Sachsen-Lese

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Spannende Erzählkunst

Der "Wagen" thematisiert die Schattenseiten der Menschheit. Die erste titelgebende Erzählung fasst Berdt Seites eigene traumatische Fluchterfahrungen in literarische Erzählkunst, bis die Grenzen von Vergangenheit und Zukunft schmelzen. Die andere widmet sich der biblischen Geschichte der Sintflut und interpretiert die Arche-Noah in einer ganz neuen Variante.

Der Dresdner Mönch

Der Dresdner Mönch

Johann Georg Theodor Gräße

Johann Georg IV. von Sachsen.
Johann Georg IV. von Sachsen.

Wie die weiße Frau im Schloss zu Berlin stets durch ihr Erscheinen den Tod eines Fürsten aus dem Hause Hohenzollern verkünden soll, so sollen sich nach der Volkssage auch ähnliche Vorbedeutungen bei einem dem sächsischen Fürstenhaus drohenden Todesfall zeigen. In Dresden soll früher, sooft ein grauer Barfußmönch, sein abgehauenes Haupt unter dem Arm und eine brennende Laterne in der Hand tragend, auf dem Wall der Dresdner Bastei und an derjenigen nach der Elbe gelegenen Stelle der früheren Festungswerke, welche die Jungfer oder das grüne Haus genannt wurde, sich sehen ließ, dies den Tod eines Gliedes der kurfürstlich sächsischen Linie angezeigt haben. Dieser Mönch war angeblich früher zweimal an dem oberen Sims des Hauptturms der alten Kreuzkirche an den zwei Ecken der nach dem Wall zugehenden Seite in Stein gehauen. Weil aber auf der nach der Seite der Stadt zugewandten Ecke das Bildnis Christi angebracht war, so dachte man sich unter diesen beiden Mönchsgestalten auch den Teufel und seine Großmutter.

 

Gewöhnlich kam er aus dem sogenannten Mönchsbrunnen auf dem Wilsdruffer Wall heraus, der bis 1726 gestanden hat. Den 22. April 1694 hat er sich auch im königlichen Schloss als Anzeichen eines hohen Todesfalles sehen lassen. Es betraf Johann Georg IV. Aber auch am 3. Oktober 1698 hat er die Wachen an den Toren von Altdresden geplagt und erschreckt, so dass sie sich von allen Posten einander zu Hilfe riefen. Ein Soldat konnte sich nur dadurch mit Mühe vor dem Herabgeworfenwerden in den Graben schützen, dass er sich am Schilderhaus festhielt. Den Leutnant, der die Runde lief, hat er ebenfalls attackiert; dieser hat aber die Pike gefällt, worauf das Gespenst unsichtbar wurde. Darauf ist ein solcher Lärm entstanden, dass man die Trommel rühren und niemand mehr die Wache verrichten wollte, wie aus dem im Regimentshaus an diesem Tag gemachten Aussagen hervorgeht.

Das Moritzmonument.
Das Moritzmonument.

 

Das Volk erzählte sich damals, jener Mönch habe einst die beiden Brüder Kurfürst Moritz und August an der Stelle, wo jetzt das Moritzmonument steht (und die früher die Horche hieß), behorcht und sei zur Strafe dafür geköpft worden; erscheine aber seitdem als ein der kurfürstlichen Familie Unglück verkündender Spukgeist. Ja, man dachte sich sogar unter dem Bilde des Gottvater unter dem Architraph* dieser 1553 von Kurfürst August auf dem sogenannten Hasenberge errichteten allegorischen Monumentes jenen spukhaften Mönch.

 

Nach einer anderen Sage wäre aber dieser (graue oder braune) Mönch, der klein von Gestalt und sehr friedsam gewesen, übrigens nur die, die ihn geneckt, bestraft hätte. Auch sei er zu anderen Gelegenheiten häufig im königlichen Schloss sichtbar gewesen. So habe einst ein Kurfürst einen Diener in ein bestimmtes Zimmer geschickt, um etwas zu holen, da habe dieser den grauen Mönch an einem Tisch sitzen und schreiben sehen. Er sei erschrocken zurückgeeilt und habe seinem Herrn gemeldet, was er gesehen. Der Kurfürst sei schnell ohne Begleitung an den Ort gegangen, habe auch den Mönch noch schreibend gefunden und ihn gefragt: „Was machst du hier?“ Der erwiderte: „Ich schreibe deine Sünden auf.“ Da antwortete der mutige Fürst: „Hat die Gott die Macht dazu gegeben, so tu es weiterhin.“ Der Fürst verließ das Zimmer, ohne andere Fragen zu stellen.

Magdalena Sibylla von Sachsen.
Magdalena Sibylla von Sachsen.

Mit diesem Gespenst darf jedoch das sogenannte weiße Gespenst nicht verwechselt werden. Dies war eine lange Frau in weißen Gewändern, die nach der Volkssage sich früher ebenfalls sehen ließ, wenn ein Todesfall in der kurfürstlichen Familie bevorstand. Es zeigte sich besonders auf der Treppe der ersten zur zweiten Etage des ersten Turmes rechts im großen Schlosshof, wo früher ein geheimes Kabinett und die kurfürstliche Handbibliothek waren. Und so soll das Gespenst zum Beispiel den Tod der Gemahlin des Kurfürsten Johann Georg II., Magdalena Sibylla, im Jahre 1687 angezeigt haben, wie erzählt wird.

 

Endlich soll es sonst auch noch auf dem Schloss aus in die frühere, jetzt weggerissene, am Bärengarten befindliche Hofapotheke führenden Gang umgegangen sein. Man hat aber eigentlich nie etwas gesehen. Furchtsame Personen erzählten nur, dass es gerade so sei, wenn sie abends diesen Gang betreten, als wenn ein großer weißer Ballen hinter ihnen her gewälst werde. Über das im Winter 1865 bis 1866 in den Zimmern über dem Großen Gewölbe gehörte Geräusch und Poltern ist keine Aufklärung erlangt worden.

 

* auf Säulen ruhender tragender Querbalken aus Stein oder Holz

Bildnachweis

Kopfbild: A scene from The Screaming Skull, a 1958 film directed by Alex Nicol. 1958

 

Kurfürst Johann Georg IV. von Sachsen (1668-1694) aus Gemäldegalerie Alte Meister Dresden

 

Moritzmonument, Dresden von 1570

 

Christian I. Herzog von Sachsen-Merseburg mit seiner Mutter Magdalena Sibylle von Preußen aus Gemäldegalerie Alte Meister Dresden

 

Alle Abb. aus Wikimedia, sie sind gemeinfrei.

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