In den früheren Jahrhunderten jagten die Kurfürsten gern und oft in den damals fast undurchdringlichen Wäldern der Dübener Heide. Mit reichem Gefolge kamen sie aus ihrer Residenz gezogen und hielten fröhlich Jagd und festliche Gelage.. Der reiche Wildbestand sicherte ihnen stets eine große Beute: Rehe, Hirsche, Wildschweine, ja Wölfe und Bären gab es noch in großer Zahl.
Als Kurfürst August im Jahre 1562 in den feuchten, dichten Wäldern zwischen Torgau und Düben jagte , hatte er sich im Eifer zu weit von seinem Gefolge entfernt. Er folgte eifrig der Spur eines Wildes und stand plötzlich im Düster des Waldes einem mächtigen Bären gegenüber. Eilig ergtriff er die Flucht. Aber der Bär, der verletzt worden war, merkte gar wohl, dass er hier gegenüber seinem Erzfeind, dem Menschen, im Vorteil war und setzte mit fürchterlichem Gebrumm hinter drein.
Was half dem Kurfürsten in seiner Lage all seine Herrlichkeit? Was konnten ihm hier in des Waldes Dickicht all die treuen Diener nützen, die daheim im Schloss zu Dresden wohl gesichert waren. Da halfen ihm nur seine eigenen Beine. Er stürmte dem Grimmigen voran, so gut und so schnell es das Unterholz, das Kraut und das dürre Reisig am Boden zuließen.
Da kam ein rettender Gedanke! Schnell machte er eine Kurve. Die Hoffnung brachte ihm neue Kräfte. Da stand ein Baum, der ihm leicht zu erklettern schien. Mit aller Anstrengung zog er sich hinauf. Er stieg von Astgabel zu Astgabel immer höher.
Jetzt hielt er Umschau nach seinem Verfolger. Der war zwar zuerst etwas verdutzt. Dann aber folgte er dem Flüchtling auf dem Baum. Dem Kurfürsten oben in den Zweigen blieb der Atem weg, als er seinen Peiniger folgen sah, der nicht weniger geschickt den Stamm herauf kam. Was würde werden, wenn der Bär seinen Ast erreicht hatte? Hier gab es keine Flucht mehr! Und die Waffe? Was war ein Hirschfänger gegen die mächtigen Pranken dieses Tieres. Ein Schrei des Entsetzens klang durch den weiten Wald.
Des Fürsten treuer Jäger Thomas Meißner aber folgte dem Schrei. Er befand sich nach Ruf und Gegenruf unter dem Baume, den die beiden mächtigen Gegner besetzt hielten. Da hat er nicht lang gezaudert. Er brachte die mächtige Donnerbüchse gegen das Untier in Anschlag. Bald hatte der Bär eine Kugel im Fell. Aber erst einige weitere wohl gezielten Schüsse brachten das erhoffte Glück. Polternd fiel der mächtige Körper des Bären dem glücklichen Jäger vor die Füße.
Zu Tränen gerührt schloss der gerettete Kurfürst seinen treuen Jäger in die Arme und dankte ihm für seine Rettung. Er vergaß seiner auch nicht, als er zurück gekehrt war in die gefahrlosen Gemächer seiner Residenz, sondern begünstigte ihn und half ihm, wo es nur ging.
Zum Andenken aber an das böse Abenteuer setzte er mitten im Walde bei Weidenhain an der Stelle des Unglücks einen hohen Stein, der Jahrhunderte überlebt hat und noch heute als „Bärensäule" bekannt ist.
Aus: Friedemann Steiger, "Sagenhafte Geschichte zwischen Elbe und Mulde", Wartburg Verlag, Weimar, 2006. Mit freundlicher Genehmigung des Verlages.
Fotos der Bärensäule und der Gedenktafel: W. Brekle