In der Vernissage am 29.06.2024 im Kentmann-Haus in Torgau eröffnete
Dr. phil. habil. Uwe Niedersen, Vorsitzender des Fördervereins Europa Begegnungen e. V., eine Ausstellung.
Im Mittelpunkt stand das Bild des Urvaters der evangelischen Kirchenmusik Johann Walter, das der Maler Volker Pohlenz nach einer Vorlage geschaffen hat.
Vorher begann die akribische Suche nach der geeigneten Vorlage. Das letzte bekannte Bild des Johann Walter hing im Gymnasium von Torgau, war aber in den Wirren des 1. Weltkrieges verloren gegangen.
"Grundsätzlich war zu fragen, ob der Hofmaler Lucas Cranach außer Personen aus der ernestinischen Obrigkeit...etwa wie die "Wittenberger Reformatoren"...auch Verdienstvolle als Bürgerschaft-Gruppierung berücksichtigte." Und weiter schrieb Dr. Niedersen im Zuge der Nachforschungen im Förderverein Europa Begegnungen e. V. um das Halbfigur-Portrait von Johann Walter: „Es war der Torgauer Gymnasiast Erich Siptitz (E.S.), 1906/1907, der in seiner Portrait-Beschreibung von einer Person sprach mit einem Bauernschädel, wenigen Kopfhaaren und einer „Kurzsichtigkeit“. Und tatsächlich folgte ein einziges Kopfportrait in den abgebildeten Gruppierungen des Cranach-Bildes...dem E.S.-Bericht...Über die Forschungen von Christ Maria Richter zum Gesundheitszustand von J.W. und letztlich dann durch die Bewertung des Fachmediziners der Neurologie, Dr. Köhler, Universitätsklinik Leipzig, konnte eine Person aus der hinteren Gruppe des Bildes herausgefunden werden, die unserer Meinung nach J.W. sein sollte.
Aus den zuvor getroffenen Aussagen ist davon auszugehen, dass das hier beschriebene Gesicht der Person, welche auf dem Cranach-Bild hinter Brück und Melanchthon eingefügt wurde, Johann Walter, dem Urkantor der evangelischen Kirchenmusik zuordenbar ist.“ *
Das Cranach-Gemälde wurde vom Toledo Art Museum, Toledo, Ohio, geliehen. Unabhängig von der Recherche in Torgau kam auch aus Toledo die Bestätigung, der Mann zwischen Brück und Melanchthon ist Johann Walter.
Der im thüringischen Kahla geborene Johann Walter (1496 – 1570) gab 1524, vor 500 Jahren, das erste evangelischen Chorgesangbuch heraus. Als Stadt- und Schulkantor in Torgau schuf er das „Ur- und Vorbild des lutherischen Kantoreiwesens“, das bis in die Gegenwart wirkt. Als Walter 1570 im Alter von 74 Jahren starb, blickte er auf 45 Jahre zurück, die er in Torgau verbracht hatte.
Dr. Niedersen sprach deshalb von der Johann-Walter-Stadt Torgau, die diese berühmte Persönlichkeit mit einer Ausstellung ehrt.
Johannes Kentmann (1518-1574) studierte in Leipzig, Wittenberg, Padua und Bologna, wo er 1549 zum Doktor der Medizin promoviert wurde. Zurück in Sachsen nahm er nach einem kurzen Zwischenspiel in Dresden seinen Wohnsitz in Torgau. Hier wirkte er als Stadtarzt und kurfürstlicher Leibarzt bis zu seinem Tode. Geschäftstüchtig wie er war, konnte er 1566 ein großes repräsentatives Haus erwerben, heute das Kenntmann-Haus Schloßstraße 25. Kentmann forschte zu Fragen der Medizin, Biologie, Botanik und Mineralogie. Er veröffentlichte seine Erkenntnisse. Berühmt geworden ist sein „Kräuterbuch“, das er im Auftrag von Kurfürst August 1563 schrieb und veröffentlichte. Es beschreibt darin etwa 600 Kräuter, die der Torgauer Künstler David Redtel illustrierte. Kurfürst August hatte 1548 in Torgau Anna , Tochter des Königs Christian III. von Dänemark, geheiratet. Schloss Hartenfels war Nebenresidenz, behielt aber symbolische Bedeutung.
Es steht außer Frage, dass Johann Walter und Johannes Kentmann miteinander bekannt waren. Walter ließ sich wegen seiner Augenerkrankung von dem hochgeachteten Kentmann medizinisch betreuen. Es lag also nahe, die Ausstellung mit dem neuen Bildnis von Johann Walter im Kentmann-Haus zu installieren, was Dr. Niederseen und dem Fördervereins Europa Begegnungen e. V. gelang. Der Vorzug der Ausstellung liegt in der Verknüpfung der historischen Ereignisse um die beiden großen Persönlichkeiten.
Quelle
* Dr. Niedersen, Uwe: Ein Bildnis von Johann Walter gefunden. Unveröffentliches Manuskript
Bildnachweis
Kopfbild: Urheber Volker Pohlenz
Abb. 1 Urheber: Dr. Bernd Gross
Schoßstr. 25 Weitergabe unter gleichen Bedingungen 4.0 international
Abb. 2, 3, 5 und 6: Urheberin: Ursula Brekle
Abb. 4 aus Wikimedia, gemeinfrei.