Im Stadtarchiv Dresden erfolgte am 6. September 2017 vor einem zahlreich erschienenen Publikum eine Buchlesung unter der Thematik „Frauen und Religion in der Geschichte Sachsens“. Vorgestellt wurde die von Hans-Joachim Böttcher verfasste und vom Dresdner Buchverlag herausgebrachte Biografie „Christiane Eberhardine Prinzessin von Brandenburg - Bayreuth, Kurfürstin von Sachsen und Königin von Polen, Gemahlin August des Starken“.
Der Einführungstext zur Lesung wird in der Folge, wenn auch stark gekürzt, vorgestellt. Die Religiosität, also das tiefe innere Erfülltsein von Frömmigkeit, bestimmte in früheren Jahrhunderten das Wesen und Handeln der Menschen. Mehrmaliges Beten sowie möglichst auch der Besuch von Gottesdiensten waren Teil ihres Tagesrhythmus. Das war eines der verbindenden Elemente zwischen der katholischen sowie den sich im Laufe der Reformation entwickelnden protestantischen Glaubensrichtungen. Ansonsten lebten die Angehörigen unterschiedlicher Konfessionen jedoch so, als ob sie sich in getrennten Welten befanden. Es gab in der Vergangenheit natürlich immer auch Ausnahmen im Rahmen der getrennten Lebensführung zwischen Protestanten und Katholiken. Aber selbst noch im ausgehenden 17. / Anfang des 18. Jh. fanden die ihre menschlich bedingten Grenzen, wie es die Ehe von Christiane Eberhardine von Brandenburg-Bayreuth mit Friedrich August von Sachsen, besser bekannt als August der Starke, zeigt. Geführt von ihrem protestantischen Gewissen, widersetzte sie sich charakterfest den religiös - politischen Bestrebungen ihres Gemahls. Völlig ungewollt wurde sie dadurch für die gesamte evangelisch-lutherische Bevölkerung Kursachsens zu einem wichtigen Faktor der Religionspolitik, ja zu einem Symbol des Widerstandes gegen eine befürchtete Rekatholisierung des Landes. Letztlich musste Christiane Eberhardines Haltung auch Friedrich August akzeptieren.
Heute,
in einer Zeit des Aufbaus einer neuen globalen Gesellschaft, in der
jegliches Althergebrachtes in Frage gestellt wird, sind
Charakterfestigkeit und eine kompromisslose konservative christliche
Haltung nicht mehr gefragt. Kann in solch einer Zeit des elementaren
gesellschaftlichen Wandels eine charaktervolle, standhafte
christliche Frau, wie es Christiane Eberhardine war, überhaupt noch
als Vorbild dienen, ja sollte man überhaupt noch über sie schreiben
und referieren? Wer war eigentlich diese hochadelige Dame, um die es
hier geht? Geboren wurde sie am 19. Dezember 1671 in der regierenden
markgräflichen Familie in Bayreuth. Im Gegensatz zu manch anderer
Prinzessin wuchs sie von den Eltern geliebt und umsorgt heran. Sie
erhielt eine gute Ausbildung und wurde von den Hofpredigern im Sinne
eines strengen Protestantismus lutherischer Prägung erzogen,
während ihre Eltern religiös eher pragmatisch veranlagt waren. Da
Christiane Eberhardine attraktiv und intelligent war, hatten ihre
Eltern mit ihr große Heiratspläne. Nachdem diese sich zerschlugen,
wurde Christiane Eberhardine wider besseres Wissen 1693 einem für
sie ungeeigneten Mann zur Frau gegeben, dem Prinzen Friedrich August
von Sachsen.
Es
zeigte sich bald, dass es zwischen den jungen Eheleuten sehr große
Wesensunterschiede gab. Der vielseitig interessierte und
außerordentlich lebens- sowie unternehmungslustige Friedrich August
hegte keinerlei Ambitionen, mit seiner ernsthaft und religiös
veranlagten Gemahlin ein harmonisches Eheleben zu führen.
Unter
merkwürdigen Umständen, die für Mord sprechen, verstarb 1694
Kurfürst Johann Georg IV., der Bruder von Friedrich August. In
Folge dieses Todesfalles wurde Friedrich August Kurfürst von
Sachsen und Christiane Eberhardine Kurfürstin. Der starke August
begann in seiner neuen Stellung sofort seine außerehelichen
Eskapaden hemmungslos zu verstärken, also sich nun mehr oder
weniger offiziell Geliebte anzuschaffen. Das führte zu einer immer
größeren Entfremdung des Paares. Christiane Eberhardine war einfach
nicht willens, mit diesen
Abenteurerinnen um die Gunst ihres Gemahls zu wetteifern. Das
entsprach weder ihrem Charakter noch ihrem anerzogenen
Standesdenken. Aber die Kränkungen von Christiane Eberhardine durch
Friedrich August sollten noch schlimmer werden.
Für
die Feldzüge 1695 und 1696 gegen die Türken wurde ihm vom Kaiser
das Oberkommando
über das Reichsheer in Südosteuropa übertragen; dadurch blieb er
jeweils viele Monate fern von Dresden. Aber das kannte die junge
Frau ja aus ihrem Elternhaus, so dass sie darüber sicher traurig,
aber wohl nicht auf ihn wütend war. Und das auch, obwohl sie in
letzterem Jahr schwanger war und Friedrich August nach Ende des
Feldzuges sich erst noch Wochen in Wien aufhielt; natürlich um sich
dort zu amüsieren.
Nachdem
Christiane Eberhardine den erhofften Erbprinz Friedrich August am 7.
Oktober 1696 geboren hatte, bekam sie von ihrem Gemahl einen im
Ehevertrag vereinbarten repräsentativen Besitz als eventuell
zukünftiges Wittum übertragen, den sie bis dahin als Sommersitz
nutzen konnte. Dabei handelte es sich um das kleine Amt Pretzsch an
der Elbe mit dem dortigen Schloss.
Für
Christiane Eberhardine wurde der Aufenthalt am Dresdner Hof immer
unerträglicher, wo ihr Gemahl nebenher zeitweise mehrere Geliebte
hatte. Eine Reise Friedrich Augusts nutzend entfernte sich
Christiane Eberhardine ebenfalls, unter dem Vorwand ihren neuen
Besitz besichtigen zu wollen, ab März1697 mit ihrem Hof für
mehrere Monate von Dresden. Da das Pretzscher Schloss für längere
Aufenthalte mit ihren Höflingen nicht nutzbar war und
dementsprechend erst umgestaltet werden musste, quartierte sie sich
im benachbart liegenden repräsentativen
ehemaligen Residenzschloss Hartenfels in Torgau ein. Gern gab
Friedrich August ihr in der Folge dafür eine unbegrenzte
Nutzungsgenehmigung.
Denn ab Frühjahr 1697 strebte er ein neues Ziel an; er wollte König von Polen werden. Um dafür überhaupt in Frage zu kommen, konvertierte er, der Glaubensfragen völlig gleichgültig gegenüber stand, am 2. Juni 1697 in Baden bei Wien heimlich zum Katholizismus. Dieser Schritt sowie eine geschickte Diplomatie mit gewaltigen Bestechungssummen bewirkten, dass Friedrich August am 17. Juni auf dem Wahlfeld Wola bei Warschau zum König ausgerufen wurde. Die wenig später über diese Ereignisse, die ihr Gemahl vor ihr geheim gehalten hatte, in Kenntnis gesetzte Christiane Eberhardine war verzweifelt. Was sollte aus ihr werden, musste sie nun auch zum Katholizismus konvertieren und wenn sie sich dem verweigern würde, kürzte ihr Gemahl dann ihren sowieso schon sehr bescheidenen Lebensetat oder ließe er sich sogar von ihr scheiden? Schließlich wurde eine Ehe zwischen einer Protestantin und einem Katholiken weder von der einen noch der anderen Kirche gebilligt.
Zwischen einem derart hochadeligen Ehepaar besprach man schwierige Probleme kaum direkt, sondern jede der Parteien beauftragte damit hochrangige Höflinge. Neben mancherlei menschlichen Gründen war dafür die Hauptursache, dass selbst eine fürstliche Frau wie Christiane Eberhardine nur eingeschränkt rechts-, also vertragsfähig war. Da Friedrich August I., der sich als polnischer König August II. nannte, in Polen weilte, konnte keine Klärung der anstehenden Fragen auf üblichem Wege erfolgen. Da durch seine Konversion noch dazu der Ehevertrag mit Christiane Eberhardine betroffen war, bat diese ihren Vater Markgraf Christian Ernst die Probleme durch seine Diplomaten klären zu lassen. Als das für sie kein annehmbares Ergebnis brachte, reiste schließlich sogar ihr Vater nach Polen, um zwischen seiner Tochter und den Diplomaten ihres Gemahls zu vermitteln. Aber auch der nun erzielten Vereinbarung stimmte Christiane Eberhardine nicht zu. Der Forderung ihres Gemahls, dass sie zu ihm nach Polen kommen soll, lehnte sie strikt ab. Denn sie fürchtete um ihr Seelenheil, da sie erwartete, in Polen unter Druck gesetzt zu werden, zum Katholizismus zu konvertieren, was sie unter keinerlei Umständen wollte. Und diese Gefahr bestand tatsächlich, da Friedrich August gegenüber den Polen wie auch dem Papst versprochen hatte, seine Gemahlin ebenfalls zum Katholizismus zu führen. So blieb Christiane Eberhardine letztlich dessen Inthronisation im September 1697 in Krakau fern, was ihn sehr kränkte.
Nein, Christiane Eberhardine dachte überhaupt nicht daran, ihrem Gemahl entsprechend der vereinbarten Kompromisse, die schließlich sogar von ihren Eltern unterstützt wurden, entgegen zu kommen. Und das selbst, als der auf sie ausgeübte Druck immer größer wurde. Sie hielt sich zumeist nur noch fern von Dresden in dem Hof in Torgau sowie Pretzsch auf. Unablässig hoffte und betete sie, dass ihr Leben bald zu Ende gehen möge, aber ein Nachgeben in Fragen, die sie als Lebenselementar ansah, gab es einfach für Christiane Eberhardine nicht. Den auf sie ausgeübten Druck ließ ihr Gemahl bis 1700 anhalten, als der Nordische Krieg gegen das protestantische Schweden begann. Da dieser für Sachsen immer schlechter lief, konnte Friedrich August keine Unruhen über die religiöse Zukunft seines Stammlandes gebrauchen. Nun zu Zugeständnissen gegen die sächsischen Stände und Geistlichkeit bereit, verhielt er sich ebenso zu seiner Gemahlin, mit der er schließlich sogar eine persönliche Aussprache über die anstehenden Probleme führte. Sie sollte nun für die Sachsen als Beispiel dafür gelten, dass diese keine Rekatholisierung zu befürchten hätten. Letztlich war das eine Kapitulation von Friedrich August vor Christiane Eberhardines konsequenter Haltung, wenngleich er aus innen- und außenpolitischer Rücksichtnahme die gegen sie gerichteten Pläne aufgab. Dadurch blieb auch der sächsischen Bevölkerung in der Folge eine massivere Einflussnahme gegen ihren evangelisch-lutherischen Glauben erspart, der schlussendlich viel Leid über die Menschen und das Land gebracht hätte. Dieses mit verhindert zu haben, liegt letztlich Christiane Eberhardines Verdienst als treue protestantische Landesmutter.
Bedingt
durch die jahrelangen Ehekonflikte, hatte sie sich immer mehr, um
seelischen Halt zu finden, einer zutiefst christlichen Lebensführung
zugewandt, was ihr den Beinamen „Betsäule Sachsens“ einbrachte.
Dennoch war sie keine weltabgewandt lebende Frau. Auch den schönen
Dingen zugewandt, widmete sie sich intensiv dem Ausbau ihres
Schlosses Pretzsch, wie auch der aufwendigen Gestaltung von dessen
kleiner Gartenanlage. Auch anderen weltlichen Vergnügungen wie dem
Kartenspiel gab sie sich angeblich gern hin. Sie legte
Wert auf ein standesgemäßes Leben sowie Auftreten und achtete sehr
auf ihre Gesundheit, indem sie regelmäßig zur Kur reiste. Sich
sozial engagierend unterstützte Christiane Eberhardine vielerlei
Bedürftige, gleich welchen Standes, ökonomisch oder in anderen
Formen. Von ihrem Gemahl der Erziehung ihres eigenen Sohnes ab 1698
beraubt, ließ sie an ihrem Hof mehrere Prinzessinnen aus ärmeren
protestantischen Fürstenhäusern, aber auch adelige Fräuleins,
Bürgermädchen, mehrere kleinwüchsige Menschen und sogar einen
Zigeunerknaben aufziehen. Derartiges Engagement war allerdings
ebenfalls an anderen reichen Höfen üblich, also nichts
Außergewöhnliches.
Den Brand 1701 im Residenzschloss Dresden hatte Christiane Eberhardine als Vorwand als Vorwand genommen ihren Hauptwohnsitz in Torgau zu nehmen. Im Sommers ging sie sodann öfters für einige Zeit mit einem Teil ihrer Höflinge nach Pretzsch. In beiden Orten fühlte sie sich sehr wohl, vielleicht auch, da hier ehemals Luther und andere Reformatoren gewirkt hatten. Da sie sehr gern reiste, besuchte sie allerdings öfters Kurorte oder ihre Familie in Bayreuth. Zunehmend seltener kam sie dagegen nach Dresden. Während andere Frauen ihres Standes eine derartige Reisetätigkeit nur mit Genehmigung ihrer Gatten vermochten, nahm sich Christiane Eberhardine selbstbewusst selbst das Recht zu reisen, wann und wohin sie wollte. Die Kurfürstin und Nominalkönigin konnte also nach der Einigung mit ihrem Gemahl ein unbeschwertes, standesgenehmes Leben nach ihrem Geschmack führen. Glücklich war sie dennoch nicht; aber das entsprach auch einfach nicht ihrem Wesen. Entsprechend diesem kannte sie selbst keine Kompromisse gegenüber ihrem 1712 zum Katholizismus konvertierten Sohn. Nach seiner Rückkehr 1717 von einer langen Kavalierreise kam es nur ein einziges Mal zu einer Aussprache zwischen Mutter und Sohn; sodann hatten sie sich nichts mehr zu sagen. Christiane Eberhardine konnte ihm einfach nicht verzeihen, dass er seinen ursprünglichen evangelischen Glauben aufgegeben hatte; für sie war er damit auf ewig seines Seelenheils verlustig gegangen.
Da ihr im Laufe der Jahre das äußere Repräsentieren durch das Leben im Torgauer Schloss Hartenfels offenbar nicht mehr so wichtig war, verlegte sie 1721 ihren Hauptwohnsitz nach Pretzsch. Zunehmend immer seltener Gäste empfangend und für sie Festlichkeiten ausrichtend, auch weniger Kurorte aufsuchend, vereinsamte Christiane Eberhardine langsam. Schon 1720 und 1724 so schwer erkrankend, dass man mit ihrem Ableben gerechnet hatte, verstarb sie dennoch völlig unerwartet bei guter Gesundheit unter merkwürdigen Umständen am 5. September 1727 in Pretzsch. Drei Tage später setzte man sie in der dortigen Stadtkirche bei. Weder ihr Sohn noch ihr Gemahl hielten es für notwendig zu der bescheidenen Zeremonie aus Dresden anzureisen.
Soll man sich mit solch einer Frau, wie Christiane Eberhardine, die man – bösartig betrachtet – als sture, eigensinnige und fanatische Protestantin bezeichnen kann, noch in heutiger Zeit mit ihren großen, alles in Frage stellenden Umbrüchen beschäftigen? Doch das sollte man! Denn gerade das Leben dieser Frau, mit ihrem Festhalten an den Idealen ihres Lebens, die für sie die Religion war (für uns die freie Meinungsäußerung, Kultur oder anderes sein kann!) zeigt, dass sich ein Kampf immer lohnt. Damit kann Christiane Eberhardine unzweifelhaft auch heute noch zum Vorbild für Jedermann dienen. Denn: „Wer nicht kämpft, trägt auch die Kron des ewigen Lebens nicht davon“.
Bildnachweis
Bilder 2, 3, 4 und 7: Sammlung Hans-Joachim Böttcher
Folgende Bilder sind Wikimedia entnommen, sie sind gemeinfrei:
Kopfbild Ausschnitt aus dem Titelblatt der Lutherbibel von 1534
Bilder 1, 5 und 6