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Künstlerin im Prinzenbett

Künstlerin im Prinzenbett

Henner Kotte

Friedrich August III. von Sachsen mit seinen Kindern. Söhne: Georg, Friedrich Christian, Ernst.(1)
Friedrich August III. von Sachsen mit seinen Kindern. Söhne: Georg, Friedrich Christian, Ernst.(1)

Nach seiner Abdankung zog Sachsens König Friedrich August III. (*1865 – †1932) auf sein Privatgut Sibyllenort bei Breslau. Jedoch hatte er nicht im Namen seiner (männlichen) Nachkommen auf den Thron verzichtet. Sein ältester Sohn Georg (*1893 – †1943) verbrachte die Zeit der Revolutionswirren auf Schloss Neschwitz in der Oberlausitz und beschloss in der Wallfahrtskirche Rosenthal, sein weiteres Leben Gott zu widmen. Bruder Georg arbeitete am Berliner Canisius Kolleg und setzte sich für die Ökumene ein. Beim Schwimmen im Groß Glienicker See verstarb er im Sommer 1943. Nach Wochen wurde seine Leiche erst gefunden. Die Diagnose der Pathologen: Herzinfarkt. Auch Georgs im selben Jahr geborener Bruder Friedrich Christian (*1893 – †1963) schlug traditionsgemäß zunächst eine militärische Laufbahn ein. Nach dem Kriege studierte Friedrich Christian Rechtswissenschaft. Der jüngste Prinz Ernst Heinrich (*1896 – †1971) befehligte 1918 den Rückzug der ihm unterstellten Truppen in die Heimat. Auf Wunsch seines Vaters verhandelte er mit den Vertretern der neuentstandenen Republik den finanziellen Ausgleich. 1924 waren die Eigentumsansprüche des Königshauses geregelt. „Auf der Basis dieses Vertrages und eines Übereinkommens zwischen Prinz Friedrich Christian von Sachsen und seinem jüngerem Bruder Prinz Ernst Heinrich von Sachsen erhielt Letzterer das Wohnrecht in Moritzburg, während Prinz Friedrich Christian von Sachsen den Königsweinberg in Dresden-Wachwitz übernahm und dort auch 1934 – 36 sein Haus Wachwitz erbauen ließ. Zunächst bewohnte Prinz Ernst Heinrich Schloß Moritzburg nur im Sommer, zog im Frühjahr 1937 jedoch für dauernd in diese traditionsreiche Residenz der Wettiner. Dort konnte er bis zu seiner Flucht 1945 schöne, erfolgreiche, aber auch arbeitsame Jahre zusammen mit seinen Angehörigen verbringen, wie er in seiner Biographie mehrfach zum Ausdruck bringt.“ Den nationalsozialistischen Machthabern stand Prinz Ernst Heinrich kritisch gegenüber und pflegte nur die gesellschaftlich notwendigen Kontakte. Reichsjägermeister Hermann Göring (*1893 – †1946) und Reichsstatthalter Martin Mutschmann (*1893 – †1947) besuchten mehrmals in ihrer Funktion Prinz und Moritzburger Wälder. Den natürlichen Tod seines Bruders Georg hat Ernst Heinrich stets bezweifelt. Doch blieb der Prinz bei Volk und Prominenz beliebt. Illustre Gäste aus Kunst, Kultur und Adel weilten bei ihm auf Schloss Moritzburg.

 Moritzburg, Meißner Straße 7, Rüdenhof. (2)
Moritzburg, Meißner Straße 7, Rüdenhof. (2)

Im Kriegsjahr 1943 lernte Ernst Heinrich in ihrer Berliner Wohnung die greise Künstlerin Käthe Kollwitz kennen, die mit ihren Werken soziale Mißstände angeprangert hatte. „Das eigentliche Motiv aber, warum ich zur Darstellung fast nur das Arbeiterleben wählte, war, weil die aus dieser Sphäre gewählten Motive mir einfach und bedingungslos das gaben, was ich als schön empfand. Schön war für mich die Großzügigkeit der Bewegungen im Volke. Erst viel später erfasste mich mit ganzer Stärke das Schicksal des Proletariats. Ungelöste Probleme wie Prostitution, Arbeitslosigkeit, quälten und beunruhigten mich und wirkten mit als Ursache dieser meiner Gebundenheit an die Darstellung des niederen Volkes, und ihre immer wiederholte Darstellung öffnete mir ein Ventil oder eine Möglichkeit, das Leben zu ertragen.“ Die Kollwitz beeindruckte Prinz Ernst Heinrich mit Persönlichkeit, Haltung und ihrem Werk. „Wenig später schickte die Kollwitz eine Mappe mit Zeichnungen nach Moritzburg, um sie vor den Luftangriffen in Sicherheit zu bringen. Ihr Sohn schafft ein Dreivierteljahr danach weitere Mappen mit 184 Handzeichnungen, Lithographien, Radierungen und Holzschnitten sowie eine Gipsplastik zur Aufbewahrung dorthin.“ Falls eine Flucht notwendig sei, wurde vereinbart, sollte Prinz Ernst Heinrich die Kunstwerke mit nach Sigmaringen nehmen. Wahrscheinlich hat man bei diesem Treffen auch besprochen, dass Käthe Kollwitz nach Moritzburg übersiedeln sollte, um den Kämpfen in Berlin zu entgehen. „Mittels seiner guten Verbindungen zum Roten Kreuz organisierte Prinz Ernst Heinrich schließlich den Transport der Kollwitz, wo sie am 20. Juli 1944 eintraf. Sie bewohnte im Rüdenhof im ersten Stock ein Eckzimmer mit Blick zum Schloss und ein Zimmer mit Balkon. Am 22. April 1945 verstarb sie dort mit 77 Jahren kurz bevor die Rote Armee am Zufluchtsort einmarschierte. „Übrigens in dem Bett, in dem schon König Georg gestorben war und das Ernst Heinrich aus den Beständen des Schlosses ausgesucht hatte, um die Zimmer im Rüdenhof zu möblieren.“ Von der Einrichtung sind Nachttisch, Tagebuch und eine Büste von Johann Wolfgang von Goethe erhalten geblieben. Heute erinnert ein Museum. „Ich bin einverstanden damit, daß meine Kunst Zweck hat. Ich will wirken in dieser Zeit, in der die Menschen so ratlos und hilfsbedürftig sind.“

Käthe-Kollwitz-Haus, Meißner Str. 7, 01468 Moritzburg

Schloss Moritzburg: Schlossallee, 01468 Moritzburg

Schloss Wachwitz: Wachwitzer Weinberg 15, 01326 Dresden

Bildnachweis

Kopfbild: Käthe Kollwitz Selbstbildnis im Profil nach rechts, 1938? aus Wikimedia, gemeinfrei

(1) Friedrich August III. mit seinen Kindern: Ursula Brekle

(2) Rüdishof: Urheber Bybbisch94-Christian Gebhardt

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