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Mitgelaufen

Christoph Werner

Das Buch „Mitgelaufen“ ist nicht wie andere Bücher über das Leben in der DDR. Hier liegt nicht der Fokus auf Mangelwirtschaft, einer allmächtigen Partei und der Staatssicherheit. Der Autor ist auch kein Opfer des Regimes, dem schreckliches widerfahren ist. Er gehört zu der großen Masse derjenigen, die sich als Rädchen im Mechanismus der DDR-Diktatur gedreht haben. Christoph Werner bricht mit seinem Buch das Schweigen der Mitläufer. Er stellt sich seiner eigenen Vergangenheit und dem Wissen, dass er selbst durch seine Zurückhaltung oder auch lautstarke Zustimmung das alte System lange am Leben erhalten hat. Jahrzehnte nach dem Mauerfall eröffnet er damit vor allem der heranwachsenden Generation, welche die DDR nur noch vom Hörensagen kennt, einen ganz neuen Blickwinkel auf ihre Geschichte.

Ohne Anklage und ohne den Versuch der Rechtfertigung wagt er eine kritische Betrachtung aus dem eigenen Erleben und gewährt Einblicke in eine vergangene Zeit.
Möge der Leser nicht mit dem Zeigefinger auf ihn zeigen, sondern sich fragen, wie oft er heute selbst dem Mainstream folgt oder mutig zu sich selbst und seiner Meinung steht.

Der Engel im Walde

Der Engel im Walde

Prof. Dr. habil. Horst Nalewski

Gertrud Kolmar.
Gertrud Kolmar.

[Vor 130 Jahren] wurde Gertrud Käthe Chodziesner am 10. Dezember 1894 als Tochter eines Rechtsanwaltes in Berlin geboren...1917 erste Veröffentlichung als Gertrud Kolmar (nach dem Ort ihrer Vorfahren) mit Gedichte...1927 Gedicht-Zyklen, Prosa, Dramatisches. Existentielle Erschütterung durch das Jahr 1933; unveröffentlicht Das Wort der Stummen. 1936 Gedicht-Lesungen im Jüdischen Kulturverein, eingeengte Lebensweise im „Judenhaus“. Herbst 1938: Die Frau und die Tiere (nach dem November-Pogrom eingestampft). Seit Sommer 1941 Zwangsarbeit. Deportation am 2. März 1943 nach Auschwitz, dort wahrscheinlich sofort (ohne Aufnahmenachweis) in den als Duschen getarnten Gaskammern ermordet.

Weitere Gedichtbände: Preußische Wappen 1934; Welten 1947; Das lyrische Werk 1955/60; Das Wort der Stummen 1978; Das lyrische Werk 2003/10.

 

 

Horst Nalewski 

Der Engel im Walde

Ich aber traf ihn nachmittags im Wald.
Ein Wunder, das durch Buchenräume ging,
So menschenfern, so steigend die Gestalt,
Daß blaue Luft im Fittich sich verfing;

Das Antlitz schien ein reines, stilles Leid,
Sehr sanft und silbrig rieselte das Haar,
In großen Falten schritt das weiße Kleid.
Er schaffte nichts, er sagte nichts; er war.

Und nichts an ihm, was schreckte, was verbot,
Und dennoch: keines Sterbens Weggenoß,
Daß meine Lippe, ob auch unbedroht,
Erstaunten Ruf, die Frage stumm verschloß.

Ein Blatt entwehte an sein Gürtelband,
Vergilbt und schon ein wenig krausgerollt;
Er fing und trug es in der schmalen Hand
Wie ein Geschenk aus Bronze und aus Gold.

Wer sah ihm zu? Das Eichhorn, rot am Ast,
Und Rehe, die das Buschwerk schnell verlor.
Und Erlen wanden schon im Abendglast
Wie schwarze Schlangen züngelnd sich empor.

Er regte kaum die dünne Blätterschicht
Mit weichem Fuß. Er hatte ewig Zeit
Und zog: wohin? In Stadt und Dörfer nicht;
Er wallte außer aller Wirklichkeit.

Nicht unsre Not, nicht unser armes Glück,
Nur keusche Ruhe barg sein Schwingenpaar
Ich folgte nach und stand und blieb zurück.
Er brachte nichts, er sagte nichts: er war.

Quelle

Poesiealbum 315. Märkischer Verlag, Wilhelmshorst 2014

Bildnachweis

Fra Angelico (etwa 1395–1455)

Verkündigung an Maria, Altarretabel mit 5 Predellatafeln aus dem Marienleben

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