Sachsen-Lese

Gehe zu Navigation | Seiteninhalt
Sachsen-Lese
Unser Leseangebot

 

Friedrich W. Kantzenbach

Erfundenes Glück

Der Autor beschäftigt sich auf lyrischem Weg mit den essentiellen Dingen des Lebens. Er reflektiert seine reichen literarischen Begegnungen und verarbeitet Reiseerlebnisse und persönliche Bekanntschaften mit Menschen, die ihn beeindruckten. Zunehmend durchdringen die Themen Krankheit, Tod und Vergänglichkeit seine Texte.

 

 Namensberatung

Namensberatung

Silvia Lauppe

Gabriele Rodriguez nutzt die Datenbanken.
Gabriele Rodriguez nutzt die Datenbanken.

Ein Blick in das Büro von Gabriele Rodriguez scheint zu antworten: mit sehr vielen Büchern. Wörterbücher, Namensbücher, geografische Lexika und fremdsprachige Fachliteratur stehen hier in den Regalen. Frau Rodriguez ist Gutachterin und Fachberaterin in der Namenberatungsstelle der Universität Leipzig, einer der größten ihrer Art in Deutschland. Hier melden sich Eltern auf der Suche nach dem perfekten Namen für ihr Kind, Ahnenforscher, die wissen wollen, woher ihre Familie ihren Nachnamen hat, Heimatkundler, die sich von der Bedeutung des Ortsnamens neue Erkenntnisse über die Geschichte ihres Wohnorts erhoffen.

Wenn ihr Beratungstelefon klingelt, schlägt die Namenkundlerin Wortstämme nach, sucht nach fremdsprachigen Einflüssen und berücksichtigt auch den Wandel von Sprache und Schreibweisen im Laufe der Jahrhunderte. Eine riesige Datenbank zeigt sprachliche Verwandtschaften zu anderen Wörtern auf; speziell für die Beratungsstelle entwickelte Programme liefern Informationen wie die geografische Verteilung eines Familiennamens in Deutschland oder historische Dokumente, in denen der Name auftaucht - wichtige Hinweise auf der Suche nach seinem Ursprung. „Manchmal kommen wir bei unserer Recherche zu mehreren Ergebnissen", erzählt Frau Rodriguez:
„Der Nachname Meißner etwa kann bedeuten, dass die Vorfahren aus Meißen kamen. Es kann aber auch sein, dass sie beruflich mit dem Meißener Porzellan zu tun hatten."

 Goldmarie. Bild:Katharina Szelinski-Singer (sculptress), Jörg P. Anders (photographer).
Goldmarie. Bild:Katharina Szelinski-Singer (sculptress), Jörg P. Anders (photographer).
Die meisten Fragen kommen zum Thema Vornamen. Etwa eine halbe Million davon sind in der Datenbank zu finden, obwohl seit Jahren immer dieselben Namen auf den vorderen Plätzen der Vornamenstatistik auftauchen. Doch die Spitzenreiter - aktuell Marie und Maximilian - machen heute nur noch zwei bis drei Prozent der Vornamen eines Jahrgangs aus. „Die Anzahl der vergebenen Namen wächst ständig", sagt Gabriele Rodriguez und erklärt: „Wir leben in einer individualistischen Gesellschaft. Viele Eltern wünschen sich schon im Vornamen ein Alleinstellungsmerkmal für ihr Kind, es soll ein seltener Name sein. „Fast wöchentlich bekommt die Beratungsstelle deshalb Anfragen zu Namen, die in Deutschland noch gar nicht existieren. Wer einen solchen Namen beim Standesamt eintragen lassen will, muss vor allem drei Kriterien erfüllen:
Der Name muss ein Vorname sein oder irgendwo auf der Welt als solcher gebraucht werden, das Geschlecht muss erkennbar sein, und vor allem darf der Name das Kind nicht lächerlich machen. Dass insbesondere das letzte Kriterium sehr subjektiv ist und von Standesbeamten teils frei interpretiert wird, zeigen einige Beispiele aus dem Namenrecht: So dürfen Mädchen Fanta heißen, nicht aber Borussia. Für Jungen ist Sundance zugelassen, Waldmeister ist nicht erlaubt. Mit ihren Namenswünschen klagen sich manche Eltern bis zum Bundesverfassungsgericht, das dann die Leipziger Namenberatungsstelle um ein Gutachten bittet. Abseits dieser Exoten kommen und gehen Vornamen in Wellen. „Im Moment sind englische Namen im Trend, beeinflusst durch die englisch geprägten Medien, und solche, die eigentlich eher ältere Menschen tragen", berichtet Frau Rodriguez. „Aber auch die Wahrnehmung von Namen wandelt sich. Deshalb nennen heutige Eltern ihre Söhne wieder Otto, Ludwig oder Wilhelm."
 Gda?sk - PGE Arena - Euro 2012 - quarter final match Germany - Greece - Philipp Lahm. Foto: Andrzej Otr?bski.
Gda?sk - PGE Arena - Euro 2012 - quarter final match Germany - Greece - Philipp Lahm. Foto: Andrzej Otr?bski.

Mehr als 3000 Anfragen allein zu Vornamen landen jährlich in der Namenberatungsstelle. Zwei feste und sechs freie Mitarbeiter kümmern sich darum. Weitere Unterstützung kommt von den Studierenden des Wahlmoduls Namenkunde, das den ehemaligen Nebenstudiengang nach der Bologna-Reform abgelöst hat. Diese Hilfe nehmen Frau Rodriguez und ihre Kollegen gern an, denn zu ihrer Arbeit gehört noch mehr als die Beratung: Die Namenkundler veröffentlichen Fachbücher und eine Zeitschrift, bloggen, sind bei Facebook aktiv und veranstalten mit der Deutschen Gesellschaft für Namenforschung Workshops und Seminare. Aus Gutachten und Urkunden erstellen sie individuelle Geschenkbücher.

Die Arbeit wird Gabriele Rodriguez so schnell nicht ausgehen. Seit über zehn Jahren steigt das Interesse an Namenkunde und -beratung immer weiter an und treibt mitunter wunderliche Blüten. So meldeten sich anlässlich einer Fußballweltmeisterschaft die Medien in der Beratungsstelle und wollten wissen, welche Spieler aufgrund ihres Namens besonders erfolgreich sein könnten. „Natürlich kann man die Namen deuten"‚ sagt Frau Rodriguez schmunzelnd, „aber wie aussagekräftig das etwa bei Herrn Lahm ist, der ja dem Namen nach nicht gut laufen kann, bleibt dahingestellt."

Der Bertuch Verlag dankt der Pressestelle der Universität Leipzig, den Artikel aus dem Alumni-Magazin der Universität Leipzig 2014 übernehmen zu dürfen.

Weitere Beiträge dieser Rubrik

Trauer um Jürgen Krätzer
von Dipl.-Päd. Ursula Brekle
MEHR
Anzeige:
Unsere Website benutzt Cookies. Durch die weitere Nutzung unserer Inhalte stimmen Sie der Verwendung zu. Akzeptieren Weitere Informationen