Sachsen-Lese

Gehe zu Navigation | Seiteninhalt
Sachsen-Lese
Unser Leseangebot

Frank Meyer

Es war mir ehrlich gesagt völlig egal

 „Ich ging zur Beerdigung. Denn immerhin war ich es ja, der ihn erschlagen hatte.“

Sie schlagen sich so durch — die Jungs in Frank Meyers Geschichten. Dabei lassen sie sich von weiblichen Hosenanzügen beirren, stellen ihre grenzenlose Coolness beim Moped-Trinken unter Beweis und sorgen dafür, dass der Großvater fast die Sportschau verpasst.

Das Grab des unbekannten Soldaten in der Dübener Heide

Das Grab des unbekannten Soldaten in der Dübener Heide

Prof. Dr. habil. Wolfgang Brekle

Vielen Besuchern der Heide wird das Grab des unbekannten Soldaten bei Battaune an der Kreuzung der Vier (von Doberschütz nach dem Torfhaus) mit der Straße von Battaune nach Mokrehna aufgefallen sein: ein schlichtes Holzkreuz mit der Inschrift "Unbek. Soldat, gest. 5.5.1945".

Dieses Kreuz befindet sich jetzt inmitten einer schönen Grabanlage, von einem Jägerzaun umgeben. Auf dem Kreuz hing vor Jahren noch ein Stahlhelm. Viele werden sich gefragt haben bzw. fragen, was hier am 5.5. 1945 geschehen und wer der Tote ist.

Volkstrauertag und Totensonntag im Monat November sollen Anlass sein, diesen Fragen nachzugehen.

Das Grab des unbekannten Soldaten
Das Grab des unbekannten Soldaten

Vor allen von Doberschützer und Battauner Einwohnern wird die Erinnerung an den tragischen Vorfall wachgehalten. Allerdings werden inzwischen verschiedene Varianten darüber erzählt, denn es gibt keinen einheimischen Zeugen mehr, nur noch Nachfahren und Gesprächspartner von den drei Forstarbeitern aus Battaune‚ die für den Toten das Grab schaufelten und ihn beerdigten (ohne das Ereignis selbst erlebt zu haben).

Unterschiedlich sind in den einzelnen Varianten die Angaben‚wer erschossen wurde, von wem er erschossen wurde und warum er erschossen wurde.

So weiß der damals 15 jährige Sohn eines der drei Forstarbeiter von seinem Vater Ernst Schmidt, dass ein unbewaffneter deutscher Soldat in Zivil dort von amerikanischen Soldaten erschossen worden sei. Das klingt wahrscheinlich, denn am Kriegsende hielten sich viele deutsche Soldaten in der Dübener Heide und besonders am Wildenhainer Bruch versteckt. Sie holten sich von den Bauern Lebensmittel. Die Einwohner der umliegenden Dörfer erzählen heute auch noch‚dass sie als Kinder im Wald viele Waffen, darunter auch Panzerfäuste‚ Munition, Gewehre und Stahlhelme gefunden und damit gespielt haben.

Der Forstmeister Udo Nebel hat von dem damaligen Forstaufseher Paul Jahn eine ähnliche Variante in Erfahrung gebracht: Amerikaner hätten einen Zivilisten‚ vermutlich einen ehemaligen Soldaten, der die Uniform ausgezogen und Zivilkleider angezogen hatte, erschossen, weil er die Ausgangssperre überschritten hatte; er hätte aber keine Erkennungsmarke getragen.

Andere wollen aber wissen - und so hätten sie es von dem Friseur Rudi Richter aus Doberschütz erfahren‚ der später das Grab Jahrzehnte gepflegt hat - , ein 15jähriger Angehöriger des Reichsarbeitsdienstes sei auf einem Fahrrad mit einer Panzerfaust bewaffnet von einem amerikanichen Offizier aus dem Jeep heraus erschossen worden. Die "Quelle" dieser Version‚ Rudi Richter, hielt sich aber 1945/1946 gar nicht in seinem Heimatdorf Doberschütz auf. Er wusste dies also nicht aus erster Hand. Andererseits besitzt diese Darstellung insofern Wahrscheinlichkeit, als sich bis Kriegsende an der "Vier" nahe Doberschütz ein Lager des RAD (Reichsarbeisdienstes) befand. Der aufgefundene Tote hätte laut Aussage der ihn begrabenden Forstarbeiter keine „Erkennungsmarke" bei sich gehabt.

Eine vierte Variante erzählt davon, dass ein flüchtiger deutscher Soldat, der sich von seinem Truppenteil abgesetzt hatte‚ von den"Russen", also von sowjetischen Soldaten‚ erschossen worden sei. Eine Zeugin aus Battaune, die 80jährige Erna Köhler, erinnerte sich: drei deutsche Soldaten, die sich zivil eingekleidet hatten, seien öfters ins Dorf gekommen, um sich Essen zu erbetteln. Eines Tages waren es nur noch zwei; sie erzählten, ihr Kamerad sei von Russen erschossen worden, weil er auf das Kommando "stoj" (bleib stehen!) mit Flucht reagiert habe.

Recht unklar bleibt bei allen Versionen des Ereignisses das Datum 5. Mai l945, besonders die militärische Situation an diesem Tag: ob am 5. Mai bzw. einen Tag zuvor sich hier noch die Amerikaner befanden, die das Gebiet ja zuerst besetzt hatten‚ oder ob schon die sowjetischen Truppen einmarschiert waren. Die Amerikaner waren schon am 27.4.1945 erstmals in Battaune gesehen worden nach den schweren Kämpfen am 23./24.4. in Eilenburg. Andererseits war die sowjetische Armee auf Grund eines Abkommens der Alliierten‚ von der Elbe kommend (am 25.4. wird der Elbe-Day in Torgau gefeiert) am 5.5. bis zur Mulde (also bis Eilenburg-Ost) vorgestoßen.

Möglicherweise sind aber ländliche Gebiete abseits der großen "Heeresstraßen" am 4. und 5. Mai noch von Amerikanern besetzt gewesen, denn die Aufzeichnungen in der Ortschronik aus dieser Zeit nennen außer dem 27.4. auch den 5.5., an dem die Amerikaner in Battaune durchgezogen sind. Andere Tagebuchaufzeichnungen und Erinnerungen berichten davon‚ dass die ersten "Russen" erst am 8. Mai in Battaune auftauchten und plünderten. Ein Doberschützer Einwohner erinnerte sich daran, dass sich zeitweise Russen und Amerikaner zur gleichen Zeit, wenn auch nicht im gleichen Ortsteil‚ in Doberschütz aufgehalten hätten.

Es wird also offen bleiben, wer geschossen hat: Amerikaner oder Russen, ebenso bleibt unbekannt, wer erschossen wurde. Selbst das eingeschnitzte Datum ist nicht gesichert: es kann den Tag der Erschießung meinen‚ wahrscheinlicher aber ist es der Tag der Beerdigung des Toten.

Vielleicht sind diese Details auch nicht so wichtig. Bedeutsam ist und bleibt dieses Grab jedoch, weil es an die Zeiten der Kriegswirren am Ende des 2. Weltkrieges erinnert.Es ist bekannt, dass noch andere Soldaten und Zivilisten im Wald und in den Dörfern erschossen worden sind, obwohl sie nicht direkt an den Kriegshandlungen beteiligt waren.

Bemerkenswert und anerkennenswert ist, dass dieses Grab eines unbekannten Soldaten sich so lange erhalten hat und von Einwohnern der beiden Nachbardörfer Battaune und Doberschütz liebevoll inzwischen 68 Jahre gepflegt worden ist.

Die Gesamtanlage des Grabes
Die Gesamtanlage des Grabes

Regelmäßig liegen Blumen und Kränze auf dem Grab. Else Veith aus Battaune und Rudi Richter aus Doberschütz hatten jahrelang das Grab gepflegt und geschmückt. Nach deren Tod haben sich das Forstamt, der Landschaftspfegeverband sowie Udo Nebel und Horst Merker um die Gestaltung der ganzen Anlage verdient gemacht.

Heute bepflanzt und pflegt das Grab Herbert Pflug aus Battaune. In den heißen Sommern 2013, 2018 und 2019 goss er täglich die angepflanzten Blumen auf dem Grab. Er tat dies im Andenken an seinen älteren Bruder Karl, der im Alter von 17 Jahren 1942/43 im Kessel von Stalingrad einen furchtbaren Tod fand und kein Grab hat. Der Blumenstrauß und das Trauergebinde stammen von Ursula Brekle, deren Vater Wilhelm Slomianka vor Kiew im September 1941 in einer Vorausabteilung sowjetischen Partisanen in die Hände fiel, sein Verbleib blieb ungeklärt.

Das Grab des unbekannten Soldaten wurde auch deshalb so lange gepflegt, weil es Mahnung ist für die Unzahl von jungen Menschen, die in dem verbrecherischen 2. Weltkrieg sinnlos in den Tod getrieben worden sind.

Bildnachweis: Die Bilder stammen aus dem Archiv von W. Brekle.

Weitere Beiträge dieser Rubrik

Kaßberg-Gefängnis
von Henner Kotte
MEHR
Anzeige:
Unsere Website benutzt Cookies. Durch die weitere Nutzung unserer Inhalte stimmen Sie der Verwendung zu. Akzeptieren Weitere Informationen