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Gefangen im Netz der Dunkelmänner

Berndt Seite, Annemarie Seite und Sibylle Seite

Berndt Seite und seine Familie möchten sich die »Stasi« von der Seele schreiben, um nicht ein Leben lang mit der DDR-Diktatur konfrontiert zu bleiben. Der Text soll einen Beitrag zur Aufarbeitung der SED-Diktatur leisten. 

Willy Winkler

Willy Winkler

Lutz Fritzsche

Willy Winkler um 1976
Willy Winkler um 1976

Vieles was unsere Stadt Bad Düben im 20. Jahrhundert sah und erlebte, liegt heute auf dem Müllhaufen der Geschichte. Das Kaiserreich, die schlimmen Jahre des Faschismus, SED Diktatur, nichts ist mehr vorhanden.

Aber es gab, in jener Zeit, in Bad Düben auch zwei Männer, die der Stadt so nachhaltig ihren Stempel aufdrückten, das er noch heute zu sehen ist. Der eine war Hermann Welzel, von 1885 bis 1918, also 33 Jahre, Bürgermeister von Düben. Ihm haben wir es zu verdanken, dass Bad Düben heute Kurstadt mit mittelständischer Industrieansiedlung ist.

Der andere war Willy Winkler. Berühmt, geachtet, geliebt, streitbar und nicht immer einfach. Aber die Geschichte hat ihm Recht gegeben. Er war Handwerksmeister, Museumsleiter, Dichter, Schriftsteller, Archäologe, Heimatforscher und so weiter.

Geboren am 30.11.1904 in Düben (ab 1948 Bad Düben) in der Leipziger Straße, besuchte er die Stadtschule und ab 1919 begann er eine Lehre als Buchdrucker in der Druckerei Jacob, in der Grünstraße. Das Wissen was er in Schule und Lehre erlangt hatte reichte ihm aber nicht. So belegte er Kurse in Schreibmaschine, Steno, Fremdsprachen und später auch in Rhetorik. Das Geld dazu verdiente er sich durch Verkauf von gesammelten Heidelbeeren und Pilzen. Nach den damals noch üblichen Wanderjahren erwarb Willy Winkler 1929 den Titel „ Buchdruckermeister", kaufte im gleichen Jahr die Druckerei von Paul Streubel, samt dem dazu gehörigen Schreibwarengeschäft in der Kirchstraße 2. Beides befindet sich heute noch im Besitz der Familie.

Willy Winkler bei der Einweihung des Blüchersteines
Willy Winkler bei der Einweihung des Blüchersteines

Ein paar Worte mehr aber über sein Wirken. Geprägt durch seine Mutter, widmete er sich beizeiten der Natur. Deshalb war eine aktive Arbeit im Verein „Dübener Heide", von dessen Gründung an, selbstverständlich. Er war maßgeblich an der ersten Markierung der Wanderwege in der Dübener Heide beteiligt, auch Wanderleiter und jahrelang Geschäftführer des Vereins. Ebenfalls in diese Zeit fällt sein Wirken zur Erneuerung des „Gustav-Adolf-Steins" (30jähriger Krieg) am Friedhof, eine Ausstellung über die Befreiungskriege 1813, in der Turnhalle der Stadtschule und seit 1937 sein Kampf um die Errichtung des Blüchersteins (zum Gedenken an das Jahr 1813). Dieser konnte dann endlich zum Park- und Heimatfest 1956, in der Gustav Adolfstraße/ Ecke Windmühlenweg, eingeweiht werden. - Hartnäckig war er also auch noch.

1945 - kurz nach Ende des zweiten Weltkrieges, gründete Willy Winkler, gemeinsam mit seinem Freund, dem Stadtkapellmeister und Musiklehrer Otto Goitzsch und anderen die Ortsgruppe des Kulturbundes und in den folgenden Jahren rückte auch sein Traum von einem Museum für Bad Düben, in greifbare Nähe. Und so erreichte er, nach Verhandlungen mit der Landesregierung von Sachsen-Anhalt, dass am 1.August 1951 die Burg der Stadt Bad Düben zum Ausbau als Landschaftsmuseum übergeben wurde.

Bereits am 30.März 1952 wurde dann der alte Burgturm der Öffentlichkeit, als "Lug ins Land", zugänglich gemacht. Die meisten Ausstellungen mussten aber noch in der Bibliothek, in der Innenstadt, gezeigt werden. Und obwohl die Räumlichkeiten sehr beengt waren, kamen zur ersten Ausstellung, über die Braunkohle in unserer Heimat, 2318 Besucher in nur zwölf Tagen. Auch die zweiten Ausstellung "400 Jahre Alaunwerk" frequentierten fast 2700 Besucher.

In den ersten sieben Wochen nach der Eröffnung erklommen 2658 Personen den Burgturm.

Willy Winkler bei Ausgrabungen
Willy Winkler bei Ausgrabungen

Unter Leitung von Willy Winkler beteiligten sich viele Bad Dübener und Bürger aus den Nachbarorten an dem begonnenen Werk. In Fünf Sonntags - Arbeitseinsätzen schafften es die Kameraden der Freiwilligen Feuerwehr von Bad Düben, den verwilderten Burggraben in eine Oase zum verweilen und ausruhen zu verwandeln. Auf der dabei neugeschaffenen Freilichtbühne war schon am zweiten Pfingstfeiertag Konzert. Chöre und Instrumentalgruppen aus Bad Düben und Wellaune lieferten, zur vollen Zufriedenheit der zahlreichen Besucher, ein vierstündiges Programm. Im Herbst des gleichen Jahres kam es im Burghof zur ersten Aufführung, des von Willy Winkler geschriebenen Stückes " Eines Menschen Recht". Bekannt sind die Vorgänge der Kohlhaseschen Händel (1532-1540) durch die Novelle von Heinrich von Kleist. Durch die Neufassung des Themas wurde das Historische Ereignis an den Ort des Geschehens zurückgebracht. Aufgeführt wurde das Stück von der "Heimatbühne Bad Düben", einer seit 1920 bestehenden Theatergruppe.

Zum Aufbau des Museums ging er oft ganz einfach durch die Stadt. Bei Glasermeister Sonntag holte er ein paar Scheiben, beim nächsten ein paar Leisten und daraus wurde eine Vitrine gebaut. Und wenn jemand fragte:„ Willy was willste denn damit „ kam die Antwort: „ Ich baue ein Museum". Schnell wuchs die Schar seiner Mitstreiter, die man später die Burgherren nannte. Schließlich hatten sich all die Mühen gelohnt und die Stadt Bad Düben bekam 1953 ihr "Landschaftsmuseum der Dübener Heide".

Willy Winkler bei einer Museumsführung
Willy Winkler bei einer Museumsführung

Sein Traum wurde wahr und er Museumsleiter. Die Besucherzahlen stiegen schnell. 30.000 und mehr, pro Jahr, waren keine Ausnahme. Einige seiner Neider behaupten ja heute noch, dass dies nur durch den Sozialismus möglich war, aber in den Museen von Delitzsch, Bitterfeld und Eilenburg war auch Sozialismus und diese hatten Besucherzahlen zwischen 6000 und 8000. Es war also nicht der Sozialismus, sondern Willy Winkler und seine Art ein Museum zu führen. Davon kann man heute noch lernen.

Es gab also nicht nur Siege. Solch ein Mann hatte auch Feinde. Nicht erteilte Druckgenehmigungen für eigene Publikationen oder für so beliebte Hefte, wie „ Der Ausblick" und „ Das Landecho" das praktische Verbot, unter dem Vorwand von Papiermangel und immer wieder Versuche, zum Beispiel die Park- und Heimatfeste 1956 und 1960 ( hier kam es auch zu vorübergehenden Festnahmen von Mitstreitern und einer fast völligen Umstellung des Festzuges) zu verhindern, um nur einiges zu nennen.

1966 stellte man in einem Bericht über die Entwicklung des Museums fest, das es ohne die umfangreiche Sammlung von Willy Winkler nicht möglich gewesen wäre, die etwa 20 Ausstellungsräume zu füllen.

Wenn ich persönlich meinem Großvater hätte einen Wunsch erfüllen können, dann wäre es das Erleben der Wiedervereinigung. Aber es sollte nicht sein. Im Jahr 1986 schloss sich sein Lebenskreis. An dem was er geschaffen hat, erfreuen sich die Menschen noch Heute.

Der Bertuch Verlag dankt Herrn Lutz Fritzsche für die Bilder aus dem Familienarchiv.
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