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Das verlassene Krankenhaus bei Tschernobyl

Nic

Heft, 28 Seiten, 2020 - ab 23 Nov. erhältlich

Die Stadt Prypjat liegt nur 3 Kilometer von Tschernobyl entfernt. Im hiesigen Krankenhaus wurden unmittelbar nach der Explosion des Atomreaktors die ersten stark verstrahlten Opfer behandelt. Viele von Ihnen sind an der massiven Strahlenbelastung gestorben.

Am 27. April 1986, einen Tag nach der Nuklearkatastrophe, wurde die Prypjat evakuiert. Seither ist die Stadt, wie auch das hier gezeigte Krankenhaus verwaist. 30 Jahre Leerstand hinterlassen Ihre Spuren. Nic führt uns auf einem Rundgang durch verlassene Gänge vorbei an verfallenen OP-Sälen und Behandlungszimmern.

Für alle Fans von Lost Places.

Ab 4 Heften versenden wir versandkostenfrei.

Die Gedanken sind frei

Die Gedanken sind frei

Dipl.-Päd. Ursula Brekle

 

Auf Flugblättern, die zum ersten Mal um 1780 auftauchten, hatte das Lied anfangs vier Strophen, es wurde später eine fünfte hinzugefügt. Der Autor des Textes und der Komponist sind unbekannt. Die beliebteste Version jedoch veröffentlichte Hoffmann von Fallerleben 1842.

Zu allen Zeiten war dieses Lied ein beliebter Protestsong gegen politische Unterdrückung, Verbot der Meinungsfreiheit und Zensur. Der Kampf für Demokratie und Menschenrechte zog sich über Jahrhunderte. So wurde das Lied nach der gescheiterten Revolution 1848 verboten.

Sophie Scholl 1943 in Haft. (1)
Sophie Scholl 1943 in Haft. (1)

 

Bekannt ist die Aktion von Sophie Scholl, die als Mitglied der Widerstandsgruppe Weiße Rose am 22. Februar 1943, also vor 80 Jahren, ermordet wurde. Als ihr Vater 1942 von den Nationalsozialisten verhaftet worden war und in Ulm im Gefängnis einsaß, spielte Sophie außerhalb der Mauern das Lied Die Gedanken sind frei auf ihrer Flöte. Vater Robert hatte die Diktatur Adolf Hitlers als „Geißel Gottes“ bezeichnet.

 

Schon 1935 hatten Nazi-Schergen im Konzentrationslager Lichtenburg den Gefangenen befohlen, an Hitlers Geburtstag ein Programm aufzuführen. Der inhaftierte Rechtsanwalt und Strafverteidiger Hans Achim Litten rezitierte die Strophen des Liedes Die Gedanken sind frei.

Imre Nagy. (2)
Imre Nagy. (2)

 

Am 23.Oktober 1956 begann mit einer Demonstration der Studenten der Aufstand in Ungarn, die später mit Waffen kämpften. Am Abend versammelten sich ca. 200 000 Menschen vor dem Parlament. Sie forderten Meinungs- und Pressefreiheit, freie Wahlen und Unabhängigkeit von der Sowjetunion. Der reformorientierte Kommunist Imre Nagy wurde zum Ministerpräsidenten berufen. Am 24. Oktober weitete sich der Aufstand im ganzen Land aus. Ein Generalstreik fand statt. Ab 1. bis 4. November rückten sowjetische Panzereinheiten in Ungarn ein und schlugen mit Waffengewalt den Aufstand blutig nieder. Die ungarischen Soldaten waren hoffnungslos unterlegen. In den Kämpfen kamen etwa 2.500 Ungarn ums Leben. Am Sonntag, den 4. November, war die Koalitionsregierung Nagys abgesetzt und ein Moskau höriges Kabinett eingesetzt. Imre Nagy wurde am 16. Juni 1958 hingerichtet. Er gilt heute in Ungarn als Nationalheld.

Gymnasium Aue 2019. (3)
Gymnasium Aue 2019. (3)

Zu dieser Zeit besuchte ich die Oberschule, heute Gymnasium, in Aue (Sachsen). Am 5. November 1956 gab es einen Fahnenappell auf dem Schulhof, traditionsgemäß rezitierte ein Schüler der 12. Klasse ein Gedicht, während die Fahne aufgezogen wurde. Gewöhnlich war es mit dem Klassenlehrer abgestimmt. Diesmal nicht. Theodor Körner schrieb das Gedicht in den Befreiungskriegen gegen Napoleon:

 

Das Leben gilt nichts, wo die Freiheit fällt.
Was giebt uns die weite unendliche Welt
Für des Vaterlands heiligen Boden? —
Frei woll'n wir das Vaterland wiederſehn,
Oder frei zu den glücklichen Vätern gehn,

Ja! glücklich und frei ſind die Todten.

 

Die Schüler klatschten, was sonst nicht üblich war.

Es war Tradition, dass wir vor der 1. Schulstunde in der Klasse ein Lied sangen. Wir sangen Die Gedanken sind frei, alle Strophen. Unser alter Lateinlehrer, Studienrat Georgi, schnäuzte sich auffällig mit großem Taschentuch. Als wir fertig waren, sagte er: „Das war so schön. Singt es noch einmal.“

Dem Schüler, der das Körner-Gedicht vortrug, drohte ein Disziplinarverfahren. Er floh nach Westdeutschland.

1. Die Gedanken sind frei,
wer kann sie erraten,
sie fliehen vorbei
wie nächtliche Schatten.
Kein Mensch kann sie wissen,
kein Jäger erschießen,
es bleibet dabei:
die Gedanken sind frei.

2. Ich denke, was ich will,
und was mich beglücket,
doch alles in der Still,
und wie es sich schicket.
Mein Wunsch und Begehren
kann niemand verwehren,
es bleibet dabei:
die Gedanken sind frei.

3. Ich liebe den Wein,
mein Mädchen vor allen,
sie tut mir allein
am besten gefallen.
Ich bin nicht alleine
bei meinem Glas Weine,
mein Mädchen dabei:
die Gedanken sind frei.

4. Und sperrt man mich ein
im finsteren Kerker,
das alles sind rein
vergebliche Werke;
denn meine Gedanken
zerreißen die Schranken
und Mauern entzwei:
die Gedanken sind frei.

5. Drum will ich auf immer
den Sorgen entsagen
und will mich auch nimmer
mit Grillen mehr plagen.
Man kann ja im Herzen
stets lachen und scherzen
und denken dabei:
die Gedanken sind frei.

Bildnachweis

 

Flugblatt und Abb. (1): aus Wikimedia-gemeinfrei.

 

(2) Quelle Imre Nagy FOTO:FORTEPAN / Jánosi Katalin adományozó

 

(3) Clemens-Winkler-Gymnasium Aue Urheber: Aagnverglaser

 

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