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Ingrid Annel
Glücksdrachenpech

Schaurige, lustige, gruselige und witzige Geschichten von Wassermännern, Drachen, Irrlichtern und dem Teufel, mit Illustrationen von Marga Lenz

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Das Geschenk der Wilden Frau

Das Geschenk der Wilden Frau

Ingrid Annel

Wer einen Wald durchquerte, musste jeden Augenblick damit rechnen, einem wilden Tier gegenüberzustehen. Oder geheimnisvollen Gestalten, Geistern, Dämonen — hinterlistig und gefährlich die einen, hilfreich und freundlich die anderen.


Einmal ging ein junges Mädchen durch den Wald und traf an einem Kreuzweg auf die Wilde Frau, die gerade Laub zusammenkehrte. Die Wilde Frau legte den Besen beiseite, reichte dem Mädchen einen Kamm und sagte: „Kämme mich, ich will dir auch ein schönes Geschenk geben.“ Das Mädchen nahm den Kamm und begann, das graue, filzige Haar der Alten zu entwirren und zu einem Zopf zu flechten.

„Halte deine Schürze auf, du sollst deinen Lohn bekommen“, sagte die Wilde Frau und schüttete dem Mädchen einen Haufen Laub hinein. „Viel ist es nicht, was ich dir geben kann, nur ein paar Blätter. Bring sie deinen Ziegen als Futter.“

Das Mädchen ärgerte sich zwar über das wertlose Zeug, bedankte sich dennoch bei der Alten und wagte nicht, die Blätter wegzuwerfen. Erst nachdem sie ein ganzes Stück gegangen war und ihr das Laub bei jedem Schritt lästiger wurde, öffnete sie die Schürze und warf einen Teil davon weg. Und nachdem sie ein weiteres Stück gegangen war, wollte sie den Rest loswerden.

Doch als sie diesmal die Schürze öffnete, saßen lauter Kröten darin. Voller Ekel und Entsetzen schüttete das Mädchen die Kröten aus der Schürze heraus und rannte das letzte Stück Weg durch den Wald.

Als sie zu Hause angekommen war, sah sie, dass ein einzelnes Blatt am Band ihrer Schürze hängen geblieben war, und das war aus purem Gold. Sogleich eilte das Mädchen zu den Stellen zurück, wo sie das Laub und die Kröten aus ihrer Schürze geschüttet hatte. Die Kröten waren längst in alle Himmelsrichtungen verschwunden. Aber die Blätter lagen noch dort, wo sie sie weggeworfen hatte. Sorgfältig sammelte sie alle auf und trug sie nach Hause.

Doch das Laub verwandelte sich nicht in Gold, sondern blieb Laub, das sie schließlich doch noch an die Ziegen verfütterte.

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