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Florian Russi
Die Irrfahrten des Herrn Müller II
Eine moderne Odyssee

Daniel Müller ist ein aufstrebender junger Möbelkaufmann. Er hat eine Freundin, doch auch eine Kundin seiner Firma versucht ihn zu gewinnen. Als Daniel sie ermordet auffindet, spricht alles dafür, dass er der Mörder ist. Er gerät in Panik und flieht, fährt zum Flughafen und bucht den nächsten Flug ins Ausland. Im Flugzeug entdeckt ihn eine nymphomanisch veranlagte Prinzessin: Sie versteckt ihn in ihrem Schloss. Während Zielfahnder der Polizei ihm auf den Fersen sind, erlebt Daniel immer neue Abenteuer und Überraschungen …


Schwarzenberg im Erzgebirge 1945

Schwarzenberg im Erzgebirge 1945

Friedrich H. Hofmann

Dichtung und Wahrheit

Marschall Ivan Konew 1945. Foto: Wikimedia Commons, gemeinfrei.
Marschall Ivan Konew 1945. Foto: Wikimedia Commons, gemeinfrei.

 

Mitte April 1945 hatten die US-amerikanischen Truppen die Linie Plauen-Zwickau-Chemnitz erreicht. Danach rückten sie in Südwestsachsen nur noch geringfügig weiter vor. Statt dessen begannen sie mit der Besetzung Westböhmens. Die Sowjets, die damals noch in der Oberlausitz standen, wollten aus geopolitischen Gründen ein weiteres Vordringen der Amerikaner in Richtung Prag unbedingt verhindern. Mit dem Argument, ein „mögliches Durcheinandergeraten" der beiderseitigen Truppen zu verhindern, schlugen sie die Festlegung eines breiten Landstreifens zwischen den beiderseitigen Fronten vor. Dies erfolgte am 5. Mai bei einem Treffen zwischen Marschall Konew (SU) und General Bradley (USA).

Der Landstreifen umfasste u.a. Teile der Kreise Rochlitz, Chemnitz-Land und Zwickau-Land sowie nahezu die gesamten Kreise Stollberg und Schwarzenberg einschließlich der kreisfreien Stadt Aue. Er setzte sich über den sudetendeutschen Kreis Neudeck weiter nach Böhmen fort. Während in Mittweida und einigen Orten nördlich Chemnitz die „unbesetzte Zeit" bereits nach ein bis zwei Wochen zu Ende ging, dauerte sie z.B. im Kreis Stollberg fünf und im Kreis Schwarzenberg bis zu sechs Wochen.

General Omar Bradley. Foto: US-Armee, gemeinfrei.
General Omar Bradley. Foto: US-Armee, gemeinfrei.

 

Das Gebiet wurde jedoch von der US-Armee täglich durch Fahrzeugpatrouillen kontrolliert. Die Amerikaner sammelten nicht nur Waffen ein, sondern forderten auch zur Abgabe von Foto-apparaten auf. In den staatlichen Verwaltungen informierten sie sich, inwieweit belastete NSDAP-Mitglieder aus ihrem Amt entfernt wurden. In Stollberg setzten zwei amerikanische Verbindungsoffiziere am 12. Mai 1945 einen neuen Bürgermeister und auch einen neuen Landrat ein. Aus dem Kreis Schwarzenberg sind solche Initiativen nicht bekannt. Auch hier hatten sich in vielen Orten sog. Aktionsausschüsse gebildet. In einzelnen Gemeinden forderten sie die bisherigen Bürgermeister auf, unter ihrer Aufsicht weiterhin tätig zu sein. In der Mehrzahl der Orte nahmen jedoch von der Bevölkerung vorgeschlagene neue Bürgermeister ihre Tätigkeit auf. Die Spannbreite reichte dabei von ehemaligen KPD-Mitgliedern bis zu kirchlichen Mitarbeitern.

Schwarzenberg 1945 Postwertzeichen. Foto: F. Hofmann.
Schwarzenberg 1945 Postwertzeichen. Foto: F. Hofmann.

In der Stadt Schwarzenberg konstituierte sich am 11. Mai aus vier Kommunisten und zwei Sozialdemokraten ein „Antifaschistischer Aktionsausschuss". Nachdem dieser am 12. Mai den Bürgermeister Dr. Rietzsch abgesetzt hatte, übernahmen die kommunistischen Mitglieder W. Irmisch, W. Krause, P. Korb und Frau H. Pabst alle Schlüsselpositionen in der Stadtverwaltung (1. und 2. Bürgermeister, Polizeiamt, Ernährungsamt). Einige Tage später benannte der Aktionsausschuss Verantwortliche für die Bereiche Post, Bahn und Elektrizitätswerk. In den beiden ersten Fällen war das eine wirkungslose Kompetenzüberschreitung, denn diese Bereiche erhielten auch jetzt alle Anweisungen von ihren vorgesetzten Dienststellen. So war bereits am 12. Mai von der Oberpostdirektion Chemnitz die telegrafische Anweisung eingegangen, den Hitlerkopf auf den Briefmarken vor ihrer Weiterverwendung zu schwärzen. Damit fand wieder regulärer Postverkehr statt. Einen Vorschlag des hiesigen Postamts, die Hitlermarken mit der Schlosssilhouette zu überstempeln, genehmigte der Präsident der OPD dem Postamtsleiter Ende Mai 1945 auf einer Dienstberatung in Chemnitz. Auch der hiesige Eisenbahnverkehr lief etwa ab 14./15. Mai wieder nach einem provisorischen Fahrplan, der Bahnpostbeförderung einschloss.

Einige Tage später wurde ein „Bezirksausschuss" gebildet. Er beauftragte den amtierenden Landrat Dr. Hänichen mit der Weiterführung der Geschäfte. Dr. jur. Friedrich Hänichen war nicht Mitglied der NSDAP. Er wurde daher nach dem Tod des Landrates Dr. Zesch 1944 nur mit der „vorläufigen Vertretung" beauftragt. Er tat dies mit Energie und Engagement. Bereits in den letzten Kriegswochen hatte er bei Wehrmachtsoffizieren die Freihaltung wichtiger Versorgungswege für Lebensmittel durchgesetzt. Am 21. Mai schrieb er an das Kohlensyndikat Zwickau und bat um Lieferung von „Bäckerkohle". Am 25. und 26. Mai schrieb er mehrseitige Briefe, teils in englischer Sprache, an die amerikanischen Kommandanten in Auerbach (Vogtl.) und Plauen. Nach Darlegung der Schwierigkeiten durch die Abschnürung des Kreises Schwarzenberg von seinem Umland bat er um Hilfe, insbesondere bei der Beschaffung von Lebensmitteln. Er erhielt daraufhin eine bis 30. Juni befristete Genehmigung für Versorgungsfahrten in das amerikanisch besetzte Thüringen. Mit einem großen Mercedes-Postautobus (Sitze ausgebaut), der einen LKW-Hänger mitführte, wurden Küchengeräte, Emaillegeschirr und andere Produkte der hiesigen Industrie dort gegen Lebensmittel eingetauscht. Aufgrund der amerikanischen Genehmigung fuhren der hiesige Arzt Dr. Freudewald und der Apotheker Mahr ins Rheinland, um dringend benötigte Medikamente zu kaufen. Die gesamten Kosten trugen beide Herren selbst. 

Schloss und Kirche auf Felsriegel über dem Schwarzwasser. Foto: Original uploader was Hejkal at de.wikipedia, CC-BY-SA-2.0-DE.
Schloss und Kirche auf Felsriegel über dem Schwarzwasser. Foto: Original uploader was Hejkal at de.wikipedia, CC-BY-SA-2.0-DE.

Gemeinsam mit Mitgliedern des Bezirksausschusses setzte sich Dr. Hänichen in Verhandlungen mit den amerikanischen wie den sowjetischen Stellen erfolgreich für die rasche Rückführung der ca. 1700 in Schwarzenberg befindlichen ausländischen Arbeitskräfte ein. Dies war um den 20. Mai abgeschlossen. Landrat und Bezirksausschuss bemühten sich intensiv um Fortführung bzw. Wiederaufnahme der Produktion. Am 17. Juni bildete sich ein Industrieausschuss aus den Leitern verschiedener Betriebe, der die Koordination der Materialzuweisungen und den Absatz der Fertigprodukte im Tausch gegen Lebensmittel organisieren sollte. Gleichzeitig versuchte der Aktionsausschuss durch Einsetzen von Betriebsräten und Verhaftung von Firmeneigentümern Einfluss auf die Produktion zu gewinnen.

Bereits die Ereignisse der letzten Kriegswochen hatten zu Störungen im Geldverkehr geführt. Entsprechend einer Verordnung der Reichsbank vom Herbst 1944 zur möglichen Ausgabe regionalen Notgeldes hatte der Landrat ab Mitte April 1945 entsprechende Vorbereitungen getroffen. Nachdem es Anfang Mai nicht gelang, aus Dresden das benötigte Geld zu erhalten, erteilte Dr. Hänichen am 9. Mai der hiesigen Druckerei C. M. Gärtner den Druckauftrag für Notgeldscheine. Am 18. Mai wurden Scheine zu 10,- und 20,- RM in Umlauf gegeben, fast gleichzeitig mit entsprechendem Notgeld im Nachbarkreis Stollberg. Sie blieben auch nach der sowjetischen Besetzung gültig. Etwa ab 10. bis zum 31. Oktober 1945 erfolgte Einziehung und Umtausch in gültige Zahlungsmittel bei den Banken und Sparkassen des Landkreises. 

Der Schwarzenberger Aktionsausschuss sah eine wichtige Aufgabe in der „Entmachtung und Bestrafung der aktiven Nazis". Die Festnahmen begannen bereits am 12. Mai, erfolgten jedoch sehr subjektiv. Neben Funktionsträgern der NSDAP verhaftete man auch nominelle Mitglieder, die erst nach 1933 unter Druck eingetreten waren, um ihren Arbeitsplatz nicht zu verlieren, ja sogar Personen, die der NSDAP gar nicht angehört hatten, bis hin zu 15/16-jährigen Jungen. Hier wurden offensichtlich auch „alte Rechnungen" beglichen. Dabei wurde der Schwarzenberger Ausschuss ebenso in anderen Orten tätig, was zu Protesten führte. Von den mehreren hundert Verhaftungen, die der Schwarzenberger Aktionsausschuss vornahm, gibt es keinerlei Aufzeichnungen. Weder Namen noch Daten oder Gründe wurden notiert. Bis auf einzelne Freilassungen übergab man die Verhafteten der sowjetischen Kommandantur in Annaberg. Viele davon kamen in sowjetischen Lagern um. Erst in den letzten Jahren versuchen eine Arbeitsgruppe im Museum Schwarzenberg sowie einzelne Betroffene Daten und Fakten zusammenzutragen, was nach so langer Zeit viele Schwierigkeiten bietet.

Eine weitere Aufgabe sah der Schwarzenberger Aktionsausschuss im Aufspüren und der Beschlagnahme von versteckten Lebensmittellagern. So fand er im Raum Tellerhäuser - teils hinter der Grenze des sowjetisch besetzten Landkreises Annaberg - größere Vorräte des ehemaligen Gauleiters Mutschmann. Auch bei hiesigen NSDAP-Funktionären fanden sich teilweise gehortete Lebensmittel. Andererseits wurde auch persönliches Eigentum hiesiger Bürger, ja selbst von Flüchtlingen konfisziert. Doch nicht alle beschlagnahmten Lebensmittel kamen der Bevölkerung zugute. Die Ausschussmitglieder legten in einem streng verschlossenen Raum des Rathauses ein eigenes Lager an, aus dem sie sich monatelang bedienten.

Am 20. Juni 1945 wurden der Landrat und die Bürgermeister des Kreises in die sowjetische
Kommandantur nach Annaberg bestellt. Dort erläuterte ihnen der Kommandant die Modalitäten ihrer künftigen Tätigkeit unter sowjetischer Besatzung. Tatsächlich waren bereits am 12. Juni in Aue und Schneeberg sowjetische Ortskommandanturen eingerichtet worden. Weshalb das in Schwarzenberg erst am 25. Juni geschah, ist nicht bekannt. Am 4. Juli 1945 wurde dann offiziell die Kreiskommandantur Schwarzenberg im bisherigen Bezirksverbandsgebäude Am Hofgarten 2 eingerichtet und die gesamte Straße abgesperrt. Damit war die „unbesetzte Zeit" endgültig vorbei.

Die neue sowjetische Militärverwaltung bestätigte sofort die Bürgermeister und den Landrat in ihren Ämtern. Die KPD wollte jedoch unbedingt einen ihrer Leute in letzterer Funktion haben und erreichte schließlich durch ständige Verleumdungen am 27. Juli die Abberufung von Dr. Hänichen durch die Sowjets. Ihm wurde unterstellt, er habe die antifaschistische Neuordnung sabotiert und mit den Amerikanern kollaboriert. Der neue Landrat Ernst Scheffler verweigerte ihm entgegen den alliierten Bestimmungen jede weitere Beschäftigung im Landratsamt.

Die Schwarzenberger Kommunisten folgten 1945 unverändert ihren ideologischen Vorstellungen der zwanziger Jahre. Für sie gab es nur Arbeiter und Kapitalisten. Letztere, zu denen sie auch einfache Handwerksmeister und Geschäftsinhaber zählten, mussten ihrer Meinung nach mit allen Mitteln bekämpft werden. Die Tatsache, Mitglied der NSdAP gewesen zu sein, spielte demnach bei „Kapitalisten" eine ganz andere Rolle als bei „Arbeitern". Dies zeigt folgendes Beispiel:

Der Leiter des Postamts Schwarzenberg war kein Mitglied der NSdAP gewesen. Doch als „Handlanger des kapitalistischen Systems" musste er natürlich durch ein Mitglied des Schwarzenberger Aktionsausschusses kontrolliert werden. Dafür wählten die Kommunisten den Postschaffner Löffler aus, den sie aufgrund seines niedrigen Dienstranges zur Arbeiterklasse rechneten. Da spielte es offensichtlich keine Rolle, dass Löffler nicht nur NSdAP-Mitglied, sondern bis Kriegsende sogar „Führer" (Kommandeur) des Postschutzes im Gebiet Schwarzenberg gewesen war, einer halbmilitärischen Truppe, vergleichbar mit den „Kampfgruppen" in DDR-Betrieben.

Als gegenteiliges Beispiel sei das tragische Schicksal des langjährigen stellvertretenden Landrates Dr. Hänichen angeführt. Obwohl er sich nach seiner Ablösung zurückhaltend verhielt und eine kleine Skiwerkstatt betrieb, beschlagnahmten die Schwarzenberger Kommunisten im November 1945 sein Wohnhaus und erreichten durch ständig neue Verleumdungen bei der Besatzungsmacht am 4. Januar 1946 seine Verhaftung. Vier Jahre war er ohne Verhandlung in Bautzen inhaftiert. Der Hass der Kommunisten auf den ihnen haushoch überlegenen Mann war so groß, dass sie ihn unter hanebüchenen Lügen 1955 - da war er bereits im Rentenalter - nochmals verhaften ließen.

Wie entstanden nun die seltsamen und immer wieder neu aufgetragenen Legenden bis hin zur „Freien Republik Schwarzenberg"?

Überfrankierter Sammlerbrief (zweite Ausgabe). Foto: F. Hofmann.
Überfrankierter Sammlerbrief (zweite Ausgabe). Foto: F. Hofmann.

Werner Groß, seit 1958 an der SED-Parteihochschule „Karl Marx" tätig, war der erste DDR-Historiker, der sich näher mit dem Geschehen während der unbesetzten Zeit im Raum Schwarzenberg befasste. Seine diesbezügliche Diplom-Arbeit wurde 1961 veröffentlicht. Darin versuchte er insbesondere, die westliche These vom „Export der Revolution durch die sowjetische Besatzungsmacht" zu widerlegen. Allerdings sind im Gegensatz zu den meisten anderen Städten und Gemeinden des Landkreises vom Schwarzenberger Aktionsausschuss, und somit von der damaligen Stadtverwaltung, so gut wie keine schriftlichen Aufzeichnungen aus der unbesetzten Zeit vorhanden. Damit basiert die Arbeit von W. Groß überwiegend auf Befragungen der damals handelnden Personen, die ihre mehr oder weniger subjektiv gefärbten Erinnerungen und Behauptungen darlegten. Ich habe sowohl um 1978 als auch nach 1990 in Gesprächen mit verschiedenen Einwohnern von Schwarzenberg mehrfach deutlich andere Einschätzungen erfahren. Damit kann die Arbeit von W. Groß nicht als historisch objektive Darstellung gelten. Viele Angaben entsprechen nicht der Wahrheit. Beispielsweise das dort behauptete „Chaos" im Kreis Schwarzenberg ist eine reine Erfindung. Tatsächlich bestand über das Kriegsende hinweg ständig telefonische und mit wenigen Tagen Unterbrechung postalische Verbindung Schwarzenbergs - auch des Landratsamtes - mit sämtlichen Orten des Kreises. Ich habe selbst erlebt, wie die deutschen Soldaten, oft bereits ohne Waffen, um den 8.bis 10. Mai so schnell es ging unser Gebiet Richtung Westen verließen. Berichte über „Plünderungen" durch bewaffnete deutsche Soldaten nach dem 8. Mai 1945 beruhen stets auf einem einzigen Vorfall, der Gruppe um den sog. „Leutnant Herfurth", die im Raum Sosa Lebensmittel erpresste. Dieser „Leutnant" wurde innerhalb weniger Tage von den eigenen Leuten überwältigt und den Amerikanern übergeben.

Wie negativ die Mehrheit der Schwarzenberger Bevölkerung die Herrschaft des Schwarzenberger Aktionsausschusses erlebte, kommt auch im Ergebnis der Gemeindewahlen vom 1. September 1946 zum Ausdruck. Während die SED im Kreisdurchschnitt 46 % und die CDU 43 % der Stimmen erhielt, wählten in der Stadt Schwarzenberg 51,5% CDU und nur 34,7% SED. Die kommunistischen Mitglieder des Aktionsausschusses wollten jedoch ihre bisherige Macht in der Stadt Schwarzenberg nicht teilen. Sie ließen den neu gewählten CDU-Bürgermeister nach wenigen Tagen von den Sowjets verhaften, schlossen weitere CDU-Abgeordnete aus der Stadtverordnetenversammlung aus und annullierten praktisch das Wahlergebnis. So muss rückwirkend eingeschätzt werden, dass in der „unbesetzten Zeit" in Schwarzenberg nicht die Grundlage für eine Demokratie, sondern für eine neue Diktatur gelegt wurde. Nicht zuletzt arbeiteten alle kommunistischen Mitglieder des Schwarzenberger Aktionsausschusses aufgrund freiwilliger Verpflichtungen über Jahrzehnte hinweg als wichtige geheime Informanten des DDR-Staatssicherheitsdienstes.

Interessant ist, dass die Situation im ebenfalls „unbesetzten" Nachbarkreis Stollberg von der SED-Propaganda totgeschwiegen wurde. Veröffentlichungen darüber gab es fast nicht. Sie waren wohl unerwünscht. Der Grund liegt vermutlich darin, dass es hier zwar auch Aktionsausschüsse und neue Bürgermeister gab, doch keine derart einseitige kommunistische Machtausübung.

 

Im Jahre 1984 erschien in München das Buch „Schwarzenberg" von Stefan Heym. Er nennt es „Roman" (nicht etwa „historischer Roman") und das ist korrekt. Heym erfindet in seinem Buch den Begriff „Republik Schwarzenberg". Als Mitglied der SED wollte er seine Vorstellung von einem „demokratischen Sozialismus" dichterisch gestalten. Zum Ausgangspunkt dafür schien ihm das „unbesetzte Gebiet" Schwarzenberg geeignet. Er verarbeitete einige wesentliche Angaben aus dem Buch von W. Groß. Ein Teil der Personen im Roman sind frei erfunden, andere lehnen sich an damals lebende an. Die beachtliche Wirkung des Buches beruht darauf, dass es über weite Strecken wie ein Tatsachenbericht geschrieben ist. So fassten viele Menschen den Roman auch als solchen auf. Schlimmer erscheint mir allerdings, dass zahlreiche Journalisten in den Medien den Roman mit großem Aufwand als Tatsachenschilderung offerierten.

Um 1995 erfand dann eine Schwarzenberger Künstlergruppe die weiter überhöhte Bezeichnung „Freie Republik Schwarzenberg". Sie malten Ortsanfangstafeln mit dieser Bezeichnung, stellten bei Stadtfesten Pässe dieser „Freien Republik" aus und verkauften weitere selbstgefertigte „Erinnerungsstücke" der erfundenen Republik. Mit Historie hat das natürlich nichts zu tun, sondern dient vor allem dem Kommerz. Trotzdem wird selbst dieses Schlagwort der „Freien Republik" von unseriösen Journalisten und anderen wie eine Wahrheit verbreitet.

Mehrere Autoren, teilweise ehemalige Mitglieder der SED, beschäftigten sich etwa seit 1995 mit der „unbesetzten Zeit" in Schwarzenberg. Sie fußen mehr oder weniger auf W. Groß, unterscheiden sich jedoch durch stärkere Differenzierung der Ereignisse vom Sommer 1945. Eine einzelne Aufführung würde den Rahmen dieser Ausführungen sprengen.

Eine gründlich recherchierte Arbeit von Lenore Lobeck aus Schwarzenberg mit umfangreichen Quellenangaben erschien in der Schriftenreihe des Sächsischen Landesbeauftragten für die StasiUnterlagen. Aus diesem Buch stammen viele wesentliche und wichtige Angaben in der vorliegenden Darstellung.

Lobeck, Lenore: Die Schwarzenberg-Utopie. Geschichte und Legende im „Niemandsland". Leipzig 2004

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