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Von Evchensruh nach Adams Hoffnung

Die sechs Erzählungen sind das Kaleidoskop eines Lebens: von der erinnerten Kindheit, die immer märchenhafte Züge trägt, über die verspielten Dinge der Jugend bis hin zu den harten Auseinandersetzungen im Erwachsenen-Dasein. Das Verschwinden von Glauben und Vertrauen, das Verzweifeln an der Welt, diese metaphorische Obdachlosigkeit (Safranski), sind Teil davon.

Friedrich der Große diktiert einen Liebesbrief

Friedrich der Große diktiert einen Liebesbrief

Verfasser unbekannt

Der König wählte, wie bekannt, seine meisten Leibdiener aus seiner Garde aus. Ein schöner Wuchs, Größe, schöne Gesichtsbildung und Jugend bestimmten seine Wahl. Er erlaubte nicht, dass sie heiraten durften, und so war es natürlich, dass diese jungen Leute bei einem bessern Auskommen sich heimlich Liebste anschafften, welches ihnen auch um so leichter wurde, da bereits viele Bürgermädchen, bei nachmaliger ansehnlicher Versorgung, ihr Glück gemacht hatten. Einer von den vier Kammerhusaren, Namens Deesen, hatte die kleine Kasse, und musste jede Minute des Tages gewärtig sein, gerufen zu werden. Weil nun diese Leute auf einander eifersüchtig waren und sich beim Könige verrieten, so durfte Niemand sein Mädchen auf das Schloss oder nach Sanssouci kommen lassen, und sie schlichen daher, wenn der König zu Bette gegangen war oder im Konzert weilte, in die Stadt. Der König, dem Nichts verborgen blieb, entdeckte auch von Deesen, dass er ein Bürgermädchen in der Stadt unterhielt, und wegen des weiten Weges von Sanssouci nach der Stadt, viele Stunden wegblieb. Eines Tages befahl er ihm, er solle sich an den Schreibtisch setzen, weil er ihm einen Brief zu diktieren habe. Der König ging im Zimmer auf und nieder und diktierte Folgendes:

» Mein Schatz!«

Deesen stutzte und glaubte unrecht gehört zu haben. Der König sah ihn starr an und wiederholte:

» Mein Schatz! Der alte Brummbär, der König, zählt mir jede Stunde nach, die ich bei Dir so reizend zubringe. Damit nun meine künftige Abwesenheit desto kürzer und von dem alten Zänker desto weniger bemerkt und beneidet wird, so miete Dir in der Brandenburger Vorstadt, nahe bei uns, ein Stübchen, wo wir uns mit mehr Bequemlichkeit, als in der Stadt, sehen und herzen können. Ich verbleibe bis in den Tod Dein herzlich treuer

Deesen.«

Hierauf musste er den Brief in des Königs Gegenwart versiegeln, und damit er um so mehr sähe, dass der König alles wisse, diktierte der König auch Namen und Wohnung, und rief gleich einen seiner Läufer herein, der den Brief zum Mädchen brachte.

Der neugierige Malerbursche

 Der König Friedrich II. ließ den Maler ... zu sich rufen, und zeigte demselben ein gemaltes Zimmer, worin Verschiedenes verdorben war, was er verbessern sollte. Eines Morgens, da dieser Maler ganz früh in dem Zimmer arbeitete, und auf die Leiter steigen musste, um oben etwas auszubessern, kam der König ganz leise aus dem Nebenzimmer und stellte sich an die Leiter, um dem Künstler zuzusehen. Da dieser oben fertig war, stieg er Stufe für Stufe herab, und betrachtete nachdenkend, ohne sich umzusehen, das, was er gemacht hatte. Da er von der letzten Stufe der Leiter gestiegen war, immer rückwärts ging, seine Arbeit zu untersuchen, trat auch der König zurück, um ihn nicht zu stören.

Als der Monarch nun bis an das Fenster getrieben war und nicht mehr weiter konnte, trat ihn der Maler auf den Fuß. Dieser glaubte, sein Bursche stehe hinter ihm, wurde ungehalten und sagte: »Du neugieriger Schlingel, wieder hier?« Der König antwortete sogleich »Ja!« Der Maler, der eine fremde Stimme hörte, ward äußerst bestürzt, und bat fußfällig um Verzeihung. Der König lächelte, erkundigte sich nach diesem neugierigen Burschen, und ließ diesen auf seine Kosten reisen. Er wurde ein berühmter Maler.

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