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Roland Opitz
Kennst du Fjodor Dostojewski?

Das Leben Dostojewskis glich einer Achterbahnfahrt: stetig pendelnd zwischen Verehrung und Verachtung, zwischen Erfolg, Spielsucht und Geldnot. Mit 28 Jahren wurde er wegen revolutionärer Gedanken des Hochverrats angeklagt und zum Tode verurteilt, landet dann aber im sibirischen Arbeitslager.
Er gilt als Psychologe unter den Schriftstellern, derjenige der hinab schauen kann in die Abgründe der menschlichen Seele. Diese Biografie ist gespickt mit Auszügen aus seinen Meisterwerken sowie mit einigen seiner Briefe, die einen offenherzigen Menschen zeigen.

Streit zwischen den Dübener Schützen

Streit zwischen den Dübener Schützen

Lutz Fritzsche

In der alten Dübener privilegierten Schützengilde von 1712 gab es hin und wieder Streit zwischen den Mitgliedern. Die einen wollten strenger sein als das Militär, die anderen mehr Geselligkeit und weniger preußischen Gehorsam. So kam es letztendlich zur Spaltung und zur Gründung einer zweiten Schützengesellschaft, am 25.Januar 1911. Die alte Gilde wetterte nun auf die Neue. In den „Dübener Nachrichten", einer dreimal in der Woche erscheinende Zeitung, hielt man sich anfangs zurück. Schließlich waren bei beiden Schützengilden etliche Handwerksmeister und Geschäftsleute und diese schalteten ja auch Werbung in der Zeitung. Da konnte eine frühzeitige Positionierung bares Geld kosten. In der Ausgabe vom 16.2.1911 machte sich dann aber das Offizierskorps der privilegierten Schützen ihren Herzen Luft. In einem Artikel: „Ein Wort zur Aufklärung" beschwören sie noch einmal die alten Werte und Traditionen und werfen jenen ehemaligen Mitgliedern, welche jetzt in der neuen Schützengesellschaft sind vor, sie hätten sich unwürdig erwiesen die Uniform zu tragen und wären nicht der Fahne gefolgt.

Auch richteten sie Proteste und Beschwerden an den Landrat in Bitterfeld und die Regierung des Regierungsbezirkes Merseburg. Der Landrat, Freiherr von Bodenhausen, sah sich nun verpflichtet beim Dübener Bürgermeister Hermann Welzel nachzufragen, was los sei. Dieser antwortete in einem vertraulichen Bericht, hier einige Auszüge, folgendes: " Die hiesige Schützengilde ist eine sehr alte Gesellschaft. Die Mitglieder derselben gehören zumeist der minderbemittelten Volksklasse an. Der Kommandeur Arndt ist früher Bäckermeister und Materialist gewesen und lebt seit mehreren Jahren als Privatier. Es mag sein, dass er der Gilde seit 32 Jahren angehört, Kommandeur derselben aber ist er seit 1893. Arndt hat einen etwas eigenen Charakter und hat deshalb mehrfach bei den Schützenmitgliedern Anstoß erregt." Welzel schreibt, dass es bei den sogenannten Bataillonsversammlungen der Gilde und bei sonstigen Gelegenheiten mehrfach zu Differenzen kam und er, als Bürgermeister, Frieden stiften musste. Dies war sehr diplomatisch ausgedrückt, den die Herren hatten sich schon seit 1880 (so nach Unterlagen der Schützen) in den Haaren. Oft waren es kleinliche Gründe die Anlass zum Streit gaben, aber sie führten schließlich dazu, dass die unzufriedenen Mitglieder die Gilde verließen oder ausgeschlossen wurden. Diese hatten sich dann im Verein mit anderen Dübener Bürgern am 25.Januar 1911 zu einer neuen Schützengesellschaft, unter der Bezeichnung "Schützen-Gesellschaft von 1911 zu Düben", zusammengefunden.

Schützengesellschaft Medaille 1932.
Schützengesellschaft Medaille 1932.

Welzel schreibt:" Die neue Schützengesellschaft erfreut sich einer gewissen Beliebtheit und ist derart gewachsen, dass sie die alte Schützengilde erheblich bezüglich der Anzahl der Mitglieder überflügelt hat. Bei ihren Festen und Veranstaltungen geht es, wie wir uns überzeugt haben, sehr friedlich und anständig zu." 

Der Bürgermeister sparte nicht mit Lob über die 1911-Schützen, sicher auch weil er ein Ende des alten Streites wollte. Er schrieb, sie sehen in ihrer Ausstattung sehr schmuck und proper aus. Und zur Unterstreichung ihres friedlichen Charakters erwähnte er, dass sie steht‘s ohne Gewehre auszögen. Was den Vorsteher der Schützengesellschaft anbelangte, so war dies der Landwirt und Waldhofbesitzer Reinhold Jantzsche aus Düben, Vor der Bildung der neuen Gesellschaft war derselbe lange Jahre Ehrenmitglied der alten Gilde und hatte dieser vielfach Geschenke gemacht, weshalb er bei den Offizieren und den Mitgliedern sehr beliebt war. Jetzt, wo er der anderen Partei angehörte, wurde er als Gegner betrachte.

Medaille 1932 Rückseite: 200 Jahre Schützengesellschaft.
Medaille 1932 Rückseite: 200 Jahre Schützengesellschaft.

Die ganze Sache hatte aber auch einen politischen Hintergrund. In der neuen Schützengesellschaft waren etliche Dübener Korbwarenfabrikanten, die durch Rüstungsaufträge schnell zu Geld gekommen waren. In Vorbereitung des 1.Weltkrieges wurden nämlich in Düben Unmengen von Geschoßkörben für Granaten produziert. In diesen Betrieben und Werkstätten arbeiteten viele sozialdemokratisch beeinflusste Arbeiter. Arndt und seine Freunde, alle kaisertreu bis auf die Knochen, ließen sich nun zu der Äußerung hinreißen, die Korbmachermeister sollten doch dankbar sein gegenüber dem Kaiser für die vielen Aufträge. Stattdessen machten sie nicht nur ihre Betriebe, sondern jetzt auch noch den neuen Schützenverein zum Sammelplatz der Sozialdemokraten. Bürgermeister Welzel wies diese Behauptung in seinem Schreiben an den Landrat natürlich zurück und teilte mit: " Es ist zutreffend, dass ein Mitglied der neuen Schützengesellschaft bei der letzten hiesigen Stadtverordneten-Wahl seine Stimme einem Sozialdemokraten gegeben hat, sonst ist er aber ein sehr fleißiger und ruhiger Bürger." Über Waldhofbesitzer Jantzsche schrieb man: „ Er war früher in Leipzig wohnhaft, wo er in guten Kreisen verkehrte. Von seiner ersten Frau ist er geschieden und hat hier eine Bürgertochter geheiratet, wegen ihr auch die Scheidung hauptsächlich erfolgte. Er lebt still und zurückgezogen und huldigt keinen Umsturzbestrebungen."

Nach diesem heftigen Schlagabtausch glätteten sich aber wieder die Wogen.

In den dreißiger Jahren wurden dann beide Vereine, im Zuge der nationalsozialistischen Gleichschaltungspolitik, zwangsvereinigt. Und 1945 wurde die Schützengeellschaft verboten. Seit 1994 besitzt Bad Düben wieder eine Schützengilde, die zur Zeit 76 Mitglieder (Stand 2015) hat. Möge sie sich weiterhin so positiv entwickeln.

Bildnahweis:

Der Bertuch Verlag dankt dem Autor für die Nutzungsrechte der Bilder im Artikel.

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