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Über Werte und Tugenden

Florian Russi

Mehr denn je wird über die althergebrachten Werte und Tugenden diskutiert. Sind Tugenden und Werte Begriffe aus der Klamottenkiste oder bestimmen sie auch heute noch unser Handeln? 

Churfürst Georgs IV. Bezauberung durch die Frau von Neitschütz

Churfürst Georgs IV. Bezauberung durch die Frau von Neitschütz

Johann Georg Theodor Gräße

 

Johann Georg IV. stammt aus der albertinischen Linie der Wettiner. Er war als älterer der beiden Söhne des Kurfürsten Johann Georg III. von Sachsen und seit 1691 Kurfürst von Sachsen.
Er galt als begabt und erhielt eine gute Ausbildung, wurde früh in die Regierungsgeschäfte eingebunden. Wie sein jüngerer Bruder Friedrich August soll er ungewöhnlich kräftig gewesen sein. Aus politischen Gründen heiratete er Eleonore von Sachsen-Eisenach 1692 in Leipzig. Die Ehe war unglücklich. Bereits als Kurprinz hatte er ein Verhältnis mit Magdalena Sibylla von Neitschütz, deren Erhebung zur Reichsgräfin von Rochlitz er 1693 beim Kaiser durchsetzen konnte. Die offizielle Version, dass die beiden an den Blattern starben, wird, durch neuere Forschungen belegt, angezweifelt, u. a. weil es sich um zwei völlig isolierte Erkrankungen dieser hoch ansteckenden Krankheit handelte. Wie die Fakten liegen, wäre eine Vergiftung evtl. auch durch den Bruder August plausibel.
Um Ereignisse zu verschleiern, strengte der nachfolgende Kurfürst Friedrich August I. den Hexenprozess gegen die Mutter der Gräfin von Rochlitz an. Die Neitschütz wurde beschuldigt, am frühen Tod des alten Kurfürsten schuldig zu sein und den Kurprinzen „behext" zu haben. Die daraus entstandene Sage war ein willkommenes Ablenkungsmanöver. Die Sage wird von der Autorin des Vorspanns nacherzählt.
                                                                                              

                                                                                                 Ursula Brekle

Die Frau von Neitschütz, geb. von Haugwitz, Mutter der späteren Gräfin Magdalena Sibylla von Rochlitz, soll, wie aus den Untersuchungsakten hervorgeht, eine arge Zauberin gewesen sein. Die Untersuchung war nach dem Tode ihrer Tochter Magdalena Sibylla über deren Liebesverhältnis zum Churfürsten Georg IV. geführt worden. Es wurde festgestellt, dass Frau von Neitschütz Fledermausherzen unter ihrem Stuhl genagelt hatte, um im Spiel zu gewinnen. Sie trug das Spielgeld in einem Beutel aus Fledermaushäuten und soll einen Diebsdaumen* gehabt haben. Sie pflegte Umgang mit einer Zauberin, die Baumeisterin hieß. Weiter verkehrte sie mit einer Hexe aus dem Dorf Zinnig im Spreewald, der Traummarie, mit dem Dresdner Scharfrichter Melchior Vogel und mit vier anderen Zauberinnen. Eine ihr vertraute Frau Krappin soll ausgesagt haben, die Gräfin, sie und die Margarethe hätten durch Zauber den Churfürsten Georg IV. umgebracht. Sie sollen wahrscheinlich ihn (ein wächsernes Bild von ihm) im Feuer getötet haben, so dass sein Herz im Leibe gebrannt hat wie ein Licht. Bei der Sektion des Körpers fand sich sowohl das Herz als auch der ganze Leib blutleer. Sie hat auch ihre Tochter gelehrt, gewisse Zaubersprüche, die ihr der Sprachlehrer Saladin mitgeteilt hatte, mit einer Rabenfeder in die Hand zu schreiben, wenn sie den Churfürsten anrührte. Sie hatte am Karfreitag in der Bartholomäuskirche in Dresden ein Schächtelchen versiegelt und an sich genommen, worin sich verschiedene Gegenstände von ihrer Tochter und vom Churfürsten befanden, die mit dessen Schweiß und dem Blute der Tochter benetzt und eingewickelt waren. Sie sollten die Liebe der beiden unauflöslich machen. Vorher war das Schächtelchen heimlich auf den Altar gesetzt worden, als man die Passion sang, um den Segen darüber sprechen zu lassen. Bekanntlich starb nun die Gräfin Magdalena Sibylla von Rochlitz am 4. April 1694 an den Blattern und der Churfürst, der sich angesteckt hatte, folgte ihr am 27. April 1694.

Gräfin Magdalena Sibylla von Rochlitz (um 1693)
Gräfin Magdalena Sibylla von Rochlitz (um 1693)
Kurz nach seinem Tode wurde ein Hexenprozess gegen die Frau von Neitschütz eingeleitet. Sie wurde angeklagt, den Churfürsten Georg IV. vorzeitig zur Regierung gebracht und ihn durch Zauberei ermordet zu haben. Sie soll dem Churfürsten durch Zauberei Liebe zu ihrer Tochter eingeflößt haben. Die Folge davon war, dass der Leichnam der Tochter aus der Hofgruft in der Sophien-Kirche ausgegraben wurde, weil es den Verdacht gab, die Mutter hätte nicht bloß das Porträt des Churfürsten mit einem gespaltenen Pensee-Band**, sondern auch in Papier eingewickelte Haare und das Haarband des Fürsten in den Sarg mitgegeben, obwohl es vorher dem Leichnam abgenommen worden war.
Wirklich fanden sich, außer verschiedenen Ringen, am Kinne der Leiche einige braune Haare in ein Papier eingewickelt, am Bein ein gelber Schwamm und am linken Arm ein schwarzes mit Atlas*** überzogenes Haarband, das sehr fest umgestreift war. Hinter dem Ellenbogen des linken Armes befand sich Seiner Churfürstlichen Durchlaucht Porträt, an den vier Enden mit größeren Diamanten besetzt, das mit einem Bande stark verbunden, aber mit dem weiten Ärmel gut verdeckt war. Mit all diesen Dingen sollten gewisse sympathische Wirkungen erzielt werden, was jeder versteht, dem das so genannte Bannen bekannt war. Der Prozess endete auch mit der Verurteilung aller Beschuldigten: Die Traummarie wurde dreimal gefoltert und kam an den Pranger. Die Hexe Margarethe und der Scharfrichter starben, nachdem sie dreimal gequält und gefoltert worden waren, im Gefängnis 1695. Die alte Neitschütz aber, die ebenfalls den ersten Grad der Folter ausgestanden hatte, starb erst lange danach 1713 auf dem Gut Gaussig bei Bautzen, eigentlich straflos. Ihr Prozess war niedergeschlagen worden.

 

*     Der Daumen oder Fingerknochen (Glücksknochen) eines Hingerichteten sollte Geld
       und Reichtum im Hause mehren
**   pensee (lat.-fr.): dunkellila
*** Atlas (arab.) ist ein Gewebe mit hochglänzender Oberfläche in besonderer Webart

Quellen:
Gräße, Johann Georg Theodor: Der Sagenschatz des Königreichs Sachsen. Erster Band.
Dresden 1874
MDR: Barbarossa. Sibylla von Neitschütz. Beitrag von Prof. Dr. Dr. Ortrun Riha, Professorin für Geschichte der Medizin an der Universität Leipzig. Juni 2011

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