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Christoph Werner

Schloss am Strom
Roman


Schinkel kämpft in seinen Fieberträumen um die Vollendung seines Bildes "Schloss am Strom". Er durchlebt auf seinem Krankenbett noch einmal sein erfülltes und von krankmachendem Pflichtgefühl gezeichnetes Leben und die Tragik des Architekten und Künstlers, der sich zum Diener des Königs machen ließ

Brief vom 28.04.1924 zum Aufenthalt in Weimar

Brief vom 28.04.1924 zum Aufenthalt in Weimar

Anton Wildgans

Am 28. April 1924, vor 100 Jahren, schrieb Anton Wildgans, ein in Österreich berühmter Lyriker und Dramatiker, an seine Frau:

 

                                                                                 Weimar, 28.April 1924

 

Liebste Lilly-

 

Aus der beiliegenden Ansichtskarte entnimmst du, was ich heute vormittag alles absolvierte.

 

Fürstengruft Weimar. (1)
Fürstengruft Weimar. (1)

 

Nun ist es sechs Uhr und ich habe das Gefühl, daß mir meine Beine oberhalb der Knöchel abbrechen. Trotz der peinigenden Muskel- und Sehnenschmerzen war ich nachmittags auf dem Weimarer Friedhof, wo auch die Fürstengruft ist, in der Goethe und Schiller ruhen. Diese Begräbnisstätte hat mich einigermaßen enttäuscht.

Särge Goethes und Schillers. (2)
Särge Goethes und Schillers. (2)

 

Die Särge stehen wie Kisten in einer unterirdischen Rumpelkammer herum, insonderheit gleichen die Truhen, die die Zinnsärge Goethes und Schillers bergen, zwei gewaltige Kisten, durch ihre durchaus rechtwinkligen Linien. Ich habe mir dies alles viel stilvoller, viel würdiger und erhabener gedacht. Immer wieder erlebt man, daß die Phantasie viel reiner, wesentlicher und großartiger sieht.

Goethehaus Juno Zimmer. (3)
Goethehaus Juno Zimmer. (3)

 

Im Goethehaus selbst aber ist noch in einzelnen Räumen die Stimmung der wirklichen Vergangenheit und der Eindruck einer hohen bürgerlichen Kultur. In den Gesellschaftsräumen stehen freilich die Möbel nicht seit damals so, wie sie jetzt stehen. Aber sie stehen womöglich wie damals. Ist es vorstellbar, daß Goethes Schwiegertochter Möbel und Hausrat verklopfte, und daß die vorderen Zimmer zeitweise vermietet waren?

Goethes Arbeitszimmer. (4)
Goethes Arbeitszimmer. (4)

 

Den unversehrten Eindruck von damals gewähren nur die vier kleinen, fast düsteren, ja ärmlichen Räume, die Goethes eigentliche Wohnung bildeten. Mir ist sehr verständlich, daß er sie gerade so und nicht anders hatte und haben wollte. Ich bringe ein sehr gutes Buch mit Innenansichten vom Goethehaus mit.-

Goethes Wohnhaus in Weimar. (5)
Goethes Wohnhaus in Weimar. (5)

 

Es gäbe natürlich noch viel zu sehen, aber ich befolge auch hier meine Methode, lieber weniges, dies aber immer und immer wieder zu betrachten, um es ganz und bleibend in mich aufzunehmen. Ich werde demnach jeden Tag ins Goethehaus gehen, bis ich darin ganz heimisch bin…

 

Am Donnerstag dürften mich Stakemanns per Automobil von Weimar abholen, abends in Leipzig Gesellschaft, und dann geht‘s wieder heimwärts. Sonntag will ich jedenfalls wieder bei euch sein und die musikalische Orgie anführen.

 

Indessen tausend Küsse und Grüße von Deinem

Toni.

Quelle:

 

"Meine liebe...!" "Sehr verehrter...!"

 

365 Briefe eines Jahrhunderts

 

Arnstadt & Weimar 1999

 

Bildnachweis:

 

Kopfbild: Weimar, Goethehaus, Sterbezimmer. Bundesarchiv Inventarnummer:

Bild 183-67941-0006

 

Abb. 1 und 5: Aus Wikipedia, gemeinfrei.

 

 

Abb. 2: Särge Goethe Schiller in der Fürstengruft: Urheber Z thomas

 

Abb. 3: Weimar, Goethe-Haus, Juno-Zimmer. Bundesarchiv Inventarnummer:

Bild 183-22807-0998

 

Abb. 4: Goethehaus Weimar, Goethes Arbeitszimmer: Urheber Michiel Hendryckx

 

 

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