„Mein Horizont umwölkt sich immer mehr. Ich nehme Dein Anerbieten einer Zuflucht in Ermlitz an; - gieb Auftrag, daß man mich wenn ich ankomme, aufnimmt u. mir ein Zimmer anweist. Leb wohl! Dein Richard W."
So schrieb Richard Wagner in einem Brief vom 06.05.1836 an seinen Freund Guido Theodor Apel (1811-1867), den er aus der Schulzeit an der Nikolaischule kannte. Die beiden waren über Jahre eng befreundet. Gern zog sich Wagner auf das Herrenhaus Ermlitz, dem Sommersitz und zeitweiligem Wohnsitz der Apels, zurück, wenn er wiedermal vor angehäuften Problemen fliehen wollte. 42 Briefe schrieb Wagner in der Zeit von 1832 bis 1836 an seinen Freund. Was jedoch von vielen Wagnerianern diskret verschwiegen wird, oft setzte Wagner seinen Einfaltsreichtum und seine rethorischen Fähigkeiten nur für ein Ziel ein, um Geld von seinem reichen Freund zu „erbetteln". Bekanntlich lebte schon der junge Wagner stets über seine Verhältnisse. Schulden wurden zu notorischen Begleitern des Hochbegabten. Und Theodor Apel half. Im April 1836 machte Apel Wagner mit Felix Mendelssohn Bartholdy bekannt, der ab 1835 Leipziger Gewandhauskapellmeister war und ebenfalls zu den Gästen im Herrenhaus gehörte.
Uns ist Theodor Apel als Stifter der Apel-Steine in Erinnerung geblieben. Ab 1863 ließ er wichtige Orte der Leipziger Völkerschlacht von 1813 kennzeichnen und mit über 44 Gedenksteinen markieren.
Wie viele Persönlichkeiten der bürgerlichen Oberschicht gaben sich die Apels ausgeprägten dichterischen und musikalischen Neigungen hin. Sie verstanden sich als Stifter und Mäzene, die Kunst und Kultur in und um Leipzig förderten. Schon der Ahnherr Dr. Heinrich Friedrich Innozenz Apel (1732-1802) leitete nicht nur als Ratsherr und Bürgermeister die politischen Geschicke der Stadt, er war beispielsweise auch Kurator der Thomas- und Nikolaischule in Leipzig. Im Jahre 1800 stiftete er 2 400 Taler für die Thomasschule und 1802/03 nochmals 1 600 Taler, die Zinsen waren für die Besoldung eines Mathematiklehrers gedacht. Weiter Stiftungen für bedürftige Schüler und Lehrlinge folgten.
Nachweislich seit 1484 war das Rittergut in Ermlitz in Besitz der Familie von Bose, die hinter dem neu erbauten Herrenhaus 1730 einen Park im englischen Stil anlegen ließ. Dazu wurden Wirtschaftshöfe und eine Kirche gebaut. Carl Ludig von Bose hatte um 1700 mit dem Bau des Herrenhauses begonnen. Die Größe und die Ausstattung des Herrenhauses legen nahe, der Bauherr muss vermögend gewesen sein. Sein Sohn Carl Hieronymus von Bose setzte die Bautätigkeit fort. Aber in den Wirren des siebenjährigen Krieges kam der Bau zum Stillstand. Die Familie von Bose geriet in finanzielle Schwierigkeiten und musste das bis dahin landwirtschaftlich genutzte Rittergut mit dem Herrenhaus verkaufen.
Als Käufer fand sich 1771 Dr. Heinrich Friedrich Innozenz Apel ein. Die Familie Apel war ursprünglich mit Seidenhandel vermögend geworden. Der Ahnherr ließ das Herrenhaus nun im barocken Stil ausbauen und ausschmücken, um es als Sommersitz für seine Familie zu nutzen. Die prächtige barocke Fassade des Herrenhauses erinnert an ein barockes Schlösschen. Ebenso zeigen sich die großen Innenräume in barocker Pracht, insbesondere die Stuckdecken. Zum größte Schatz des Hauses sind aber die in Gouache-Technik bemalten Leinwandtapeten avanciert, die früher die barocken Räume der Belle Etage schmückten.
Das Haus und die Innenausstattung überstanden den 2. Weltkrieg ohne Beschädigung. Die Familie Apel wurde 1945 enteignet und vertrieben. Sie hatte keine Möglichkeiten, wertvolles Inventar mitzunehmen. Das Haus wurde in der DDR-Zeit als Kinderheim genutzt. Es gab eine Initiative kunstverständiger Menschen, die dafür sorgten, dass die Leinwandtapeten zum Teil abgenommen und außerhalb gelagert oder aber hinter Wandverkleidungen versteckt wurden.
Erst 2001 konnte der letzte Apel, Gerd-Heinrich Apel, das Herrenhaus mit dem Anwesen zurück kaufen. Er investierte sein Vermögen in eine behutsame, stilvolle und komplette Restaurierung des barocken Kleinodes. Seit 2010 erstrahlt das Herrenhaus im alten Glanz. Die schwierige Restaurierung der wertvollen Leinwandtapeten zieht sich hin. Sie begann unter der Leitung der Hochschule für Bildende Künste in Dresden mit großzügiger Unterstützung der Hermann-Reemtsma-Stiftung in einem Projekt. Im Roten Salon sind die in Gouache-Technik bemalten Leinwandtapeten wieder zu besichtigen. Dieser Raum strahlt eine besondere Atmosphäre aus.
Romantisch ist der alte Park an einem Seitenarm der Weißen Elster, dessen uralte und teilweise seltenen Bäume inzwischen wieder gepflegt werden.
Ganz in der Tradition seiner berühmten Ahnen öffnete der letzte Erbe Gerd-Heinrich Apel, er verstarb 2012, das Herrenhaus der Allgemeinheit. Arnd Mackenthun, Neffe und Erbe des letzten Apel, führt zusammen mit seiner Ehefrau Gabriela die weiteren Geschicke des traditionsreichen Ortes.
Das barocke Herrenhaus des Rittergutes kann auf Anfrage mit Führung besichtigt werden, inclusive kleiner Bewirtung. Neben Ausstellungen finden auch andere kulturelle Veranstaltungen statt, zum Beispiel Konzerte.
Das Herrenhaus ist sicherlich das prachtvollste Gebäude des Ensembles, aber es finden sich weitere Orte, um in einem großen Rahmen Hochzeit zu feiern. Die Räume im Erdgeschoss und im ersten Stock des Herrenhauses können für diesen Zweck gemietet werden.
Ermlitz liegt östlich des Hauptortes Schkopau an der Landstraße 170 und westlich der Stadt Schkeuditz.
Bildnachweis:
Archiv Wolfgngang Brekle: 1, 3, 5 und 6
Wikimedia Commons, gemeinfrei: 2 und 4
Quellen:
http://www.kultur-gut-ermlitz.de/
Gespräch mit Frau Gabriela Mackenthun
Ausstellung im Herrenhaus Ermlitz: Dokumente
Brief Richard Wagners vom 06.05.1936 an seinen Freund Theodor Apel. In: Richard Wagner. Sämtliche Briefe. Hg. im Auftrage der Richard- Wagner-Stiftung Bayreuth von Gertrud Strobel und Werner Wolf, Band I, Briefe der Jahre 1830-1842, VEB Deutscher Verlag für Musik, Leipzig, 1979, S. 262.