Wer Leipzig im Nordosten mit dem PKW verlässt, auf der B 87, Richtung Torgau, der findet sich nur kurz hinter dem Ortsausgangsschild und dem Abzweig zur A 14 Richtung Magdeburg oder Dresden, also schon relativ schnell, in Taucha wieder, einer in vielerlei Hinsicht bemerkenswerten Kleinstadt, die es freilich vom Bekanntheitsgrad nicht mit der großen und oft übermächtig nahen Nachbarstadt aufnehmen kann. Aber das war nicht immer so – zumindest am Anfang ... So sahen sich beide Städte, das kleine Taucha und das große Leipzig, in ihrer langen Geschichte immer wieder und vielleicht auch öfters, als den Tauchaern lieb sein konnte, miteinander in unterschiedlichster Beziehung verbunden – nicht von ungefähr führt gegenwärtig die lange, 1826-28 als Teil der Verbindung von Leipzig nach Eilenburg neu angelegte Leipziger Straße direkt ins Stadtzentrum. Heute beginnt sie allerdings schon viel früher im Stadtgebiet und verläuft zunächst vorbei an den Bauten eines Wohnviertels, das erst in den 1930er-Jahren entstand – und mittendrin, fast versteckt, eine Schule, die heutige Oberschule mit einer liegenden Löwenfigur am Eingang, die tatsächlich im ersten Jahr des Zweiten Weltkriegs erbaut wurde, sicher eine der nennenswerten Besonderheiten in der Region.
Neben vielen weiteren Besonderheiten – im Stadtzentrum, aber auch anderswo im Stadtgebiet: Schloss, Rathaus, Kirche, Markt, Aussichtsturm, markante Gebäude, Denkmale und Parks, das Sport- und Freizeitzentrum - und nicht zu vergessen die beiden großen Sportvereine, TSG 1861 Taucha e. V. sowie die SG Taucha 1999 e. V. Doch bis ins Stadtzentrum kommt unser Autofahrer nicht ohne Weiteres, wenn er nur der B 87 folgt. Seit den 1970er-Jahren wird nämlich, sicher mehr zur Freude als zum Ärger aller Anwohner, der Lärm des Durchgangsverkehrs nicht mehr durch die heute eher schmale Eilenburger Straße geführt, sondern durch eine Umgehungsstraße vom Zentrum ferngehalten – sie verläuft nicht weit entfernt von der ehemaligen Stadtgrenze des 19. Jahrhunderts. Denn bis in das erste Drittel des vorvorigen Jahrhunderts hatte sich das Städtchen noch nicht über die Parthe ausgebreitet und noch heute bezeichnen dank eines emsigen Heimatvereins und geschichtsinteressierter Verantwortlichen aus der Stadtverwaltung Hinweisschilder die Standorte der beiden 1221 bis 1821 bestehenden Eingangstore aus Richtung Leipzig bzw. - am anderen Ende des damaligen Städtchens - aus Eilenburg. Sie spielten dann auch in der Geschichte immer wieder eine Rolle – südöstlich das Leipziger und nördlich das Eilenburger Tor, neben dem weniger bedeutenden nordöstlichen Dewitzer Tor, dem Grimmaischen Pförtchen im Westen und dem Bader-Tor im Süden, wie es der Stadtplan von 1722 ausweist ...
Das 49 Kilometer lange Flüsschen Parthe, das nördlich bei Bad Lausick entspringt und im Norden des Leipziger Stadtgebiets in die Weiße Elster einmündet, bezeichnete im Süden Tauchas bis ins 19. Jahrhundert die Stadtgrenze; 1934 wurde der Flussverlauf begradigt. Heute ist man stolz, dass es in diesem kleinsten der drei Leipziger Flüsse, neben Pleiße und Weißer Elster, sogar wieder etwa 30 verschiedene Fischarten geben soll. Noch mehr aber sind die geschichtsbewussten Tauchaer stolz auf die mitprägende Bedeutung, die das Flüsschen für das einzigartige Landschaftsschutzgebiet der Tauchaer Endmoränenlandschaft sowie das Städtchen inne hatte und hat – und so beschloss der Heimatverein im März 1998 im Ergebnis eines Wettbewerbs, die steinerne Brunnenfigur der Parthe am Schulplatz, inzwischen Rudolf-Winkelmann-Platz, zu seinem Vereinslogo und Erkennungszeichen zu machen. Der steinerne Zierbrunnen mit der bemerkenswerten nackten jungen Dame, die kniend Wasser aus einer Schale gießt und damit das Fließen der Parthe symbolisiert, entstand aus einer Anregung des damaligen Tauchaer Bürgermeisters von 1897 und wurde mit Mitteln des Sächsischen Kulturfonds, bereitgestellt im September 1918, also noch im Ersten Weltkrieg, errichtet; schon ab Juni 1919 erfreute der neue Brunnen die Tauchaer – und es war eine der wichtigen Aktivitäten des Heimatvereins, den Brunnen 1998/99 umfassend zu restaurieren, nochmals dann 2009. In der eiszeitlichen Parthenauelandschaft und den Parks gibt es noch etwas Außergewöhnliches: Unter dem Schlagwort „Stadt-Land-Kunst“ entstand in der Region mit Leipziger Einwirkung ein ganz besonderer Landschafts-Kunst-Parcours als „Kunst im öffentlichen Raum“ bzw. genauer als „Kunst im Landschaftsraum“, der mit diversen Kunstwerken, Veranstaltungen und Kunstaktionen Interesse für Kunst schaffen soll. Nahe des Verlaufs der Parthe und sogar auch eine Strecke direkt an ihr verläuft seit 2014 auch eine Teilstrecke des Lutherwegs in Sachsen, an dem Wirkungsstätten der Reformation besucht werden können.
Beim großartigen Stadtfest des „Tauchscher“ fällt es auch auswärtigen Besuchern, Mitwirkenden und Ausstellern auf: Die Parthestadt zeichnet sich durch ein vielfältiges und aktives Vereinsleben aus – denn am Stadtfest sind sie irgendwie alle beteiligt. Der besonders rührige Heimatverein Taucha e.V. wurde selbst erst im Januar 1997 von 38 interessierten Bürgerinnen und Bürgern gegründet - in den Räumen des Geschwisters-Scholl-Gymnasiums, der ehemaligen Stadtschule, die in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts erbaut und dann noch mehrfach umgebaut wurde. Ganz im Zeichen seines Logos zeichnet der Verein seit 2000 Bürgerinnen und Bürger, die sich um die Geschichte der Stadt an der Parthe verdient gemacht haben, mit dem „Parthepreis“ aus, der extra dafür gestiftet wurde – als eine Bronzefigur, die von einem Bildhauer aus der Region gefertigt ist. Es ist auch ganz besonders den Protagonisten des späteren Heimatvereins um unter anderem Helmut Köhler und Detlef Porzig zu verdanken, dass im September 1996 die Tradition des „Tauchscher“ mit seinem nicht ganz aufgeklärten Ursprung als regional bedeutsames Stadtfest wiederbelebt wurde. Seitdem ist der „Tauchscher“, inzwischen stets am letzten Wochenende im August gefeiert, wohl d e r jährliche Höhepunkt des Stadtlebens, auch wenn es seit 2007 nicht mehr das jährlich wechselnde Motto gibt. Bisher musste das Fest nur einmal, im Sommer 2002, ausfallen – wegen Hochwasser der Parthe; im selben Jahr wurden umfangreiche Hochwasserschutzmaßnahmen beendet, u. a. ein Neubau der Ufermauer. Nicht vergessen sei die Erwähnung, dass bei dem nun schon traditionellen „Tauchscher“-Festumzug durch die Stadt auf dem Motivwagen des Heimatvereins auch eine nackte junge Dame als leibhaftige Frau Parthe die Augen der Aufmerksamkeit auf sich zieht …
Über Aufmerksamkeit kann auch Nachtwächter Johann Christoph Meissner nicht klagen … - was es aber mit ihm auf sich hat, ist im Teil 2 zu lesen.
Literatur:
- Johann Gottlieb Guth, Geschichte der Stadt Taucha, Taucha 1866
- Stadtverwaltung Taucha, Stadtbilder aus Taucha, Leipzig 1992
- Andreas Tappert, Taucha. Geschichte einer Stadt, hrsg. von der Stadtverwaltung Taucha, Leipzig 1995
- Sigrid Lenk, Taucha. Ein geschichtlicher Überblick, Taucha 1998
- Helmut Köhler, Detlef Porzig, Spaziergang durch Taucha, Taucha 1999
- Thomas Nabert, Im Partheland. Zwischen Leipzig, Taucha und Borsdorf, Leipzig 2002
- Peter Sundermann, Taucha, Erfurt 2007 (viele historische Fotos)
- Detlef Porzig, Chronik von Taucha – nebst Cradefeld, Dewitz, Graßdorf, Merkwitz, Plösitz, Pönitz, Seegeritz und Sehlis, Taucha 2012
- Jürgen Rüstau, Jürgen Ullrich, Mörderisches Taucha. Ein spezieller Stadtrundgang durch die Abgründe der Stadt Taucha, Leipzig 2015
- TAUCHAER STADTANZEIGER, diverse Jahrgänge mit ortsgeschichtlichen Texten von Detlef Porzig und Jürgen Ullrich
Bildnachweis
Abb. Löwendenkmal in Taucha: Wikimedia Commons mit Namensnennung
Abb. Biber in der Parthe: Ursula Drechsel