„Die Akademiefrage, ob Chemnitz eine Kunststadt sei, versteckt sich hinter einem Fragezeichen. Warum diese ängstliche Bescheidenheit?“, meinte Bernd Jentzsch. Tatsächlich stellt Chemnitz heute Moderne aus und hat sich über Sachsen hinaus als Kunstadresse eingeschrieben. Tatsächlich gründete sich im Jahre 1860, als der Boom des industriellen Fortschritts herrschte, neben den Fabriken die Chemnitzer Kunsthütte, die sich auch im Namen auf Industrie und Zeit bezog. „Als alle Provisorien überwunden werden konnten, zog sie in die Lechlasche Villa in der Annaberger Straße. Ihre Ausstellungen, die in bewundernswerter Vielfalt über die künstlerischen Entwicklungen in ganz Deutschland informierten, setzten Maßstäbe. Nach seiner Vollendung, 1908, hat das König-Albert-Museum, die jetzigen Städtischen Kunstsammlungen, ihre Funktion übernommen.“
Der umsichtigen Ankaufpolitik des Pädagogen und Direktors Friedrich Schreiber-Weigand verdankte Chemnitz viele Werke der Moderne von Schmidt-Rottluff, Heckel, Pechstein, Kokoschka, Lehmbruck, Munch, Dix, Nolde. Szenekenner Schreiber-Weigand holte mit der 4. Grafischen Ausstellung des Deutschen Künstlerbundes 1912 die Avantgarde ins Haus am Chemnitzer Theaterplatz. Ins nationalsozialistische Bild passte der Direktor nicht, er musste 1933 gehen. Aus den Sammlungen verschwanden mehr als 1.000 Werke unwiederbringlich. Bereits am 15. Juni 1945 setzte die Stadtverwaltung Schreiber-Weigand wieder ein in Amt und Würden. Als Direktor der Städtischen Museen Chemnitz sorgte er für Ausstellungsflächen und die Rehabilitierung verfemter Künstler. „Das Museum beherbergt heute etwa 70.000 Objekte des 16. bis 21. Jahrhunderts. So umfasst die Malerei zahlreiche Werke von Caspar David Friedrich, Carl Gustav Carus, Ernst Ludwig Kirchner, Erich Heckel, Lovis Corinth, Edvard Munch und Georg Baselitz.
Im Bestand der Skulpturen befinden sich u. a. Arbeiten von Edgar Degas, Aristide Maillol, Georg Kolbe und Tony Cragg.“ Bereits im Januar 1990 belebte sich die Neue Chemnitzer Kunsthütte. Mit der Neuen Sächsischen Galerie fördert der Verein zeitgenössisches Kunstschaffen in der Beletage des TIETZ.
Ingrid Mössinger machte mit ihrer weitblickenden Kunstpolitik und Sonderausstellungen zu Picasso, Dylan, Munch, Toulouse-Lautrec die Chemnitzer Kunstsammlungen zum Museum des Jahres 2010. „2003 gelang ihr ein Meisterstück: Der Münchner Galerist Alfred Gunzenhauser verschenkte seine mehr als 2.000 Exponate umfassende Sammlung nach Chemnitz. Mitbewerber aus Berlin, Leipzig und München blieben überrumpelt zurück. Mössinger hatte Gunzenhauser ein Angebot gemacht, das er nicht ablehnen konnte: ein eigenes Museum. Das ehemalige Chemnitzer Sparkassengebäude, ein denkmalgeschützter Bau der dreißiger Jahre, wurde saniert und als Museum Gunzenhauser wiedereröffnet.“
Die Chemnitz-Klischees machen die Direktorin wütend: „Immer zeigen sie den Marxkopf, Abrissgebäude und Arbeitslose. Chemnitz ist keine Provinz, davon bin ich überzeugt. Und die Anziehungskraft einer Ausstellung hängt nicht von der Stadtgröße ab. Man kann auch in Berlin erfolglos sein.“ Chemnitz – Stadt der Moderne.
Adressen und Kontakte
Chemnitzer Kunstsammlungen
König-Albert-Museum
Theaterplatz 1
09111 Chemnitz
Tel.: 0371 / 4884424
Museum Gunzenhauser
Stollberger Straße 2
09119 Chemnitz
Tel.: 0371 / 4887024
Neue Sächsische Galerie
Moritzstraße 20
09111 Chemnitz
Tel.: 0371 / 3676680
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Textquelle
Kotte, Henner: Chemnitz: Die 99 besonderen Seiten der Stadt, Halle: Mitteldeutscher Verlag, 2017.
Bildquelle
Vorschaubild: Koenig Albert Museum in Chemnitz, 2005, Urheber: Reinhard aus Sachsen via Wikimedia Commons CC BY-SA 3.0.
Andy Warhol Ausstellung in Chemnitz 2015, Urheber: Wikimedia Commons CC BY-SA 4.0. via