Das Personal des Postamts Schwarzenberg
Infolge der nahezu ständigen wirtschaftlichen Aufwärtsbewegung im Deutschen Kaiserreich war das Postaufkommmen stark angestiegen. Die Postverwaltung begegnete dem mit verschiedenen Vereinfachungen im Postbetrieb. So ent?elen z.B. 1908 die Ankunftsstempel auf Postkarten und 1909 auch auf Briefen mit Ausnahme von Einschreib- und Wertsendungen. Trotzdem machte sich eine Zunahme des Personals erforderlich, wie es die Tabelle ?ir unser Postamt zeigt.
Tabelle : Das Personal des Postamts Schwarzenberg (ohne Posthalterei)
1872 nbsp; 1900 1914
Beamte (Leiter, Schalter, Innendienst) 5 8 12
Briefträger (Zusteller) 4 7 10
weitere Unterbeamte und Hilfskräfte 6 4 8
dazu in unterstellten Postagenturen - 4 5
Die Arbeitszeit war gestaffelt nach der Intensität der ausgeführten Arbeiten. Sie betrug für die Beamten 48 bis 54, in Ausnahmefällen bis 60 Stunden pro Woche und durfte 10 Stunden an einem Tag nicht überschreiten. Für Beamtinnen galten 42 bis 48 Stunden, im Fernsprechdienst durchschnittlich 7 Stunden pro Tag. Für Unterbeamte, z.B. Landbriefträger oder Packgehilfen waren wöchentliche Arbeitszeiten von 60 bis 69 Stunden vorgesehen, da in ihren Tätigkeiten auch ruhigere Zeiten bzw. kurze Pausen auftraten. Sämtliche Mitarbeiter hatten Anspruch auf ausreichende Pausen für die Mahlzeiten. Ein Problem bildete die Sonntagsruhe, da der Postverkehr am Wochenende weiterlief. Bereits seit 1881 mussten sämtliche Zustellungen an Sonn- und Feiertagen spätestens 13 Uhr beendet sein. Ab 1906 hatten alle Mitarbeiter der Post jede zweite Woche Anspruch auf einen freien Sonntag. Deshalb wurden in Schwarzenberg die Sonntagszustellungen von zwei auf eine reduziert und im Landbereich außerdem einige abseits gelegene Wohngebäude sonntags von der Zustellung ausgenommen, damit einer der beiden Landbriefträger an diesem Tag beide Touren in der vorgegebenen Zeit schaffte. Generalpostmeister Heinrich von Stephan engagierte sich stets ?ir soziale Maßnahmen zugunsten der Mitarbeiter des Postwesens. Erstmalig in Deutschland erhielten ab 1875 alle planmäßig angestellten Beamten zwei Wochen bezahlten Jahresurlaub, die nicht planmäßigen sowie die Unterbeamten eine Woche. Ab 1903 erhöhte sich der Jahresurlaub auf 3 bzw. 2 Wochen. Mit all diesen Festlegungen sorgte der Staat für seine Mitarbeiter, die dadurch im allgemeinen unter besseren Bedingungen arbeiteten als sie damals in der privaten Wirtschaft üblich waren. Selbstverständlich erwartete er entsprechende Loyalität und Einsatzbereitschaft.
Anfang August 1920 erhielt das Postamt Schwarzenberg drei l4-sitzige VOMAG-Busse mit glatter Vollgummibereifung und Kurbelanlasser. Dazu wurden drei Kraftfahrer eingestellt. Am 9. August 1920 konnte die seit langem geplante Strecke Schwarzenberg-Grünhain eröffnet werden. Diese Querverbindung zwischen den Bahnlinien Aue-Annaberg und Zwönitz-Scheibenberg war bisher schmerzlich vermisst worden. Die Bevölkerung von Beierfeld begrüßte den ersten Bus voller Begeisterung, schmückte ihn bei seinem Halt am Gemeindeamt mit Girlanden und der Bürgerrneister hielt eine kurze Ansprache. Die Busse verkehrten zunächst werktags siebenmal und sonntags dreimal. Eine Fahrt von Grünhain wurde über Schwarzenberg bis Aue und zurück durchgeführt.
Allerdings waren die Busse teils aus Altmaterial hergestellt und ziemlich störanfallig. Auch fehlte es noch an gut geschultem Personal für Wartung und Reparatur. Doch bald richtete sich alles ein. Obwohl die Busse mit ihren Vollgummireifen und relativ bescheidener Motorleistung nicht schneller als 15 bis maximal 20 km/h fuhren, erfreuten sie sich zunehmender Beliebtheit. Die Einrichtung der Strecke nach Aue, bisher nur ein „Anhängsel" der Grünhainer, erfreute sich regen Zuspruchs, da die Haltestellen wesentlich günstiger lagen als bei der Bahn. Sie wurde daher ab 15. Mai 1928 als selbständige Linie RP 168 betrieben. Zunächst führten die Busse täglich zwei bis drei Fahrtenpaare aus, doch bald genügte das nicht mehr. 1930 erfolgten die Fahrten schließlich tagsüber im Abstand von einer Stunde, mitunter gar nur 40 Minuten. Auf der Strecke waren den ganzen Tag über zwei Fahrzeuge im Einsatz. Die schweren Büssing-Dreiachser, für 75 Personen und 1250 kg Dachlast zugelassen, waren ständig besetzt, ja überbesetzt. So konnte der Fahrpreis für die gesamte Strecke vom Postamt Aue bis zum Markt in Schwarzenberg von ursprünglich 0,85 RM für die einfache und 1,50 RM für die Rückfahrkarte auf 0,50 bzw. 0,85 RM herabgesetzt werden. Es war trotzdem die rentabelste Strecke in der OPD Chemnitz. Im Berufsverkehr mussten zusätzliche Verstärkungswagen eingesetzt werden. Auch wenn in Aue Jahrmarkt oder in Lauter Kirmes war, wurde ein zweiter Bus benötigt.
l928 besaß das Postamt Schwarzenberg 8 Autobusse, zwei Jahre später bereits l3. Nach Modernisierung des Bestandes waren von 1934 bis 1939 hier l2 Busse vorhanden, von denen 9 in Schwarzenberg, zwei in Rittersgrün und einer in Grühnhain untergestellt waren. Zum Bestand gehörten allein acht große Dreiachser mit etwa 45 bis 50 Sitzplätzen. Diese befuhren die Strecken nach Aue, Grühnhain, Rittersgrün und Karlsbad. Die kleinen Busse verkehrten nach Stollberg, Geyer und Jägerhaus. Vor allem bei Reparaturen wirkte sich in Schwarzenberg nachteilig aus, dass zunächst Fahrzeuge unterschiedlichster Firmen und Typen vorhanden waren. Deshalb wurden nach 1928 neben zwei großen Mercedes nur noch Fahrzeuge der Plauener VOMAG-Werke eingestellt.
Das Postamt Schwarzenberg erwarb um 1930 zusätzlich einen ,,Aussichtswagen«, der für Sonderfahrten nach beliebten Ausflugszielen im Erzgebirge und in Nordböhmen Verwendung fand.
Diese fanden mittwochs und sonntags statt. Ganztagsfahrten führten u.a. nach Bad Elster, Augustusburg, Chemnitz, Karlsbad sowie über Joachimsthal zum Plessberg, Halbtagsfahrten zum Fichtelberg/Bärenstein oder Keilberg/ Gottesgab. Bei entsprechendem Wetter verkehrte der Bus zu den Strandbädern Filzteich, Brunn bei Auerbach/V. und Tüppelsgrün bei Kar1sbad. Die Fahrpreise betrugen zwischen 4 und 8 RM.
Ab 1928 wurden auf den stärker frequentierten strecken Schaffner eingesetzt. Bald kassierten die Fahrer nur noch bei einigen kleinen Bussen selbst. Als Kuriosum sei vermerkt, dass bis 1924 die Fahrscheine vom Fahrer handschriftlich mit Kontrolldurchschrift ausgefertigt worden sind.
Die Fahrpreise richteten sich nach der Auslastung der Busse. Das Maximum von 8 Pfg./km galt auf Dauer nur für die Teilstrecke Grünhain-Stol1berg. Für Geyer wurde zunächst 8, später 6 Pfg. für die anderen Strecken meist nur 5 Pfg. angesetzt. Es gab zahlreiche Ermäßigungen, z.B. Kinder bis l0 Jahre 50%, Arbeiterwochenkarten 50%, Schülermonatskarten bis 75%.
Die Postomnibusse besaßen alle neben der vorderen Tür einen Briefkasten. Die eingeworfenen Briefe übergab der Fahrer am Ende der Fahrt dem jeweiligen Postamt zur Weiterleitung. Die Busse beförderten auch eine Art Expressgut zum üblichen Gepäcktarif (30 Pfg.): Kisten, Körbe und andere Gegenstände konnten dem Schaffner an einer Haltestelle übergeben und mussten an der Bestimmungshaltestelle von einer Person am Bus abgeholt werden. Diese sog. „Poststücke" wurden zusammen mit großem Gepäck der Reisenden, selbst Fahrrädern, sowie dem von Postamt zu Postamt beförderten „Postgut" auf dem Dach transportiert. Grundlage der Zuverlässigkeit und Beliebtheit des Postautobusverkehrs war nicht nur das hö?iche und disziplinierte fahrende Personal (Busfahrer war eine Beamtenstelle), sondern auch die zweischichtig (ca. 5 bis 22 Uhr) besetzte Werkstatt mit ständig einsatzbereitem Reservewagen.
Tabelle: Anzahl der beförderten Personen in Tausend
Jahr 1920 1929 1930 1932 1934 1937 1939
Personen 60,9 947,6 1005‚2 743,8 820,2 1137,0 1730,0
Der Bertuch Verlag dankt Herrn Friedrich H. Hofmann für die Bereitstellung der Fotos in diesem Artikel, die alle aus seiner Sammlung stammen.
Die Broschüre (134 Seiten mit über 120 Abblildungen) kann beim Autor zum Preis von 9,80 € + 1,70 € Versandkosten bezogen werden: Friedrich H. Hofmann, Bärenackerweg 25, 08340 Schwarzenberg.