„Silbermann“ ist im Orgelbau quasi ein Synonym für höchste Qualität und musikalische Vollkommenheit im Musikinstrumentenbau.
Prominenteste Vertreter dieser sächsisch-elsässischen Orgelbauerfamilie des 18. Jahrhunderts sind die Brüder Andreas (1678-1734) und Gottfried (1683-1753) sowie der Sohn des ersteren Johann Andreas (1712-1783). Prägend für die Orgellandschaft Sachsens ist Gottfried Silbermann von dessen 50 Orgelneubauten 31 erhalten geblieben sind. Obwohl sein Wirkungsfeld regional beschränkt blieb, war sein Werk schul- und stilbildend.
Wilhelm Friedemann Bach schrieb 1736: „Berühmter Silbermann! ... Dein Ruhm wird ewig bleiben(...) in unserm Sachsen-Land.“ Auch Mozart befand: "Es sind über die Maßen herrliche Instrumente."
Eine besondere Stellung kam dabei der großen Orgel im Freiberger Dom zu, die weitgehend erhalten blieb und zu den wertvollsten Barockorgeln Europas zählt. Weitere Hauptwerke befinden oder befanden sich u.a. in Straßburg St. Nikolai, in Freiberg in St. Johannis und St. Petri, in der Sophienkirche und in der Frauenkirche in Dresden (beide Werke 1945 zerstört), im Dresdener Residenzschloss (verschollen), der Dorfkirche in Forchheim, der Dorfkirche in Fraureuth, in der Stadtkirche St. Georg und der Marienkirche in Rötha. Das letzte Werk (Opus 50, erst nach Silbermanns Tod vollendet)) ist die Orgel in der Katholischen Hofkirche in Dresden mit 47 klingenden Registern.
Gottfried wurde als zweiter Sohn des Ehepaares Michael und Anna Maria am 14.Januar 1683 in Kleinbobritzsch, heute ein Stadtteil von Frauenstein im Landkreis Mittelsachsen geboren. Über die Jugend in Frauenstein, wohin die Familie zog, ist wenig bekannt. 1701 zog Gottfried zu seinem Bruder nach Straßburg, um bei ihm den Orgelbau zu lernen. Da er seinem Bruder zugesagt hatte, sich nicht im Elsass nieder zu lassen, kehrte er, jetzt als Orgelbaumeister, nach Sachsen zurück.
Er schuf zunächst eine kleine
Orgel für seine Heimatstadt Frauenstein und erhielt auf Fürsprache
des Leipziger Thomaskantors Johann Kuhnau den Auftrag zum Bau der
Freiberger Domorgel, die er 1714 fertigstellte und 1738
überarbeitete.
Bemerkenswert
ist Silbermanns an Rentabilität orientiertes Denken und Handeln,
wodurch er zu einem für einen Orgelbauer zur damaligen Zeit
ungewöhnlichen Wohlstand gelangte. Silbermann verstand es,
seine Position bis nahezu zu einer Monopolstellung hin auszubauen
und zu festigen. Trotz höchster Qualität und Perfektion des
Bauwerkes an sich fanden nicht alle
Bauprinzipien Silbermanns die Zustimmung von Zeitgenossen.
Die Kritik von Johann Sebastian Bach ist ein Beispiel dafür, der in der Frage des Stimmungssystems andere Ansichten vertrat. Das Verhältnis beider blieb distanziert; offensichtlich auf Silbermanns Betreiben wurde Bach nicht als Gutachter herangezogen, wenn seine fertiggestellten Orgeln geprüft wurden; einzig 1746 kam es bei der Prüfung der Orgel in Naumburg St. Wenzel zu einem gemeinsamen positiven Gutachten. Dieses blieb jedoch auffallend knapp und sparte alle Punkte aus, die zwischen den beiden umstritten waren.
Silbermann erkrankte 1749 schwer und starb 1753. Er wurde am 8. August 1753 auf dem Johannisfriedhof in Dresden beigesetzt; sein Grab ist nicht erhalten.
Zeitweise wurde die Silbermann-Orgel für die ideale Bach-Orgel gehalten. Abgesehen von den wahrscheinlichen Meinungsverschiedenheiten zwischen Silbermann und Bach in Stimmungsfragen ist fraglich, ob Silbermanns Dispositionen in allen Einzelheiten Bachs Erfordernissen genügten. Nach dem Musikwissenschaftler Herbert Kelletat (1907-2007) habe jedoch Bach Silbermanns mitteltöniger Stimmung prinzipiell zugestimmt und sie niemals kritisiert.
Das 19. Jahrhundert erwies sich als nachbarocke Periode mit einer nur langsam abklingenden Silbermann-Nachfolge. Ein wirklicher Umschwung erfolgte erst Ende des 19.Jahrhunderts in der spätromantischen Zeit u.a.durch diverse bautechnische Neuerungen. An Stelle des Werkprinzips, das seit der Spätgotik den Orgelbau beherrschte, trat nun ein gleitendes „Registercrescendo“ (Der Registerschweller - auch Walze, Rollschweller oder Crescendotritt- ist eine vor allem bei Orgeln der Romantik gebaute Spielhilfe /mechanisch, pneumatisch oder elektrisch/, mit der man die Register automatisch so ziehen oder abstoßen kann, dass die Lautstärke insgesamt größer oder kleiner wird).
Zu Beginn des 20.Jahrhunderts zog der Elsässer A. Schweitzer, unterstützt von Émile Rupp, die Allgemeingültigkeit dieses spätromantischen Orgelideals in Zweifel und gab den Anstoß zu einer Reformbewegung (»Elsässische Orgelreform«).
Zur Revision der spätromantischen Vorstellungen von Orgelbau und Orgelspiel wurde Schweitzer einerseits durch die Klangwelt der polyphon geprägten Orgelwerke J. S. Bachs veranlasst, andererseits durch die im Elsass aus dem 18. Jahrhundert noch vorhandenen Werke der Straßburger Orgelbauerfamilie Silbermann und die um die Mitte des 19. Jahrhunderts erbauten Orgeln von A. Cavaillé-Coll. Aristide Cavaillé-Coll war ein französischer Orgelbauer. Er gilt als maître des maîtres („Meister der Meister“) des französisch-romantischen Orgelbaus und gehört zu den bedeutendsten Orgelbauern aller Zeiten. Weltruhm erlangte er durch den Bau der Orgeln von Saint-Sulpice (Saint-Germain-des-Prés) und Notre-Dame de Paris. Schon kurz nach seinem Tod geriet jedoch das am Orchesterklang orientierte romantische „Klanggebrause“ als „dekadent“ in Verruf.
Schon bevor Cavaillé-Coll wieder allgemein geschätzt wurde, hatte sich Albert Schweizer als bedeutender Orgelreformer nachdrücklich für ihn eingesetzt:
„Die besten Orgeln wurden etwa zwischen 1850 und 1880 erbaut, als Orgelbauer, die Künstler waren, sich die Errungenschaften der Technik zunutze machten, um das Orgelideal Silbermanns und der anderen großen Orgelbauer des 18. Jahrhunderts in höchstmöglicher Vollendung zu verwirklichen. Der bedeutendste von ihnen ist Aristide Cavaillé-Coll, der Schöpfer der Orgeln zu St. Sulpice und zu Notre Dame in Paris. Die von St. Sulpice – sie wurde 1862 vollendet –, die ich, von einigen Mängeln abgesehen, für die schönste der mir bekannten Orgeln halte, funktioniert heute noch so gut wie am ersten Tage und wird in 200 Jahren, wenn sie weiter gut unterhalten wird, es noch ebenso tun. (…)“
Heute ist insbesondere die Gottfried-Silbermann-Gesellschaft um den Erhalt der Silbermann-Orgeln und die Erforschung und Erschließung seines musikalischen Erbes bemüht. In Frauenstein, in der Nähe seines Geburtsortes, befindet sich das Silbermann-Museum. (http://www.silbermann-museum.de/museum/)
Inzwischen sind die meisten Instrumente wieder dem Originalzustand angenähert, spätere Änderungen der Disposition rückgängig gemacht und verlorene Register rekonstruiert worden.
Bildquellen:
alle Bilder: via wikipedia commons
1. Die große Silbermannorgel im Freiberger Dom, Freiberg, Sachsen, Dr.Bernd Gross, CC-BY-SA 3.0
2. Gedenkplatte am Wohnhaus der Familie Silbermann in Kleinbobritzsch. Das Haus wurde 1680 von Michael Silbermann (1640-1713) erbaut. Seine Söhne waren die berühmten Orgelbaumeister Andreas Silbermann (1678-1734) und Gottfried Silbermann (1680-1763), die bis zum Umzug der Familie nach Frauenstein 1685/86 hier ihre Kindheit verbrachten. Norbert Kaiser, CC-BY-SA 3.0
3. Karte der Orgeln Gottfried Silbermanns in Sachsen, Wikiwal, CC-BY-SA 3.0
4. Blick auf die Silbermann Orgel in der Hofkirche Dresden. Aufgenommen im Oktober 2006, Fotograf: Timo Sack, Timo1974~commonswiki,CC-BY-SA2.5