Sachsen-Lese

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Sachsen-Lese
Das Cover des Buches von Hans-Joachim Böttcher

ISBN 978-3-946906-06-3.

Ein Religionskonflikt im 16. Jahrhundert

Ein Religionskonflikt im 16. Jahrhundert

Hans-Joachim Böttcher

Kurfürst August
Kurfürst August

Im April 1574 kam es in Dresden zur Verhaftung mehrerer Personen aus dem engsten Umfeld vom Kurfürst August (1526 – 1586) und seiner Gemahlin Anna (1532 – 1585); beide werden noch heute gern als „Vater“ August sowie „Mutter“ Anna bezeichnet. Zu den Inhaftierten gehörten der Hofprediger Christian Schütz, Augusts Beichtvater Johann Stössel, der kurfürstliche Rat Georg Cracow sowie Augusts Leibarzt Caspar Peucer, immerhin ein Schwiegersohn Philipp Melanchthons. Sie wurden Verhören unterzogen, einige, wie Cracow sogar gefoltert, woran er ein Jahr später verstarb. In der Folge kam es zu weiteren Festnahmen von Theologen der Universitäten von Leipzig sowie Wittenberg. Andere Geistliche im Land wurden ihres Amtes enthoben. Denunziation über falsche religiöse Einstellungen und Praktiken machten sich breit, denn manchem Pfarrer wurde seine lukrative Stelle geneidet, die auch andere gern übernommen hätten. Die Angst vor Verfolgung nahm immer mehr zu, so dass teilweise die Theologen, welche dem Kryptocalvinismus nahe standen oder dessen verdächtigt wurden, lieber Sachsen verließen.

Was hat Kurfürst August zu diesem Vorgehen veranlasst? Nach dem Tod des Reformators Luthers 1546 fehlte in der weiteren Durchsetzung einer einheitlichen protestantischen Religionsauffassung. Es fehlte in der Praxis eine, so wie er wort- und schriftgewaltige, anerkannte Persönlichkeit. Diese Lücke vermochte Luthers Mitstreiter Melanchthon (gestorben 1560) nicht zu schließen. Sehr diplomatisch veranlagt hielt er sich aus kleinlichen religiösen Streitereien heraus und versuchte zwischen den orthodoxen Lutheranern, den Calvinisten, die sich selbst Reformierte nannten und anderen Richtungen, ja sogar zu den Katholiken eine vermittelnde Position einzunehmen. Auch nach dem Tod Melanchthons vertraten seine Anhänger, Philippisten genannt, diese Haltung weiter. Kurfürst August kam diese Position sehr entgegen, da er nicht nur religiös, sondern auch politisch ebenfalls derartige Standpunkte bevorzugte. Seine Gemahlin war dagegen eine Anhängerin des orthodoxen Luthertums.

Kurfürstin Anna
Kurfürstin Anna

Der eigentliche Auslöser zur Verfolgung der auch in Sachsen stetig zunehmenden Kryptocalvinisten war allerdings ein Brief, der August von einem Neider des Hofpredigers, das war dessen Stellvertreter, zugespielt worden war. Von Peucer zusammen mit einem Gebetbuch an Schütz geschickt, sollte er das Buch „den durchlauchtigsten Personen im Churfürstlichen Frauenzimmer zu recommandieren“ empfehlen. In dem Schreiben hieß es unter anderem: „wenn sie erst Mutter Annen auf ihre Meinung hätten, so sollte es nicht Not haben, den Herren wollten sie auch bald kriegen“. Damit war gemeint Anna und August für den Calvinismus zu gewinnen. Sich sicher, dass das bald geschehen wird, hatte Schütz schon sehr unüberlegt Luthers Bibel in der Schlosskapelle gegen die sogenannte Züricher Bibel, die von Ulrich Zwingli erarbeitet worden war, ausgetauscht.

Schon seit Jahren musste sich August immer wieder mit den zunehmenden religiösen Konflikten unter den Protestanten auseinander setzen. Geistig nicht in der Lage den Sinn von deren Kontroversen oftmals zu verstehen, stand er diesen dementsprechend relativ gleichgültig gegenüber. Mehr als der religiöse Hintergrund des Schreibens erzürnte ihn, dass Peucer damit indirekt äußerte, dass August von seiner Gemahlin beherrscht werden würde. Auch in mehreren anderen, ihm durch die Untersuchungen bekannt gewordenen vertraulichen Schreiben Peucers an Schütz hatte dieser zumindest elfmal von der „Gynäkokratie“, also der Weiberherrschaft am Dresdner Hof berichtet.

Und das betrachtete August als eine schlimme Schädigung seines Rufes; nicht weil es nicht stimmte, sondern da es stimmte. Kurfürstin Anna wiederum fürchtete, dass die Kryptocalvinisten einen Keil in ihre Ehe treiben und sie dadurch den Einfluss auf ihren Gemahl verlieren würde. Auch war Anfang 1574 dem Paar bekannt geworden, dass mehrere Theologen gerade der Universität Wittenberg mit Kollegen an der Heidelberger Universität, also in der calvinisch beherrschten Pfalz in Verbindung stehen. Das rief natürlich gerade bei der orthodox lutherisch eingestellten Anna größte Befürchtungen hervor, dass Sachsen calvinistisch unterwandert würde. Alles das forderte Kurfürst August zum Handeln heraus.

Elisabeth von Sachsen
Elisabeth von Sachsen

Es gab auch noch einen anderen sehr gewichtigen Grund für August und Anna, der in ihnen nicht nur den Zorn auf die Kryptocalvinisten in ihrem Land wachsen ließ. Und das war die von ihnen selbst zugestimmte Ehe ihrer Tochter Elisabeth (1552 – 1590) mit dem Pfalzgrafen Johann Kasimir (1543 – 1592).

Ab 1568 war vom Kurfürsten der Pfalz, Friedrich III. eine politische Annäherung an Sachsen betrieben worden. Und das, obwohl er der Führer der calvinistischen Glaubensrichtung im ganzen Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation war. Zur Festigung dieser neuen Freundschaft hatte Friedrich III. dem Kurfürsten August sowie seiner Gemahlin eine Ehe zwischen deren Tochter Elisabeth und seinem Sohn Johann Kasimir vorgeschlagen. Nach der Einholung eines Gutachtens bei dem renommierten Wittenberger Theologen Professor Paul Eber erklärte sich das sächsische Kurfürstenpaar, trotz der religiösen Differenzen zwischen Lutheranern und Calvinisten – die zu jener Zeit allerdings von den Calvinisten noch als minimal dargestellt wurden -- mit der familiären Verbindung einverstanden. Insgesamt hoffte damit allerdings jeder der beiden Kurfürsten auf die Religion und Politik des Anderen Einfluss zu gewinnen. 1570 fand sodann die Eheschließung von Prinzessin Elisabeth von Sachsen mit Pfalzgraf Johann Kasimir in Heidelberg statt.

Beide waren anfänglich sehr ineinander verliebt, so dass Kurfürstin Anna Angst bekam, dass ihre Tochter zum Calvinismus konvertieren würde. Das bewog sie Elisabeth ständig, in allen ihren Briefen zu ermahnen, ihrem lutherischen Glauben treu zu bleiben, aber sich auch ansonsten in die Ehe einzumischen. Dadurch trieb sie langsam in diese einen Keil. So wagte es Elisabeth nicht einmal zusammen mit ihrem Gemahl calvinische Gottesdienste zu besuchen, die sich im Kern nur in Hinsicht des Abendmahls von denen lutherischer Prägung unterschieden. Selbst Einladungen ihrer Schwiegereltern, diese in Heidelberg zu besuchen, nahm sie nur selten an, da das eben von ihrer Mutter Anna ungern gesehen wurde.

Johann Kasimir von der Pfalz
Johann Kasimir von der Pfalz

1573 wurde Elisabeth schwanger. Da wurde ihr plötzlich klar, dass man in ihrem Heiratsvertrag keine Festlegungen getroffen hatte, von wem ihre Kinder getauft werden würden, von einem lutherischen oder calvinisten Pfarrer. Vom kurfürstlich - sächsischen Rat Cracow, der zum Calvinismus neigte, erarbeitet, hatte der auf Festlegungen zu dem Thema keinen Wert gelegt. Das natürlich auch nicht sein Vertragspartner aus der Pfalz. Für die war natürlich klar, dass die Kinder von Johann Kasimir auch den Glauben ihres Vaters erhalten und dementsprechend calvinisch getauft werden, wobei dieser Ritus sich kaum vom lutherischen unterschied. Sich an ihren Vater wendend, versuchte der die Frage nun mit den Pfälzern zu klären, was die allerdings verschleppten. Nachdem Elisabeth das Kind im September 1573 tot zur Welt brachte, war eigentlich, zumindest vorläufig, die strittige Frage der Kindtaufe erledigt. Das allerdings nicht für den undiplomatisch veranlagten, ja zur Streitsucht neigenden Johann Kasimir. So schrieb er in einem Schreiben an seinen Schwiegervater August ziemlich hart: „Wie wir auch dieselbe ganz söhnlich und freundlich gebeten haben wollen. Dass sie unser in dergleichen Fällen väterlich verschonen wollen …“ Da selbst reichlich cholerisch veranlagt, dürfte diese Belehrung August nicht gefallen haben.

Im November 1573 kam Johann Kasimir in einer diplomatischen Mission nach Dresden. Da er, warum auch immer, seine Gemahlin Elisabeth nicht mitgebracht hatte, rief das den Zorn von deren Eltern hervor. Nach einer Aussprache will Johann Kasimir ihr angeblich eine Nachricht geschickt haben, dass sie nach Dresden nachkommt. Das erfolgte jedoch nicht. In einer folgenden Unterredung kam es zum einem harten Streit zwischen August und seinem Schwiegersohn. Um nicht den von seinem kurfürstlichen Vater erhofften Bund zwischen der Pfalz sowie Sachsen wegen dieses Konfliktes in Gefahr zu bringen, ließ Johann Kasimir nun eilig Elisabeth nach Dresden holen. Bevor das Paar im März 1574 in die Pfalz zurück reiste, verabschiedete sich Johann Kasimir von seinem Schwiegervater. In seiner üblichen Streitlust, verstärkt noch dazu da er angetrunken war, begann er mit August ein rechthaberisches Gespräch, bei dem er besonders auf den Konflikt wegen der letztlich nicht zustande gekommenen Taufe zu sprechen kam. Das rief natürlich den ganzen Zorn von August hervor. Danach ging Johann Kasimir zu seiner Schwiegermutter, bei der sich das Abschiedsgespräch auch schnell zu einer heftigen Auseinandersetzung entwickelt, bei dem Anna letztlich bemerkt, dass es ihr leidtue, dass sie ihm ihre Tochter Elisabeth zur Frau gegeben habe. Nun völlig die Gewalt über sich verlierend, äußerte Johann Kasimir darauf, dass er sie nur geheiratet habe, da ihn sein Vater dazu genötigt habe.

Dieser familiäre Konflikt war es letztlich, der in der sich durch Johann Kasimir gekränkt fühlenden, sächsischen kurfürstlichen Familie den Hass auf die Calvinisten zu Reaktionen gegen diese veranlasste. Wenige Wochen nach der Abreise ihrer Tochter und ihres Schwiegersohnes aus Sachsen ließen sie im April 1574 ihren Ärger – wie bereits beschrieben – an den Kryptocalvinisten in ihrem Land aus.

Das hatte natürlich wiederum Konsequenzen auf die Ehe ihrer Tochter Elisabeth in der Pfalz. Während sie völlig kompromisslos an Luthers Lehre festhielt, entwickelte sich ihr Gemahl Johann Kasimir zu einem immer kompromissloseren Calvinisten. Die Entwicklung dieses sich immer mehr verschärfenden, wechselhaften Ehe- und Religionskonfliktes, der letztlich ein nicht alltägliches Ende fand, wurde von Hans-Joachim Böttcher in der im März 2018 erschienen Biografie „Elisabeth von Sachsen und Johann Kasimir von der Pfalz“ beschrieben.

Bildnachweis

Alle Bilder aus Wikimedia Commons, sie sind gemeinfrei.

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