„Es brennt, o heiliger Florian, heute allen Orts und Enden:
Du allein bist der rechte Mann, solch Unglück abzuwenden."
(Verfasser unbekannt)
Vielleicht sollte ich erklären, wie ich zu diesem für einen Pfarrer etwas ungewöhnlichen Hobby kam.
Der Beruf des Pfarrers ist ja nicht gerade mit viel sportlicher Bewegung und körperlicher Belastung verbunden, so brachte ich mit den Jahren mehr Pfunde auf die Waage, als mir lieb sein konnte. Dagegen musste ich etwas tun. Joggen war zu der Zeit noch nicht in Mode gekommen. Fußballspielen, was manche meiner Kollegen mit Leidenschaft betrieben, war nicht so mein Ding.Fitnessstudios gab es in der hiesigen Kleinstadt nicht. Ich verspürte auch wenig Lust, auf einem sich nicht bewegenden Fahrrad sitzend, kräftig in die Pedalen zu treten. Und so kam mir die Idee, bei der Freiwilligen Feuerwehr könnte man doch körperlichen Einsatz mit der Hilfe für Menschen verbinden. Mein Chef war von dieser Idee nicht sonderlich erbaut. Er warnte vor Gewissenskonflikten und äußerte auch sonst mancherlei Einwände.
Die Gemeindeglieder schüttelten den Kopf. Der Pfarrer bei der Feuerwehr - das hat es bislang noch nicht gegeben.
Schwerer als Superintendent und Kirchgemeinde taten sich die für die Freiwillige Feuerwehr zuständigen Genossen im Rathaus der Stadt und beim Rat des Kreises. Auf meinen Aufnahmeantrag erfolgte längere Zeit keine Reaktion. Das wunderte mich schon, denn eigentlich suchte die FFW händeringend neue Mitglieder. Ich blieb aber hartnäckig und brachte mich immer wieder in Erinnerung.
Später erzählte man mir, dass mein Antrag, Mitglied der Feuerwehr zu werden, den Verantwortlichen große Bauchschmerzen bereitet habe. Keiner wollte die Verantwortung für die entsprechende Genehmigung übernehmen. Immerhin galten Pfarrer zu der Zeit als potentielle Staatsfeinde.
Schließlich fasste sich der Chef der Abteilung Feuerwehr beim Rat des Kreises ein Herz und entschied:lasst doch den Pfarrer (probehalber) in die Feuerwehr.
Viele Feuerwehrmänner erzählen wie alte Seefahrer gerne Geschichten. Man hört ihnen mit Vergnügen und fasziniert zu, auch wenn manchmal der leise Verdacht aufkommt, dass in ihren Erzählungen - ähnlich wie beim Seemannsgarn - mehr Dichtung denn Wahrheit enthalten ist.
Ich möchte nun ein paar Erlebnisse aus meiner Zeit als Feuerwehrmann schildern, die samt und sonders so geschehen sind und von mir nicht mit dichterischer Freiheit bearbeitet wurden.
Die Feuerwehrleute vor Ort gewöhnten sich verhältnismäßig rasch an den neuen „heiligen" Kameraden. Ausnahmen wurden seinetwegen nicht gemacht. Er wurde wie andere angefahren, weil die „Brücken" seiner Einsatzstiefel nicht ordnungsgemäß geputzt und eingefettet waren (Brücken nannte man den Teil des Stiefels zwischen Sohle und Absatz).
Ich war noch nicht lange Mitglied der Wehr, da sprach mich der „Rich" (Richard), ein langgedienter Feuerwehrmann und Genosse, an und meinte: Er habe mich vor ein paar Tagen bei einer Beerdigung gesehen, da hätte ich nur den schwarzen Kittel, aber keine Kopfbedeckung getragen. Wie denn das käme. Ich erklärte ihm, dass ich das sog. Barett entsetzlich finde und ablehne, es zu tragen. Darauf der „Rich": „Das kannst Du nicht machen, die Kopfbedeckung gehört zur Uniform!" So hatte ich die Sache bisher noch gar nicht betrachtet.
Jeder Feuerwehrmann war versessen darauf, bei Alarm mit unter den Ersten zu sein, die am Depot eintrafen. Aus diesem Grunde ließ man bereits beim 1. Ton der Sirene (später des Funkgerätes) alles stehen und liegen und rannte los. An einem Sonntagnachmittag saß ich mit meiner Frau in der Milchbar beim Eis, als die Sirene zu heulen begann. Ich rannte sofort los, ohne daran zu denken, dass ich das Portemonnaie einstecken hatte. Meine Frau konnte nicht bezahlen. Es war ihr ungemein peinlich, der Bedienung erklären zu müssen, dass sie die Rechnung im Moment nicht begleichen kann. Um Zeit zu sparen, griff man sich seine Ausrüstung (Helm, Kombination, Hakengurt, Stiefel) und zog sich, wenn das Feuer nicht gerade um die Ecke war, während der Fahrt im Löschfahrzeug um.
Wenn sich acht aufgeregte, auf das Löschen erpichte Männer in aller Hektik zu Feuerwehrmännern umkleideten, blieben Pech und Pannen manchmal nicht aus. So geschah es eines Tages, dass bei einer scharfen Linkskurve eine Tür der Mannschaftskabine aufsprang und alle auf dem Boden liegenden Utensilien (Schuhe, Taschen, Schutzhandschuhe und ähnliches) auf die Straße flogen. Das Fahrzeug (Blaulicht und Martinshorn in voller Aktion) stoppte, und unter dem Gel&aauml;chter der Passanten sammelten acht Florianjünger ihre sieben Sachen wieder ein.
Ein anderes Mal wurde bei solch einer Umziehaktion im fahrenden Feuerwehrauto aus irgendwelchen Gründen der in der Kabine befindliche Schaumlöscher in Betrieb gesetzt. Keiner konnte während der Fahrt dem zischenden und Schaum speienden Gerät ausweichen. Als der Maschinist endlich stoppte, entstiegen dem Fahrzeug zur großen Verwunderung der Leute auf der Straße nicht neun Feuerwehrmänner, sondern neun Schneemänner.
Aber nur wenige Einsätze waren so spaßig. Es gab sehr schwere und körperlich harte Einsätze, aber auch psychisch belastende, wenn zum Beispiel Tote geborgen werden mussten.Landläufig wird ja darüber gewitzelt, dass die Löscharbeiten der Feuerwehr weitaus mehr Schaden anrichten würden als der Brand selber. Das habe ich in der Tat sogar einmal erlebt, als die oberste Etage eines größeren Mietshauses brannte. Das Treppenhaus war eng und mit Gerümpel vollgestellt. Wir entschlossen uns, trotz des heftigen Protests der betroffenen Wohnungsmieter, die Schläuche durch deren unter der brennenden Etage gelegenen Wohnung zu ziehen, um die Probleme mit dem Treppenhaus zu umgehen. Und just in dieser noch völlig intakten Wohnung platzte ein Schlauch. Ehe der entsprechende Schieber am Verteiler geschlossen werden konnte, stand die Wohnung bereits unter Wasser.
Natürlich haben die Feuerwehrleute nach dem Dienst gerne und manchmal auch ganz schön viel getrunken, aber ich habe es nie erlebt, dass ein Kamerad wegen Volltrunkenheit nach Hause getragen werden musste, obwohl mancher am nächsten Tag mit „hämmernden Bergmanneln" im Kopf aufwachte.
Einmal wurde unsere Wehr sogar zu einer Bärenjagd gerufen. Dem (einzigen) Bären des kleinen Tierparks in unserer Kleinstadt war es aus unerfindlichen Gründen gelungen, seinen Käfig zu verlassen und sich im Gelände herumzutreiben. Die Tiergartenbesucher waren in panischem Schrecken geflüchtet. Die Tierpfleger wussten sich keinen Rat mehr, sie riefen die Feuerwehr. Deren einzige Waffe ist ja das Wasser. Das sollte auch helfen, den Bär zu bewegen, seinen Zwinger wieder aufzusuchen. Mit Hilfe von drei C - Rohren gelang es tatsächlich, den Bären in seine Behausung zu treiben. Ich hätte nie in meinem Leben daran gedacht, einmal an einer Bärenjagd teilzunehmen.
Beim Brand in einer Weberei wurde ich bei komplizierten Löscharbeiten nass bis auf die Haut. Da der Abend empfindlich kalt war, musste ich nach Hause, um mich umzuziehen. Inzwischen war aber die Haustür verschlossen worden. Ich hatte den Schlüssel vergessen. Meine Frau schlief und reagierte auf meine Klingelei nicht. Zum Glück stand im Hof ein Gerüst für den Dachdecker. Ich kletterte auf dem Gerüst bis zu der Etage, in der sich unsere Wohnung befand. Nun war auch noch das Korridorfenster geschlossen. Da mir immer kälter wurde, schlug ich die Scheibe ein. Dies hörte der Mieter in der Nachbarwohnung. Erschrocken fuhr er aus dem Bett, wie er später erzählte, schlich in die Küche und griff sich ein größeres Küchenmesser. So ausgerüstet setzte er sich auf sein Bett und harrte der Dinge, die da kommen sollten. Die kamen aber nicht, jedenfalls nicht in seine Wohnung. Erleichtert nahm er wahr, dass der „Einbrecher" sich an der Tür der Nachbarwohnung zu schaffen machte. Das ließ ihn beruhigt wieder zu Bett gehen.
Diese Erlebnisse als Feuerwehrmann möchte ich mit einem gut gemeinten Rat der Feuerwehr abschließen. Der lautet:
„Rauche nie im Bett, die Asche könnte deine eigene sein."