Dieser bekannte Gedenktag aus dem 2. Weltkrieg wird jedes Jahr in Erinnerung an die erste Begegnung amerikanischer Soldaten mit sowjetischen Soldaten auf deutschem Boden in Torgau gefeiert. Gezeigt wird das offizielle Foto der Begegnung „East meets West" oder auch „Der Handschlag von Torgau" auf der Elbbrücke vom 27. April 1945. Es reichen sich Leutnant Robertson und Leutnant Silwaschko die Hände. Das war eine reine Inzenierung für die Fotografen und für die Weltöffentlichkeit. Historisch stimmt davon gar nichts: weder der Ort, noch das Datum, noch die handelnden Personen.
Nun, da gab es handfeste politische Gründe.
Wie sehen die historisch belegbaren Fakten aus?
First Lieutenant Albert Kotzebue wurde am 24.04.1945 im Stab des amerikanischen 273. Infanterieregiment in Trebsen (an der Mulde) beauftragt, sofort einen Aufklärungstrupp zusammenzustellen, um die vermutet nahen sowjetischen Truppen zu suchen. Er verließ mit 27 Soldaten auf sieben Jeeps den Standort und fuhr auf einer kleinen Verbindungsstraße nach Burkhardtshain und später nach Kühren. In beiden Orten stöberte der Aufklärungstrupp deutsche Soldaten auf, die sich sofort ergaben. Dann erhielt Kotzebue über Funk den Befehl, die Suche auf 5 Meilen (= 8,05 km) auszuweiten. Er nahm nur zwei Jeeps auf seine Erkundungstour nach Luppa mit. Unterwegs gerieten sie in eine heftige Verfolgungsjagd auf einen flüchtenden deutschen Offizier und landeten unbeabsichtigt in Dahlen. Von dort war es nicht weit zur Elbe, wo sowjetische Truppen zu vermuten waren. Aber die Nacht brach herein und der Trupp kehrte um, um in Kühren zu übernachten. Am Morgen des 25.04.1945 brach der Auflärungstrupp wieder auf - diesmal ohne direkten Befehl.
Sie waren ehrgeizig und wollten die Ersten sein, die die sowjetischen Truppen trafen. Gegen 11.00 Uhr passierten sie das Dorf Clanzschwitz, fuhren weiter in Richtung Elbe nach Strehla. Hier überquerte First Lieutenant Albert Kotzebue in der Mittagszeit mit einigen Männern in einem Boot die Elbe, unter ihnen der Soldat Joe Polowsky, der sich später hartnäckig für eine bessere Verständigung der USA mit der UdSSR einsetzte und sich als Friedensaktivist einen Namen machte. Die Kotzebue-Patrouille sah sich auf den Elbwiesen von Lorenzkirch inmitten einer gespenstigen Kulisse: 200 bis 300 tote Zivilisten, Tierkadaver und zerschossene Fuhrwerke bedeckten das Leichenfeld, so haben es Augenzeugen beschrieben. Die amerikanischen Soldaten waren erschüttert. Sie benutzten später die Vokabel „slaughter", übersetzt Massaker, als sie die Szenerie beschrieben. Der Torgauer Heimatforscher Uwe Niedersenden schrieb, der Ort sei voller deutscher Flüchtlinge gewesen. Da die Wehrmacht lange eine Pontonbrücke zwischen Strehla und Lorenzkirch verteidigte, die schließlich gesprengt wurde, beschossen die Rotarmisten mit schwerer Artillerie den Ort, auch noch als die Wehrmacht diesen schon verlassen hatte.
Hier trafen der First Lieutenant Albert Kotzebue mit seinen Soldaten den russischen Oberstleutnant Alexander Gordejew, Kommandeur der Vorausabteilung des sowjetischen 175. Garde-Schützen-Regiments, der umgehend seinem Stab Meldung machte. Polit-Kommissar Karpowitsch brach das Treffen sofort ab und schickte die Amerikaner zurück über die Elbe. Dieser Ort war, darauf einigten sich die Alliierten, für die geschichtsträchtige Begegnung und für wirkungsvolle Bilder denkbar ungeeignet. Deshalb wurde das Treffen nicht protokolliert und nichts darüber veröffentlicht. Schuldzuweisungungen für die vielen getöteten Zivilisten kurz vor Kriegsende wären nicht ausgeblieben, wenn Bilder in die Welt gegangen wären.
Karpowitsch arrangierte ein zweites Treffen am 25.05.1945 um 13.30 Uhr in Kreinitz bei Strehla.
Die Kotzebue-Patrouille, jetzt in 36-Mann-Stärke, und Oberstleutnant Alexander Gordejew trafen sich nun offiziell mit dem Segen der Roten Armee. Später zogen sie weiter nach Burxdorf, um den Stab des 165. Garde-Schützen-Regiments der Roten Armee zu besuchen. Dieses Treffen wurde protokolliert und als 1. Treffen der Alliierten angezeigt. Der Kriegsberichterstatter Alexander Ustinow musste erst aus Moskau eingeflogen werden. Deshalb wurde das Zusammentreffen erst am nächsten Tag mit den wirklichen Protagonisten nachgestellt und die Fotos aufgenommen, die im Artikel gezeigt werden. Zeitzeugen berichten von Verbrüderungen der Amerikaner mit den Russen. Sie mündeten in einem ausgiebigen Wodka-Gelage, das erst am nächsten Tag endete. Man tauschte Feuerzeuge, Tabakbeutel und Uniformknöpfe. Mit dem US-Major Frederick W. Craig und dem sowjetischen General Wladimir Rusakow nahmen an dieser zweiten Begegnung auch die ersten höheren Dienstgrade beider Armeen teil. Die Wahrheit blieb lange ein Tabu.
Als in Kreinitz schon gefeiert wurde, traf gegen 16 Uhr zwanzig Kilometer elbabwärts in Torgau eine zweite US-Patrouille unter Führung von William Robertson ein. Diese wurde von Sowjetsoldaten freudig begrüßt. William Robertson und Leutnant Alexander Silwaschko umarmten sich auf der zerstörten Elbbrücke. Ein Foto existiert, das heute noch sehr bekannt ist.
Am 26. April trafen sich ranghohe Kommandeure der 69. US-Infanterie-Division und der sowjetischen 58. Garde-Division in Torgau. Am Abend dieses Tages wurden gleichlautende Presseerklärungen der Regierungen in Moskau, London und Washington herausgegeben, die an die Weltpresse gingen. Verantwortliche für Propaganda in beiden Armeen planten gemeinsam die Vorbereitung auf den symbolischen „Handschlag von Torgau". Die medienwirksamen Szenen wurden erst am 27. April 1945 von Fotografen und von dem amerikanischen Specail Film Team 186 aufgenommen. Hier reichten sich Robertson und Silwaschko noch einmal auf der zerstörten Elbbrücke die Hand. Hier entstanden auch die Filmaufnahmen der Feiern an diesem Ort.
Eine gute und eindrucksvolle Inszenierung - mit einem Makel, sie entsprach nicht den historischen Fakten.
Der Welt aber wurde signalisiert, der Kreis ist geschlossen, das Kriegsende ist greifbar nahe.
Die Erlebnisse an der Elbe prägten den jungen Joe Polowsky nachhaltig. Nach seiner Rückkehr in seine Heimatstadt Chicago 1946, kämpfte er darum, den 25. April zum Weltfriedenstag erklären zu lassen. Er wandte sich zusammen mit Mitstreitern an die Vereinten Nationen. Vergeblich. In den nächsten Jahren stellte er sich am 25. April zum Gedenken an den «Elbe-Day 1945» auf die Michigan-Avenue-Bridge in Chicago und hielt eine Mahnwache. Wegen «unamerikanischer Umtriebe» wurde er in den USA zeitweise verfolgt. Seine Friedensbemühungen wurden sowohl in der DDR als auch in der Sowjetunion vor allem in der Regierungszeit von Nikita Chrutschow anerkannt. Es folgten Besuche im Kreml und beim damaligen Staatsoberhaupt der DDR, Walter Ulbricht, er nahm auch am Elbe-Day in Torgau teil. In den 60er Jahren erhielt er keine Einreise mehr nach Torgau bzw. in die DDR, ab 1965 gar nicht mehr, obwohl er sehr bemüht war. Auch zum 30. Jahrestag der Begegnung an der Elbe wurde sein Antrag abgelehnt. Joe Polowsky verfügte testamentarisch, er litt an Darmkrebs und wußte, dass er sterben würde, auf dem Evangelischen Friedhof in Torgau beerdigt zu werden. Er starb am 18. Oktober 1983. Erich Honnecker persönlich erteilte die Genehmigung - damals eine ungewöhnliche Ausnahme. Jeweils drei sowjetische und amerikanische Kriegsveteranen senkten am 26. November 1983 den silbergrauen, von einer US-amerikanischen Flagge bedeckten Sarg in sein Grab.
1984 erfolgte die Einweihung eines Gedenksteins am Grab Polowskys.
In den USA erhielt er nach seinem Tod eine späte, aber verdiente Anerkennung.
Denkmale zum 25. April 1945 finden sich an vielen bedeutenden Orten: an der Abfahrt der Fähre in Strehla, vor dem Friedhof in Lorenzkirch, am Elbufer in Kreinitz und natürlich in Torgau. Auch die Amerikaner haben auf dem Nationalfriedhof bei Arlington in der Nähe von Washington D. C. diesem Ereignis einen Gedenkstein gewidmet.
Zum 75. Jahrestag des historischen Ereignisses fanden die Feiern in Torgau infolge der Corona-Krise nur im eingeschränkten Rahmen statt.
Bildnachweis
Bilder 1,2 und 4 sind Wikimedia Commons entnommen, sie sind gemeinfrei. Der Fotofraf war der Kriegsberichterstatter von der Prawda Alexander Ustinow.
Bild 3 ist ebenfalls aus Wikimedia Commons entnommen. Der Fotograf Michael Gäbler ist genannt.
Bild 5 ist ebenfalls aus Wikimedia Commons entnommen, es ist gemeinfrei.
Bilder 6 und 7 sind von W. Brekle fotografiert.
Quellen
History of 273rd Infantry Regiment bei 69th-infantry-division.com (engl.)
April 1945 in Lorenzkirch - 1. Treffen zwischen Russen und Amerikanern. In: Der Heimatbote - Ausflüge in Kultur und Geschichte zwischen Elbe und Mulde. Heft 14. Verlags-, Werbe- und Phila-Service Robert Schmidt. Oschatz.
Niedersen, Uwe (Hrsg.): Soldaten an der Elbe. US-Armee, Wehrmacht, Rote Armee und Zivilisten am Ende des Zweiten Weltkrieges. Sächsische Landeszentrale für politische Bildung. Dresden/Torgau 2008.
Schöne, Heinz: Das Jahr 1945 in Lorenzkirch und Umgebung. Riesa o. J.
Knopp, Guido: Die großen Fotos des Jahrhunderts; Bilder, die Geschichte machten, C. Bertelsmann, München 1994
http://de.wikipedia.org/wiki/Elbe_Day