Bautzen. Abbildung von Matthäus Merian dem Älteren (1620-1650)
Es geschah in der Zeit, als der Krieg 30 Jahre tobte. Hunger, Armut und Krankheiten breiteten sich aus. Dörfer und Städte wurden durch die Soldatestka zerstört. Die Verrohung der Menschen durch die Gewalt war an der Tagesordnung. Da kam eine Zigeunerfamilie, die sich auf Wanderschaft befand, nach Bautzen. Die Eltern und vier Kinder waren vom Wandern müde, der Vater und zwei Kinder waren krank. Die starke Mutter nahm die zwei gesunden Kinder und ging von Haus zu Haus. Sie bat dringend um eine Unterkunft, weil ihr Mann vom Fieber geschüttelt zusammen gebrochen war.
Aber ihre Bitten wurden nicht erhört. Sie stieß auf kalte Herzen und verschlossene Türen. Da gingen sie zum Stadttor zurück, um dort in der nassen und kalten Nacht im Freien zu ruhen.
Es kam ein Mann vorbei, der selbst arm aussah und alte Kleider trug. Als die Familie ihr trauriges Schicksal erzählte, erbarmte sich der Mann und nahm alle sechs mit in sein Häuschen in der Goschwitz, unweit der äußeren Stadtmauer. Sie aßen gemeinsam ein einfaches Abendbrot. Dann schüttete der Gastgeber frisches Stroh auf, worauf die Familie schlafen konnte.
Die Eltern und Kinder blieben solange, bis alle Familienmitglieder wieder gesund gepflegt waren. Dann brachen sie wieder nach Ziegeth in Ungarn auf, wo ihre Großfamilie lagerte.
Als sie sich verabschiedeten, sprach der Zigeuner: „Wir wollen nicht weggehen ohne einen Dank, an den ihr euch erinnern sollt. Als wir Not litten, habt ihr uns Obdach gegeben. Dafür soll euer Haus von Stund an vor jeder Feuerbrunst geschützt sein. Und wenn die ganze Stadt lichterloh in Flammen steht - euer Haus soll unberührt bleiben!" Leise sagte er noch einen Segensspruch auf, ehe die Familie endgültig aufbrach.
Zunächst konnte der Besitzer nicht an den Segen glauben. Aber bald sollte sich zeigen, dass der Fremde die Wahrheit gesagt hatte. Bautzen wurde von den Kaisertruppen unter dem Befehl des Joachim Rüdiger von der Goltz besetzt. Nachdem wieder einmal eine Schlacht verloren ging und die Sachsen anrückten, ließ der Feldherr die Stadt an allen vier Ecken anzünden. Die ganze innere Stadt brannte total ab. Nur das kleine Haus in der Goschwitz blieb verschont.
Danach war das Haus noch 200 Jahre bewohnt. Schließlich musste es wegen Baufälligkeit abgerissen werden. Auf dem Grund wurde ein Garten angelegt, in dem es bis heute prachtvoll grünt und blüht.