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Von Evchensruh nach Adams Hoffnung

Die sechs Erzählungen sind das Kaleidoskop eines Lebens: von der erinnerten Kindheit, die immer märchenhafte Züge trägt, über die verspielten Dinge der Jugend bis hin zu den harten Auseinandersetzungen im Erwachsenen-Dasein. Das Verschwinden von Glauben und Vertrauen, das Verzweifeln an der Welt, diese metaphorische Obdachlosigkeit (Safranski), sind Teil davon.

Der Mensch und sein Kleid

Der Mensch und sein Kleid

Friedrich Ekkehard Vollbach

Anmerkungen zu Interaktionen beider

Leopardus pardalis Foto:  Hans Hillewaert
Leopardus pardalis Foto: Hans Hillewaert

„Der einzige, der einen Ozelotpelz

wirklich braucht, ist der Ozelot."

(C. B. Grzimek)

Im Dialog „Protagoras" lässt der antike griechische Philosoph Platon seinen Protagonisten einen Mythos erzählen, in dem erklärt wird, wie die Menschen die Kleidung bekamen:

Epimetheus (der Name bedeutet: der hinterher Denkende) übernahm voller Eifer den Auftrag der Götter, allen Lebewesen auf der Erde besondere Fähigkeiten zuzuordnen, die deren Überleben garantieren. Er nahm diese Aufgabe sehr ernst und bemühte sich, die zur Verfügung stehenden Eigenschaften möglichst fair zu verteilen. Die Starken zum Beispiel rüstete er mit Langsamkeit aus, die Schwachen dagegen mit Schnelligkeit. Alle Wesen umhüllte er mit dichten Haaren oder Fellen und beschuhte ihre Füßen mit Hufen oder starker Haut.

Platon in der Glytothek München Foto. Wikipedia gemeinfrei
Platon in der Glytothek München Foto. Wikipedia gemeinfrei

Doch Epitheus vergaß in seinem Eifer die Menschen. Da er alle zu vergebenden Fähikeiten, Eigenschaften und Talente bereits aufgebraucht hatte, blieb der Mensch als nacktes, unbedecktes, unbeschuhtes, schwaches und somit lebensunfähiges Wesen übrig.

Um diesem unvollkommenen Geschöpf zu helfen, stahl Prometeus (der Name bedeutet der Vorausdenkende), der Bruder des unglücklich agierenden Epimetheus, vom Götterschmied Hephaistus das Feuer und von Athene, der Göttin der Weisheit, die technische Intelligenz. So ausgerüstet war der Mensch nun in der Lage Gewänder, Decken, Schuhe und sogar Gebäude herzustellen.

Wie Forscher an der University of Florida in Glainsville, USA, durch Erbgutuntersuchungen herausfanden, gibt es seit etwa 75.000 Jahren Kleiderläuse. Das bedeutet, dass die Menschen schon vor dieser Zeit begonnen haben, sich zu kleiden. (Sonst hätte sich diese Läuseart nicht aus den Kopfläusen entwickeln können.)

Es stellt sich die Frage: welche Gründe gab es für die Menschen, sich zu kleiden, waren sie doch bisher (obwohl fast haarlos) ganz gut ohne Kleidung ausgekommen.

 

Karikatur zu Coco Chanel aus dem Album "Le grand monde à l'envers" 1919. Aus Wikipedia - gemeinfrei.
Karikatur zu Coco Chanel aus dem Album "Le grand monde à l'envers" 1919. Aus Wikipedia - gemeinfrei.
Vermutlich benutzten sie anfänglich Blätter, Zweige und Felle zum Schutz vor Insekten, vor Hitze und Regen. Die Kleidung ermöglichte es ihnen dann später sogar, sich in den kälteren Norden hin auszubreiten.

Ein nicht zu unterschätzender Grund für die Entstehung der Kleidung war wohl auch der Schmucktrieb. Der einzelne war bestrebt, etwas aus sich zu machen und sich durch verschiedene „Accessoires" von anderen zu unterscheiden.

Der Stärkere wollte seine Stärke schon äußerlich sichtbar machen, der mutige Jäger seinen Mut durch Trophäen von seinen Beutetieren (Krallen, Zähne, Fellteile).

Schließlich mögen auch magische Vorstellungen dazu geführt haben, bestimmte Körperteile vor einem gefährlichen Zauber zu schützen.

Das Schamgefühl, nackt zu sein, entwickelte sich erst im Laufe der Zeit. Man fühlte sich unwohl ohne den gewohnten Schutz oder Schmuck, sei es auch nur die fehlende Bastschnur um die Hüfte.

Eines der ältesten Kleidungsstücke fand man in einer Höhle in Ligurien (Italien), in welcher vor rund 23.000 Jahren Überreste eines Menschen (genannt der kleine Prinz) mit einen Pelzumhang, bestehend aus 400 Streifen aus Eichhörnchenfellen, bestattet wurde.

„Ötzi", der Mann aus dem Eis, lebte vor 5300 Jahren. Sein Körper, der 1991 entdeckt wurde, war mit einer Kleidung aus Fell und Leder bekleidet. Er trug eine Fellmütze auf dem Kopf und Lederschuhe an den Füßen.

M. Fromel im Talar. Bild aus Wikipedia-gemeinfrei
M. Fromel im Talar. Bild aus Wikipedia-gemeinfrei

Im Laufe der Menschheitsgeschichte wurde die Kleidung mehr und mehr zum Abzeichen, zum Statussymbol und zum Gegenstand des Spieltriebs des Menschen. Jede Ethnie, jede Zeit hatte ihre eigene Kleidung, die zugleich auch die Geheimnisse ihres Trägers offenbart.

Nichts kommt unserem Körper so nahe wie die Kleidung. Sie ist faktisch die zweite Hautschicht des Körpers. Im Gegensatz zur eigentlichen Haut, kann man sie abgestreift und gewendet werden. Die Kleidung steht zwischen dem Individuum und dessen Umgebung. Sie bedeutet Schutz und zugleich Kontaktvermittler.
Als „zweite Haut" nimmt sie den Geruch ihres Trägers an und auch dessen Haltung. Es ist interessant zu beobachten, wie sich bei einem Kleidertausch die unterschiedlichen Gewänder dem jeweiligen Träger anpassen. Oft steht das Kleid für seinen Träger. Unsere Altvorderen formulierten : Man nehme das Kleid und treffe die ganze Person."

Der Begriff „Kleider" bezeichnet im Gegensatz zu seinem Singular „Kleid" die Gesamtheit der auf dem Körper getragenen Kleidungsstücke. Im 16. Jahrhundert verdrängte dieses Wort die Bezeichnung Gewand (von: wenden, in Falten legen), die - außer in Bayern - heute meist nur noch im Hinblick auf die historische Bekleidung gebraucht wird. Kleider vermögen die körperlichen Vorzüge und Schwächen ihres Trägers hervorzuheben und zu betonen, aber auch zu verbergen und zu kaschieren. Ein Talar verbirgt zum Beispiel barmherzig die O-Beine oder den Bierbauch des darunter befindlichen Körpers.

Kleidung kann Sicherheit verleihen, vor allem dann wenn sie der Situation gemäß ist.Der amerikanische Schriftsteller Ralph Walter Emerson (1803 - 1862) formulierte treffend:

Aus dem Bewusstsein, gut angezogen zu sein, empfindet eine Frau mehr innere Ruhe als aus religiösen Überzeugungen."

Mode im frühen Mittelalter. Foto aus Wikipedia - gemeinfrei.
Mode im frühen Mittelalter. Foto aus Wikipedia - gemeinfrei.

Fühlt jemand sich unwohl in seinem Outfit, oder ist er der Ansicht, er sei „underdressed", dann ist er verunsichert und irritiert, fühlt sich deplaziert und unglücklich.
An der Bekleidung kann man ablesen wie sich ihr Träger befindet, wie geschickt er ist und welchen Status er in der Gesellschaft einnimmt.
In Shakespeares Komödie „Ende gut, alles gut" heißt es dazu:

Die Seele des Menschen sitzt in seiner Kleidung."

Studien in den USA haben ergeben, dass Kleidung und Körpersprache zu 55% über den ersten Eindruck von einem Menschen entscheiden. (38% die Stimme und 7% die Worte, die gesagt werden).
Die Bekleidung sagt viel aus über die Einstellung und Ansichten eines Menschen. Wer zu feierlichen Anlässen mit zerfransten Jeans erscheint oder im Jogging - Look, will provozieren, auffallen und zeigen, wie wenig er von dieser Veranstaltung hält.
Natürlich erfährt man durch die Kleidung auch etwas über den Status ihres Trägers. Der Musiker wird sich anders kleiden als der Naturschützer, der Student anders als der etablierte Jurist.
Auch die Gruppenzugehörigkeit wird durch das Outfit deutlich. Die Anhänger der rechten oder radikalen linken Szene zum Beispiel wollen durch ihr Habit zeigen, zu welcher Gruppierung sie gehören.

Man kann durch sein Äußeres auch zeigen, dass man „in" ist, das heißt modebewusst und auf der Höhe der Zeit.

Bekanntlich gibt es Kleider, in denen fühlt man sich wohl, weil sie bequem sind, ihr Stoff sich gut trägt, ihr Schnitt modern und ansprechend ist. Sehr unschön sind jene Sachen, in denen man sich höchst unwohl fühlt. Auch das kann an deren Schnitt liegen, am Stoff (der vielleicht kratzt) oder daran, dass dieses Gewand nicht an der neusten Mode orientiert ist. Und jeder kennt das Gefühl, wie neu geboren zu sein, wenn man verschmutzte und verschwitzte Sachen ablegt und frische saubere anlegen kann.

Waffenrock, über der Rüstung zu tragen. Bild: Wikipedia- gemeinfrei
Waffenrock, über der Rüstung zu tragen. Bild: Wikipedia- gemeinfrei

Übrigens kommt das innige Verhältnis des Menschen zu seiner Kleidung oft auch in übertragenen Wendungen vor. Da ist die Rede von der „weißen Weste", die einer hat oder nicht hat, oder vom „dicken Fell" eines Menschen. Und im Sprichwort heißt es: „Kleider fressen die Motten und Sorgen das Herz". Im Alten Testament wird die Vergänglichkeit der Menschen mit der seiner Kleidung verglichen, zum Beispiel Jesaja 50, 9 „Sie werden wie Kleider veralten".

Das Wort „Rock" bezeichnet im Althochdeutschen das Obergewand (Kittel, Hemd), das von beiden Geschlechtern getragen wurde. Erst im 15. Jahrhundert entwickelte sich der Halbrock der Damen. Und nachdem der Gehrock der Männer aus der Mode entschwunden ist, ist nur noch der Begriff Waffenrock gebräuchlich. Aber noch heute verwendet man das Sprichwort: „Mein Hemd ist mir näher als der Rock", um anzudeuten, was einem besonders wichtig ist.

Zum Schluss ein paar Anmerkungen zum Gebrauch der häufig benutzten Verben, die mit den Wörtern Kleidung, Gewand oder Rock verbunden werden:

Wir kleiden uns an oder bekleiden uns, aber wir kleiden uns nicht ab, wenn wir uns auskleiden. Wir legen die Kleidung an oder ab. Wir ziehen uns an und ziehen uns aus. Man zieht die Garderobe aus (dabei zieht man sich aus) und man zieht aus einer Wohnung aus (die aber zieht man nicht an, sondern bezieht sie).

Man kann von einer Wohnung in eine andere umziehen, aber man zieht sich um, wenn man ein anderes Gewand anlegt, wobei man sich umkleidet, aber nicht umkleidet (das geschieht in der Regel nur mit Dingen). Schrecklich die Bezeichnung „Umkleide" für die Umkleidekabine in den Modegeschäften.

Und Leipziger wissen, dass das Gewandhausorchester ihrer Stadt nicht nach den darin gewandten (geschickten) Musikern benannt wurde, sondern nach der Tuchhalle (Gewandhaus genannt), in der ursprünglich die Konzerte dieses Orchesters stattfanden.

Literatur

Anawalt, Patricia Rieff: Weltgeschichte der Bekleidung, Bern, 2007

Etymologisches Wörterbuch des Deutschen, Wolfgang Pfeifer, Leiter

des Autorenkollektivs, Akademie - Verlag, Berlin, 1989


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