Abschrift einer Anfrage des Erbrichters Lichtenberger an das Landratsamt Torgau vom 31. August 1846
„An das Königliche Wohllöbliche Landkreisamt zu Torgau"
Den hiesigen Häuslern und Hausgenossen liegt nach Ortsgebrauch die Verpflichtung, ob in GemeindeangeIegenheiten der Reihe nach Handlangerdienste und Botengänge unentgeltlich zu verrichten, während die Hüfner in gleicher Weise die nötigen Spanndienste tun. Bei der wachsenden Anzahl der Häusler und Hausgenossen wird in 2 bis 3 Jahren jeder derselben höchstens zwei mal zu einem solchen Botengang aufgefordert, es kann sich also niemand über das zu oft vorkommen von dergleichen Gängen beschweren. Dennoch weigerte sich der hiesige Häusler und Stellmacher Gottfried Mehnert, als er Sonntags am 24. d. Mts. zu einem Weg nach Schildau aufgefordert wurde, diesen Gang zu tun, obgleich er ganz füglich seinen ca. 16-jährigen Sohn schicken konnte, weil Sonntag wäre. Doch könnte der Weg nicht aufgeschoben werden, indem der Mehnert in Schildau zur Bereitung von Girlanden für Ausschmückung des Dorfes zu der nahe bevorstehenden Durchreise Sn. Majestät des Königs, Bindfaden holen sollte, es wurde demnach der Häusler Schöne angelegt, der dann auch diesen Gang getan hat.
Tags darauf wurde derselbe H. Mehnert nach Torgau geschickt, um von dort 2 erneuerte Ortstafeln, die nach Vorschrift am Eingange ins Dorf stehen sollen, abzuholen. Bereits nach Vormittags war der Mehnert hier weggegangen, hatte die Tafeln Nachmittags 4 Uhr vom Maler Könitz erhalten und war mit den Tafeln durchs Leipziger Tor gegangen, ist aber nach einiger Zeit mit denselben wieder durch das nemliche Tor zurückgekehrt, nach Aussage des dortigen Torwärters. Da nun am Dienstag, dem 26. Mai Morgens der Mehnert mit den Tafeln noch nicht wieder eingetroffen, so sah ich mich genötigt, einen zweiten Boten von hier danach wegzuschicken, dies war der hiesige Hausgenosse Giesel.
Selbiger ging von hier früh kurz nach Sechs weg bis nach Torgau, erfuhr daselbst beim Seiler Ebermann, daß Mehnert gestern die Tafeln an Kührig aus Audenhain ohne weitere Bestellung abgegeben, und ging nun von Torgau nach Audenhain, wo er dann endlich bei dem genannten Kührig die Tafeln erhielt, so daß solche noch vor Ankunft Sn. Majestät, des Königs angehängt werden konnten.
Ich habe mich genötigt gesehen, vorstehenden Fall Ew. Hochgeboren ganz im Detail zur Kenntnis zu bringen, weil der H. Mehnert nicht etwa aus Unvermögen oder aus Nachlässigkeit, sondern rein aus böswilliger Absicht das Versäumnis bei Überbringung der Tafeln herbeigeführt hat, mehrere derselben haben das mir bewiesen, und er ist auch bis zu dieser Stunde nicht bei mir gewesen, um mir nur im Geringsten eine Antwort in Bezug auf die Erledigung seines Auftrages zu überbringen, obgleich ich ihm die schnelle Überbringung der Tafeln dringend anempfohlen, und daraus recht gut wußte, was davon abhing. Demnach ersuche ich Ew. Hochgeboren, den Gottfried Mehnert
1) wegen ungehorsamer Weigerung, am 24. Mai nach Schildau zu gehen,
2) wegen ganz unbefugte Unterlassung der ihm anvertrauten Ortstafeln (Gemeindeeigentum) an einen dritten ohne alle Bestellung zu weiteren Besorgung mit mehrtägigem Gefängnis zu bestrafen, und denselben aber die verursachte Verzögerung namentlich, warum er mit den Tafeln wieder um, und nach Torgau zurückgekehrt ist, genötigt vornehmen zu lassen zu wollen. Da der Gottfried Mehnert und zwar leider durch eigene Schuld, sehr arm geworden ist, so erbiete ich mich, während der von ihm abzubüßenden Gefängnisstrafe seiner Frau Unterhalt zu geben, indem mir (täglich) damit unten im Dorfe hiermit ein Beispiel gegeben werde, an der Bestrafung diesen (Bescheid) gelegen ist. Übrigens habe ich dem Giesel wegen Fahrbereitwilligkeit und auf außerordentlich schneller Herbeischaffung der Tafeln seinen Weg mit 20 Sgr. vergütet, und frage hierdurch ergebenst an, ob ich diese Ausgabe der Gemeindekasse überweisen darf.
gez. Lichtenberger, Erbrichter."
In diesem Schreiben, was einen Tathergang zur Beschaffung von Schmuckmaterial zur Ausschmückung des Ortes schildert, erfährt man so ganz nebenbei, dass gegen Ende Mai 1846 Sn. Majestät, der König Friedrich Wilhelm IV. offiziell durch Mockrehna kam, wo ihn ein geschmücktes Dorf und zahlreiche seiner Untertanen willkommen hießen. König Friedrich Wilhelm IV. inspizierte am 25.5.1846 in Begleitung seines Bruders dem Prinzen Karl von Preußen das Gestüt Graditz, die Garnison und die Schloßkapelle, bevor er am 26.5. nach Halle weiter fuhr, wo er auch durch Mockrehna kam. Die Schloßkapelle fand er in solch einem katastrophalen Zustand, dass er sich veranlasst sah, diese laut Befehl schnellstmöglich wieder herrichten zu lassen. Friedrich Wilhelm IV. musste zwei Jahre später, nach der Revolution von 1848, seinen Hut vor den Berliner Bürgern ziehen. Er war der Bruder des späteren Kaisers Wilhelm I.