinem Gedicht „Wölkauer Park im Januar" zu berichten wußte:

Nacht überm Land... Die kahlen Zweige drängen

Wie Sehnsuchtsarme hoch ins Windesspiel,

Das mit den geisterhaften, leisen Sängen

Durch hohe Hallen streift, versausend, kühl...

Dann schieben graue, starre Wolkenwände

Sich auseinander, und der bleiche Mond

Fließt hell und zeitlos übers Parkgelände,

In dessen Schatten Einsamkeit nun wohnt.

Das Schloß, vom Lichte silberübersponnen,

Scheint wie von Wesen alter Zeit belebt...

Statuen schimmern auf... Es rauscht wie Bronnen

Indes Vergangenheit die Schleier hebt...

 

Die Textauszüge wurden, vereinzelt leicht verändert, aus dem Buch: „Still und voll herber Schönheit ... Schlösser und ihre Gärten in der Dübener Heide" von Hans-Joachim Böttcher, Bad Düben 2007 entnommen!

Fotos: Hans-Joachim Böttcher

 

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