Friedrich August I., Kurfürst von Sachsen, genannt August der Starke, verliebte sich 1704 leidenschaftlich in die schöne und geistreiche Anna Constantia von Hoym, die mit seinem Minister Adolf Magnus von Hoym, einem Obersteuerdirektor, durchaus standesgemäß verheiratet war. Hoym hatte sich als grausamer Ehemann entpuppt, die Ehe scheiterte. Madame Hoym verweigerte den Beischlaf und strebte die Scheidung an. Sie stammte aus dem alten Adelsgeschlecht derer von Brockdorff, einem verarmten Rittergeschlecht, ansässig in Holstein. Vom sozialen Abstieg bedroht, war es ihr sehr wichtig, ihren Rang zu erhöhen.
Constantia fiel nicht nur durch ihre große Schönheit auf, sondern auch durch ihre betörende Anmut und ihr bezauberndes Lächeln. Sie war klug, witzig und schlagfertig. Sie konnte hervorragend reiten, fechten und tanzen. So war sie einer Clique am Hof aufgefallen, die den König von seiner langjährigen polnischen Mätresse, der Fürstin Lubormirska, lösen wollte, um eigene sächsische Einflüsse zu stärken. Denn die Stellung der Mätressen verstand sich zu jener Zeit als ein Hofamt. Der König brauchte die polnische Mätresse und ihren Einfluss auf den polnischen Adel nicht mehr, weil die Adelsversammlung in Polen einen Gegenkönig aufgestellt hatte. Just zu diesem Zeitpunkt traf der König mit Madame Hoym zusammen, die ebenfalls von Amors Pfeilen getroffen war.
Auf ihre Sicherheit bedacht, wollte sie nicht Mätresse werden. Klug wie sie war wusste sie, wenn die Pläne scheiterten, müsste sie auf ihr verarmtes Rittergut in Holstein zurückkehren. Deshalb ergriff sie ihre Chance: Sie rang dem König 1705 einen Ehevertrag ab, die Zusicherung, sie nach dem Tod der rechtmäßigen Königin Christiane Eberhardine, die aus einer Seitenlinie der Hohenzollern stammte, offiziell zu heiraten und sie zur Kurfürstin und Königin zu machen. Zunächst sollte sie am Hofe als Mätresse auftreten. Madame Hoym wurde die glänzendste Mätresse in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts.
Der Kaiser in Wien machte Anna Constantia zur Reichsgräfin Cosel und Exzellenz. August der Starke gab ihr das große, einträgliche Rittergut Pillnitz, mit Schloss, Dörfern, Weinbergen und Wäldern als Witwensitz und später als Erbe für die gemeinsamen Kinder. Der berühmte Hofbaumeister Pöppelmann durfte ein prachtvolles Palais für sie bauen, das mit wertvollsten Möbeln und Kostbarkeiten ausgestattet wurde. Wer das Palais betrat, glaubte ein Zauberwerk vor Augen zu haben. Alles war mit erlesenem Geschmack ausgewählt und eingerichtet. Die Cosel besaß die edelsten Pferde, die teuersten Kutschen, kostbare Kleider und Juwelen. Die Entfaltung der Pracht galt als Ausdruck von Macht. Der König und seine Mätresse waren von einem Glanz umgeben, der Adlige und Untertanen durchaus an die Herrlichkeiten des Himmels erinnern sollte.
Der Alltag der Reichsgräfin Cosel war voller Pflichten: Repräsentation auf Festen und Jagden des Königs, auf Gesellschaften, zu denen Minister, hohe Adlige und Gesandte fremder Höfe geladen waren. Die Cosel begleitete häufig den König bei seinen Inspektionsreisen durch Sachsen. Bei der Arbeit mit den Ministern war sie dabei und sie griff in Kabinettsreformen ein, wählte Minister aus. Aber für jede Mätresse bestand die Gefahr zu scheitern. Und die Cosel hatte sich den Premierminister mit ihren Entscheidungen zum Feind gemacht.
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Quellen:
Gross, Reiner. Geschichte Sachsens. Leipzig. 3.durchgesehene Auflage 2004
Hoffmann, Gabriele. Constantia von Cosel und August der Starke. (Augsburg) 2000