Der
Begriff Sexualität bzw. Sex, von uns Heutigen
im Sinne von
Verhaltensweisen und Erlebnissen gebraucht, die durch den
Geschlechtstrieb hervorgebracht werden und mit dem Geschlechtsakt
(Koitus) zusammenhängen, findet sich in der Sprache Martin
Luthers so nicht. Das lässt nicht auf Prüderie schließen (da
konnte Martinus sich schon
ziemlich deutlich, manchmal auch deftig,
wie der
Mann auf der Straße ausdrücken), sondern ergab
sich aus
seinem Sprachgebrauch. Er
verwendete statt dessen sinnverwandte Wörter wie: Begierde, das
Seine, Lust, wollen, Glut, eheliche Liebe, eins sein, sich samen
wollen, Versuchungen und Anfechtungen des Fleisches, Brunst,
Geschlechtlichkeit, Liebe, fleischliche Verbindung,
Eheliebe, den
Kitzel stillen u. a. Das
liest sich dann so:
„Die Begierde kommt ohne
besonderen Anlaß, so
wie Flöhe und Läuse; Liebe aber
ist dann da, wenn wir anderen
dienen wollen.“
„Die
höchste Gnade Gottes ist es, wenn in der
Ehe die Liebe dauernd
blüht. Die erste Liebe ist feurig, eine trunkene Liebe, mit der wir
geblendet werden und wie die Trunkenen hinan gehen. Wenn wir
die
Trunkenheit ausgeschlafen haben, dann bleibt in
den Frommen die echte Eheliebe, die Gottlosen
aber haben die Reue.“
„In
der Ehe kann keine Unkeuschheit sein wegen
seiner Einsetzung, seiner
Aufgabe und seiner Würde, denn das alles ist gut. Aber Unmäßigkeit
[kann
darin sein], daß einer das Seine zu Viel braucht.“
Dr.
Lutherus ließ aber auch wissen, was Gott
beim Geschlechtsverkehr
lobt bzw. tadelt: „Der allmächtige, ewige, barmherzige, langmütige
und
fromme Gott liebt die Keuschheit, die Züchtigkeit
und
Sittsamkeit lobt er. Er hat die heilige Ehe eingesetzt und will sie
auch erhalten, damit jeder sein
Gefäß in Reinheit erhalte und
sich fernhalte von
ausschweifenden Begierden.“ Und damit es
erst
gar nicht dazu komme, sondern Zucht herrsche
in der Sexualität,
predigte er jedem ins Gewissen:
„Jeder
soll in die Ehe treten, weil er um die Not und
Sünde der
Geschlechtlichkeit weiß...
Die Liebe zwischen den Geschlechtern ist
die
allergrößte und lauterste Liebe. Über alles geht die
eheliche Liebe.“
Doch
er schränkte auch ein: „Geschlechtsverkehr zu haben und sich zu
samen und zu mehren,
ist Gottes Schöpferwille und steht nicht in
deiner
Macht!“
Besonders
in seiner aufklärerischen Schrift „Vom
ehelichen Leben“ aus dem
Jahre 1522 offenbarte er:
Da
Gott „Mann und Weib gemacht hatte, segnete er
sie und sprach zu
ihnen: >Wachset und mehret
euch.< Aus dem Spruch sind wir
gewiß, daß Mann
und Weib sollen und müssen zusammen, daß sie
sich mehren. Es ist eine eingepflanzte Natur und
Art, ebensowohl wie
die Gliedmaßen [Geschlechtsorgane], die dazu gehören.“
Wir sind also gut beraten, Luthers Aussagen zur Sexualität in vielerlei Hinsicht zu bedenken.
Dieser Artikel ist ein Auszug aus dem Buch von Manfred Wolf "Thesen und andere Anschläge", das Sie, liebe Leser, erwerben können. Es ist erschienen in der 2. Auflage in der Evangelischen Verlagsanstalt Leipzig.
ISBN 978-3-374-02286-1