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Ist der biologische Landbau die Zukunft der deutschen Landwirtschaft?

Ist der biologische Landbau die Zukunft der deutschen Landwirtschaft?

Doz. Dr. agr. habil. Eberhard Schulze
Dr. Hermann Matthies

In den Medien hören und lesen Sie täglich, dass der biologische Landbau, auch ökologischer Landbau genannt, der beste sei. Wer einkaufen geht, wird besonders auf „Bio" aufmerksam gemacht. „Bio" ist zwar teurer, aber mit dem Kauf von Bioprodukten würden Sie einen Beitrag zur Rettung der Welt leisten. Sie fragen sich deshalb natürlich, warum es Landwirte gibt, die nicht nach „Bio-Richtlinien" produzieren. Die Antwort lautet häufig: Denen geht es doch nur um den Profit.

Nun leben wir in einer marktwirtschaftlichen Gesellschaft und ohne Profit funktioniert diese nicht. Die folgenden Ausführungen werden aber zeigen, dass das Leben doch etwas komplizierter ist, als eine so einfache Antwort zu suggerieren scheint. Schauen wir erst einmal in die Geschichte. Wie kam es überhaupt zur Unterscheidung von konventionellem und ökologischem Landbau?

                          

Carl Sprengel (1787-1859)                                                         Justus von Liebig (1803-1873)

Um die stark wachsende Bevölkerung im 19. und 20. Jahrhundert in Europa zu ernähren, suchten Wissenschaftler und Praktiker nach Wegen, die Erträge der Pflanzen und die Leistungen der Tiere wesentlich zu erhöhen. Da in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts vor allem von den Wissenschaftlern Carl Sprengel und Justus von Liebig erkannt wurde, dass die Pflanzen sich von Mineralstoffen ernähren, entstand die Idee der gezielten mineralischen (anorganischen) Düngung. Die dem Boden durch die Ernten entzogenen Nährstoffe sollten nun nicht mehr nur durch organischen Dünger (Mist, Jauche, Gülle), sondern auch durch mineralische Düngerstoffe wieder ausgeglichen werden. Durch Zufuhr über den Entzug hinaus konnte die Voraussetzung geschaffen werden, die Erträge in bedeutendem Maße zu steigern, was auch zu einer Erhöhung des Aufkommens an organischem Dünger führte. Die neuen Erkenntnisse der Chemie ermöglichten es außerdem, die große Zahl von Pflanzen- und Tierkrankheiten sowie Schädlinge und Unkraut besser zu bekämpfen und Verluste bei der Lagerung zu verringern. Auf diese Weise konnten bei gleichzeitiger Ausnutzung der Möglichkeiten der Pflanzen- und Tierzüchtung die Erträge und Leistungen wesentlich gesteigert werden. Obwohl von 1960 bis 2011, d. h. in nur etwa 50 Jahren, die Weltbevölkerung von 3 auf 7 Milliarden anstieg, konnten die meisten Menschen, etwa 6 Milliarden, ausreichend mit Nahrung versorgt werden, obwohl die landwirtschaftliche Fläche nur um etwa 10 % zunahm. Dabei ist außerdem zu beachten, dass Hunger gegenwärtig mehr ein gesellschaftlich bedingtes Verteilungs- als ein Produktionsproblem ist. Diese hier beschriebene Wirtschaftsform erhielt nach dem Aufkommen des „Ökologischen Landbaus" die Bezeichnung „Konventionelle Landwirtschaft". Uns ist heute im Allgemeinen nicht mehr klar, was diese Entwicklung in ihrem Wesen eigentlich bedeutet. Die seit Urzeiten bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts in Deutschland und in Europa immer wieder auftretenden und mit hohen Menschenverlusten verbundenen Hungersnöte konnten, von den furchtbaren Auswirkungen der beiden Weltkriege abgesehen, erstmals verhindert werden.

Mit der Zeit wurde jedoch deutlich, dass ausgebrachte Dünge- und Pflanzenschutzmittel sich auch negativ auf die Umwelt (Flora und Fauna) und den Menschen auswirken können. Das führte zu zwei Gegenbewegungen:

Erstens entstand der ökologische (biologische) Landbau, der auf chemisch-synthetische Pflanzenschutzmittel, auf Wachstumsförderer, leichtlösliche Stickstoff- und Phosphordünger und Gentechnik, wie sie in der konventionellen Landwirtschaft zum Einsatz kommen können bzw. könnten, verzichtet.

Zweitens im konventionellen Landbau durch Gesetze und ihre Kontrolle zu erreichen, dass der Einsatz der genannten Stoffe soweit begrenzt wird, dass Umweltbelastungen zurück gehen und schließlich minimiert werden. Man spricht in diesem Zusammenhang auch vom „Integrierten Landbau". Trotz bereits eingetretener Erfolge existieren hierbei weitere Möglichkeiten, die in Zukunft auszuschöpfen sind.

Das auf den ersten Blick überzeugende Konzept des ökologischen Landbaus hat in den Industrie- und Schwellenländern mit hoher Bevölkerung jedoch den Nachteil, dass auf Grund der niedrigeren Pflanzenerträge und Tierleistungen für die gleiche Produktionsmenge mehr landwirtschaftliche Fläche als beim konventionellen Landbau benötigt wird, die bis zum Doppelten oder sogar darüber hinaus reichen kann. Die folgende Tabelle 1 beinhaltet zur Veranschaulichung dieser Tatsache die Erträge im konventionellen und ökologischen Landbau im Jahre 2011 in Deutschland, wobei letzterer 6,1 % der landwirtschaftlichen Fläche umfasste.

Tabelle 1: Erträge der Hauptkulturen im ökologischen und konventionellen
Landbau in Deutschland 2011

Kultur

Ökolog. Landbau

dt/ha

Konv. Landbau dt/ha

Verhältnis der Erträge (%)

Getreide

29,4

67,5

43,6

Raps

22,6

38,8

58,2

Kartoffeln

188,5

381,1

49,5

Quelle: http://berichte.bmvel-statistik.de/BFB-0111001-2012.pdf


Die niedrigeren Erträge haben erstens zur Folge, dass die Vorteile für die Umwelt in erheblichem Maße wieder aufgehoben werden und zweitens kaum ein wesentlicher Beitrag zur Sicherung der Welternährung geleistet werden kann. Das trifft sowohl auf die Pflanzen- als auch die Tierproduktion zu. Die folgende, aus einer englischen Untersuchung stammende, von Wikipedia entnommene Tabelle 2 unterstützt diese Aussage sehr deutlich.

Tabelle 2: Die Ökobilanz pro Ertragseinheit der ökologischen Landwirtschaft im Vergleich zur konventionellen (konventionell = 100%)

Produkt

Primär-

Energie-verbrauch

Globales Erwärmungs-potenzial

Pestizid-einsatz

Schwer-metallein-trag

Flächen-bedarf

Brotweizen

70

98

0

87

314

Raps

75

95

0

88

273

Kartoffeln

102

93

20

122

264

Rindfleisch

65

115

0

86

183

Schweine-fleisch

87

89

0

94

173

Geflügel-

fleisch

132

146

8

341

219

Eier

114

127

1

113

224

Milch

62

116

0

50

166


Wenn die in der Tabelle aufgeführten Daten auf Grund der Vielfalt der Landwirtschaft auch nicht auf andere Standorte in Europa im Verhältnis 1 : 1 übertragen werden können, zeigen sie doch anschaulich die Tendenzen. Außerdem weist die Welternährungsorganisation FAO der UNO darauf hin, dass bei extensiver Tierhaltung mehr klimarelevante Gase ausgeschieden werden als bei intensiver. Ökologischer Landbau, wie er heute betrieben wird, ist deshalb nicht ohne Weiteres als „gut" und konventioneller generell als „schlecht" zu bezeichnen. Abgesehen vom vermehrten Bedarf an Land, was ausgehend von der Welternährungssituation (die Weltbevölkerung wird bis 2050 nach neuesten Berechnungen um etwa 3 Mdr. auf 10 Mdr. Menschen steigen, aber die landwirtschaftliche Fläche nur geringfügig wachsen) nicht positiv bewertet werden kann, schneidet insbesondere die als ökologisch bezeichnete Rind- und Geflügelfleisch- sowie Eierproduktion nicht gut ab. Hauptursache ist dafür, dass bei niedrigen Leistungen für die gleiche Produktionsmenge mehr Tiere gehalten werden müssen. Dabei verschlechtert sich auf Grund des höheren Erhaltungsbedarfs (Energie- und Nährstoffbedarf zur Erhaltung des Lebens ohne Leistung) die Futterausnutzung erheblich. So benötigen z. B. zwei Kühe, die jeweils 5.000 kg Milch im Jahr geben, zusammen täglich eine Futtermenge von etwa 32,6 kg Trockenmasse, eine Kuh, die 10.000 gibt, nur etwa 21,3 kg, d. h. nur 65,3 % davon. Damit verbunden vermindert sich entsprechend der Methanausstoß der Kühe. Das ist insofern von Bedeutung als Methan 25mal mehr zum Treibhauseffekt beiträgt als Kohlendioxid. Als Reaktion auf den Futterbedarf der Tiere und der mit ihnen verbundenen negativen Umweltwirkungen wird gefordert, den Fleischverbrauch zu verringern. Das ist zwar vernünftig, aber allein auf Grund des wachsenden Wohlstandes in den Schwellenländern, z. B. in China, wird in der Welt mehr Fleisch gegessen werden.

Es ist außerdem zu beachten, dass die deutsche Landwirtschaft gegenwärtig die zweite industrielle Revolution, gekennzeichnet durch den Übergang zur Massenproduktion, durchläuft. Auf Grund der Verspätung dieses Prozesses gegenüber vielen Industriezweigen ist sie dabei bereits mit Elementen der dritten (Automatisierung) und der vierten Revolution (Internet der Dinge - Kommunikation von Maschinen untereinander) verbunden. Die erste industrielle Revolution, die Mechanisierung, konnte auch in kleineren Betrieben noch realisiert werden. Für die zweite Revolution trifft das aber kaum mehr zu, und die Betriebsgrößen steigen an. Laut Statistik nimmt nur noch die Anzahl der Betriebe über 100 ha zu, diejenige darunter ab. Während 1993 noch fast 600.000 Landwirtschaftsbetriebe existierten, waren es 2010 nur noch etwa 300.000, und inzwischen hat sich ihre Zahl noch weiter verringert. Diese Entwicklung ist auch dadurch bedingt, dass immer weniger Menschen in der Landwirtschaft arbeiten wollen, u. a., weil die Tierhaltung eine tägliche Betreuung erfordert und der Verdienst dabei oft niedrig ist. Um eine Familie zu ernähren, müssen bei den heute bestehenden Preisverhältnissen mehrere Tausend Schweine oder mehrere Zehntausend Masthähnchen gehalten werden. Dagegen gibt es bekanntlich von Teilen der Bevölkerung, den Gegnern der „Massentierhaltung", Widerstand. Aber ökonomisch bedingte Entwicklungen kann man nicht aufhalten, und wenn, dann nur zeitweilig und unter großen ökonomischen Verlusten, wie das Beispiel DDR gezeigt hat. Eine Alternative wäre die Verlagerung der Tierhaltung zu großen Teilen ins Ausland, aber dort spielt häufig Tier- und Naturschutz eine wesentlich geringere Rolle als in Deutschland. Damit wäre deren Anliegen überhaupt nicht gedient, aber die Arbeitsplätze auf dem Lande gingen bei uns verloren. Es kann folglich nicht darum gehen, die industrielle Landwirtschaft abzulehnen, sondern es muss darum gerungen werden, sie umwelt- und tierfreundlich zu gestalten. Die Industrie wurde ja auch nicht abgeschafft, als die Schornsteine rauchten, sondern umweltgerechter ausgerichtet.

Es stellt sich damit folglich die Frage: Was tun, um unter den beschriebenen Bedingungen einen Beitrag zur Ernährung der wachsenden Menschheit zu leisten und weiterhin Rohstoffe für Bioenergie zu erzeugen, gleichzeitig aber die Umwelt zu schützen.

Um zunächst die Fragestellung aus der Überschrift zu beantworten. Nur mittels biologischen Landbaus wird es nicht möglich sein, diese Aufgaben zu lösen. Es kann auf mineralische Düngemittel und chemisch-synthetische Pflanzenschutzmittel zumeist nicht verzichtet werden. Trotzdem muss eine Landwirtschaft angestrebt werden, die nachhaltig ist, d. h., kaum Umweltschäden verursacht, gleichzeitig aber ökonomisch effizient ist und ein angemessenes Einkommen der in der Landwirtschaft Tätigen garantiert. Es gibt dazu eine Vielzahl von Ansätzen. Anstelle von allgemeinen Aussagen sollen deshalb hier einige wichtige Maßnahmen genannt werden, mit deren Hilfe die Entwicklung in die angestrebte Richtung weiter vorangetrieben werden wird:

 

Bewertung der Nachhaltigkeit anhand von Indikatoren in einem Landwirtschaftsbetriebe im Osterzgebirge  (1,00 = bestmögliches Ergebnis). Quelle: Christen, O. u.a.: DLG-Merkblatt 369: Nachhaltiger Ackerbau, Frankfurt am Main 2013, S. 20.
Bewertung der Nachhaltigkeit anhand von Indikatoren in einem Landwirtschaftsbetriebe im Osterzgebirge (1,00 = bestmögliches Ergebnis). Quelle: Christen, O. u.a.: DLG-Merkblatt 369: Nachhaltiger Ackerbau, Frankfurt am Main 2013, S. 20.
  1. Von mehreren führenden Agrarwissenschaftlern, darunter den Professoren Breitschuh (Erfurt), Christen (Halle/Saale) und Hülsbergen (München) sind Methoden zur Zertifizierung der Nachhaltigkeit von Landwirtschaftsbetrieben ausgearbeitet worden. Sie wird anhand von ökologischen, ökonomischen und sozialen Indikatoren bewertet. Es wird jeweils ein Bereich je Indikator definiert, bei dem für diesen von einer Nachhaltigkeitszone gesprochen werden kann. Beispiele für ökologische Indikatoren sind z. B. Humus-, Stickstoff- und Phosphorsalden, Pflanzenschutzmitteleinsatz, Energieintensität, Ausstoß von Treibhausgasen, Bodenverdichtung und Biodiversität, für ökonomische Indikatoren Gewinnrate, Eigenkapitalveränderung, Betriebseinkommen und Entlohnung, wobei letztere auch zu den sozialen Indikatoren zählt, ebenso wie Arbeits- und Gesundheitsschutz, Aus- und Weiterbildung, Arbeitsnehmerbelange u. a. Die Methoden sind bereits in einer Anzahl von Betrieben erprobt worden, darunter auch bei einem Vergleich von benachbarten Marktfruchtbetrieben des ökologischen und konventionellen Landbaus, wobei erstere bei wichtigen Indikatoren (z. B. Verhältnis von Energieinput und -output) im Durchschnitt zum Teil schlechter abschnitten als letztere, bei anderen Indikatoren war es umgekehrt. Schritt für Schritt sollten alle Landwirtschaftsbetriebe einer entsprechenden Zertifizierung unterzogen werden. Ausgehend von den Ergebnissen sind aufgedeckte Defizite schrittweise zu beheben. (Siehe Indikatorenübersicht.)

  2. Ökologischer Landbau bietet sich vor allem auf den weniger fruchtbaren Böden an, wo ein sehr hoher Aufwand betrieben werden muss, um hohe Erträge zu erzielen. Auf den besseren Böden sollte weiterhin konventioneller Landbau praktiziert werden, wobei in Übereinstimmung mit den Nachhaltigkeitsindikatoren Maßnahmen des Umweltschutzes stärker als bisher zu berücksichtigen sind. Es ist zu beachten, dass intensive Landwirtschaft mit hohen Erträgen und Tierleistungen überhaupt die Voraussetzung dafür ist, dass an anderer Stelle biologische Landwirtschaft betrieben werden und bisherige landwirtschaftlich genutzte Fläche für Naturschutzmaßnahmen bereitgestellt werden können bzw. Naturland (z. B. Regenwald oder Savanne) nicht in Ackerland umgewandelt werden muss.

  3. Insbesondere in der DDR kam es beim Übergang zu Großbetrieben zur Ausräumung der Landschaft (z. B. Entfernung von Bäumen, Sträuchern, Feldrainen). In den letzten Jahren der DDR wurden Maßnahmen ergriffen, um das rückgängig zu machen, was aber nur zum Teil geschehen ist. Zur ökologischen Aufwertung der landwirtschaftlich genutzten Flächen ist es deshalb zweckmäßig, in zu stark ausgeräumten Landschaften mit staatlicher Unterstützung Windschutzstreifen, Hecken und Blühstreifen anzulegen, um Winderosion zu vermindern und für Wildtiere und -pflanzen bessere Bedingungen zu schaffen, z. B. im Rahmen des landwirtschaftlichen Vogelschutzes. Eine Möglichkeit bietet in Zukunft vor allem auch die Anlage sogenannter Kurzumtriebsplantagen (Anpflanzung schnell wachsender Bäume oder Sträucher mit dem Ziel, innerhalb kurzer Umtriebszeiten Holz als nachwachsenden Rohstoff zu produzieren). Wassererosionsgefährdete Äcker bzw. Nassstellen in Äckern sind, sofern nicht bereits geschehen, in Grünland umzuwandeln. Technisch schwer zugängliches Grünland könnte aufgeforstet werden.

  4. Die Entwicklung der Informations- einschließlich der Sensortechnik bietet in der Landwirtschaft viele Möglichkeiten, Produktions- und Umweltparameter im laufenden Arbeitsprozess zu messen und im gewünschten Sinne zu beeinflussen. Es wird in diesem Zusammenhang von Precision Farming, Präzisionslandwirtschaft, gesprochen. Ein Beispiel dafür ist die teilschlagbezogene Bewirtschaftung von Ackerflächen. In Abhängigkeit vom gemessenen Nährstoffbedarf des Pflanzenbestandes wird teilflächenspezifisch unterschiedlich gedüngt bzw. in Abhängigkeit vom schaderregenden Unkrautbesatz und vom Schädlingsbefall Pflanzenschutzmittel ausgebracht, was sowohl ökonomische als auch ökologische Vorteile bringt.

  5. In den letzten Jahren ist die Biogasgewinnung stark gefördert und ausgedehnt worden. Da Mais die Pflanze ist, die je Hektar das meiste Biogas liefert, wurde der Maisanbau stark ausgedehnt, was sich negativ auf Flora und Fauna auswirken kann. Es wurde deshalb nach Alternativen zum einseitigen Anbau von Mais gesucht. Als kostenmäßig relativ günstig beurteilt werden z. B. die Durchwachsene Silphie, Triticale-Ganzpflanzen/Kleegrassilage bzw. einige Hirsearten, aber auch verschiedener Pflanzenarten in Kombination mit Mais. Zu beachten sind dabei auch eine ausgeglichene Humusbilanz im Boden und ein Nutzen für die Biodiversität. Auch Wildpflanzen können für die Biogasgewinnung mit ins Kalkül gezogen werden.

  6. Mit Biogasanlagen, Windrädern und Solartechnik stehen Möglichkeiten für eine dezentrale Energieversorgung zur Verfügung. Sie ermöglicht, als Beitrag zur ökonomischen Komponente der Nachhaltigkeit, die Wertschöpfung in der Region zu halten. Landwirtschaftsbetriebe sollten deshalb noch stärker als bisher versuchen, Selbstversorgung mit erneuerbaren Energieträgern auszubauen, gleichzeitig aber auch Partner in der Region zu versorgen. Bei allen technischen Lösungen wird es außerdem generell darauf ankommen, Energie einzusparen.

  7. Der Verhinderung des Humusabbaus bzw. dem Humusaufbau ist stärker als bisher sowohl im konventionellen als auch im ökologischen Pflanzenbau Aufmerksamkeit zu schenken. Das ist nicht nur für die Landwirtschaft, sondern auch für den Umweltschutz von Bedeutung, da Kohlendioxid gebunden wird. Die konservierende Bodenbearbeitung (z. T. ohne tief wendende Bearbeitung mit dem Pflug) leistet dazu und zur Verminderung der Bodenerosion einen wichtigen Beitrag. Da der sogenannte Nährhumusgehalt der ackerbaulich genutzten Böden in Deutschland allerdings nur bei maximal 1 % liegt, wird er als Kohlenstoffsenke aber zum Teil überschätzt.

  8. Die Methoden der biologischen Schädlingsbekämpfung werden ebenso weiter entwickelt wie der Einsatz umweltgerechterer chemischer Pflanzenschutzmittel. Das gilt gleichfalls für die Mineraldünger und ihre Ausbringungsverfahren zur Verminderung von schädlichen Umweltwirkungen. Phosphor sollte aus Klärschlamm zurückgewonnen werden, wozu auch bereits vielversprechende Forschungsergebnisse vorliegen. Für die energieaufwendige Herstellung von Stickstoffdüngern sind mehr und mehr erneuerbare Energieträger zu nutzen, damit der Kohlendioxidausstoß verringert wird.

  9. Zur Verminderung der Luftverschmutzung und der damit verbundenen Erhöhung der Akzeptanz von Tierproduktionsanlagen wurden Verfahren entwickelt, um umweltschädliche Gase bei größeren Mastrinder-, Schweine- und Geflügelställen abzuscheiden. Allerdings können sich hierbei Widersprüche zur tiergerechten Haltung ergeben, wenn Tiere Auslauf haben sollen. Außerdem sind Maßnahmen bei der Futterrationsgestaltung zu ergreifen, die zur Verminderung umweltschädlicher Ausscheidungen bei Tieren beitragen. Bei modernen Ausbringungsverfahren wird Gülle zur Verminderung der Verluste und der Geruchsbelästigung direkt in den Boden eingebracht. Es ist jedoch auch darüber nachzudenken, ob Kot und Harn bzw. Gärreste aus Biogasanlagen zu gut ausbringbaren trockenen Stoffen verarbeitet werden können, z. B. durch Trocknung mit in Biogasanlagen gewonnenem Strom. Beispielsanlagen dafür gibt es bereits, ebenso wie Überlegungen zu emissionsfreien Ställen.

  10. Die Haltungsmethoden sind bei allen Tierarten, insbesondere aber in der Schweineproduktion, weiter zu verbessern. Allerdings führt die Verwirklichung dieses Zieles ebenso wie die Verminderung von Luftverschmutzung und Geruchsbelästigung zu einer Erhöhung der Kosten, wobei nicht klar ist, ob die Mehrheit der Bevölkerung trotz verbaler Zustimmung zu besserem Tier- und Umweltschutz auch bereit ist, diese zu tragen. Im Supermarkt gewinnt man einen anderen Eindruck. Auch der Antibiotikaeinsatz kann in der Tierhaltung zweifellos wesentlich verringert werden. In den Niederlanden ist er z. B. in fünf Jahren halbiert worden, indem den Betrieben bei Verringerung eine Prämie gezahlt wird. Auch wenn häufig unterstellt wird, dass im ökologischen Landbau bei den Tierbeständen keine Antibiotika eingesetzt würden, sind sie aber dennoch auch hier nötig, denn die Gesundheitsverhältnisse bei der ökologischen Tierhaltung sind im Allgemeinen nicht besser als bei der konventionellen, bei Freilandhaltung wegen möglicher Parasiten z. T. sogar schlechter.

    Die von bestimmten politischen Organisationen und Medien häufig wiederholte Aussage, dass die Massentierhaltung an der Herausbildung der antibiotikaresistenten Erregern schuld sei, stimmt allerdings so pauschal formuliert nicht. Nur wenige Prozent der resistenten Erreger gehen darauf zurück  (was natürlich auch zu viel ist). Die übergroße Mehrheit von antibiotikaresistenten Bakterien ist durch Vernachlässigung von Hygieneproblemen in den immer mehr nach wirtschaftlichen Kriterien geführten Krankenhäusern entstanden, um Kosten zu sparen.

Die aufgeführten Punkte sind zweifellos nur ein Teil der möglichen Maßnahmen. Ihre Verwirklichung wird dazu beitragen, dass der künftige konventionelle Landbau mit dem vergangenen keinesfalls mehr identisch, sondern wesentlich umweltfreundlicher sein wird. Es ergibt sich dann die Frage, ob zwischen biologischem und konventionellem Landbau überhaupt noch unterschieden, sondern generell von nachhaltiger Landwirtschaft gesprochen werden sollte, was natürlich nicht ausschließt und im Interesse des Wettbewerbs auch wünschenswert ist, dass es weiterhin unterschiedliche Verbände gibt. Um flächendeckende Nachhaltigkeit zu erreichen, sollten Landwirte und Naturschützer vertrauensvoll zusammenarbeiten, auch, damit sie ihre Anliegen gegenseitig besser verstehen und gemeinsam am Ort vernünftige Lösungen im Interesse von Landwirtschaft und Naturschutz finden. Dafür gibt es bereits gute Beispiele. Extrempositionen, z. B. dass Naturschützer nur die Biodiversität als Nachhaltigkeitskriterium anerkennen, bzw. Landwirte nur den maximalen Gewinn im Auge haben, sind wenig hilfreich, weil sie zur Verhärtung der Fronten und nicht zu den erforderlichen Lösungen führen.

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