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Ein Buch, das zu Herzen geht

Klinikclown Knuddel erinnert an die vielen Kindern und Jugendlichen, die er begleiten durfte, und in seinen Geschichten lässt er ihr Wesen und ihre Persönlichkeit nochmals aufleben. Geschichten über die Liebe und einen Clown im Sterbezimmer.

Wie der Spargel nach Spohla kam

Wie der Spargel nach Spohla kam

Florian Russi

Illustration Asparagus.
Illustration Asparagus.

In der Nähe von Hoverswerda lebte ein Schlossherr, dessen Schwester mit einem Baron, der in der Kurpfalz lebte, verheiratet war. Wenn er ihr eine Nachricht schicken wollte, nutzte er gerne die Dienste Pumphuts. Der war schneller und zuverlässiger als die damalige Post, denn zu seinen Fähigkeiten als Zauberer gehörte es, dass er durch die Luft ?iegen konnte.

Für den wander- und reiselustigen Pumphut war dieser Kurierdienst eine geschätzte Abwechslung vom Müllerberuf. Bei einem seiner Besuche in der Kurpfalz kehrte er in einem Gasthaus ein. Er war hungrig und bat den Wirt, ihm von dem zum Essen zu bringen, was er gerade in seiner Küche vorrätig hielt. Da stellte ihm der Wirt einen großen Teller mit Spargel und Schinken auf den Tisch. Pumphut aß begeistert. Noch nie vorher hatte er Spargel gegessen und bat deshalb den Wirt, ihm etwas über dieses leckere Gemüse zu erzählen. Der berichtete ihm alles, was er darüber wusste, und sagte schließlich: „Am besten kennt sich Nepumuk mit Spargel aus. Seine Felder hat er gleich hier in der Nähe. Doch er ist eifersüchtig und hütet sein Wissen wie ein Geheimnis. Er will nicht, dass ein anderer ihm seine Rolle als bester Spargelzüchter im Land streitig macht."

Neugierig geworden bezahlte Pumphut die Rechnung und brach auf zu Nepumuks Feldern. Er beobachtete die Anlage der Spargelbeete und untersuchte die Beschaffenheit des Bodens. Dann verwandelte er sich in einen Storch und ?og durch die Lüfte in die Oberlausitz zurück.

In Spohla, dem Ort, in dem Pumphut geboren wurde, war der Boden ähnlich beschaffen wie in den Spargelfeldern Nepumuks. Es gedieh dort weder Korn noch Kohl oder Rüben und auch als Viehweide war das Land nicht geeignet. Die Bauern von Spohla waren daher recht arme Leute. Das wollte Pumphut ändern. Er rief die Ältesten des Dorfs zusammen und sagte:

„Auf einer meiner Reisen habe ich ein Gemüse kennengelernt, das äu&szliszlig;erst wohlschmeckend ist. Dieses Gemüse wird Spargel genannt. Es macht viel Mühe, ihn anzubauen. Er gedeiht am besten in sandigem Boden und braucht zugleich ausreichend Wasser."

„Beides haben wir in Spohla zu Genüge", erklärten die Dorfältesten.

„Darum rate ich, eure Felder so herzurichten, wie ich es euch jetzt sage werde. Das erfordert Geduld. In zwei Jahren werde ich euch dann ausreichend mit Spargelsetzlingen, man nennt sie Klauen, aus bester Zucht versorgen."

Pumphut mit seinem Zauberhut.
Pumphut mit seinem Zauberhut.

Die Dorfältesten waren misstrauisch. Da sie jedoch von Pumphuts Zauberkünsten wussten und er nie einem von ihnen je Böses getan hatte, folgten sie schließlich seinem Rat und besorgten die Felder so, wie er es vorgeschrieben hatte. Dann legten sie alle Ihre Ersparnisse zusammen und übergaben sie ihm, damit er die Klauen kaufen konnte. Pumphut verstaute das Geld in seinem Ranzen und als er wieder einmal einen Brief an die Schwester des Schlossherrn zu überbringen hatte, nutzte er die Gelegenheit, um Nepumuks Felder aufzusuchen. Er dachte, dass Nepumuk das Geld gerne annehmen und nicht befürchten würde, dass die Bauern von Spohla mit ihm in einen Wettbewerb treten könnten. Schließlich lag Spohla hunderte Meilen von der Kurpfalz entfernt.

Während er noch nachdachte, traf ihn ein Schlag auf den Hinterkopf. Nur der breiten Krämpe an seinem Hut hatte er es zu verdanken, dass er nicht schwer verletzt wurde. Er sackte zusammen und hörte die Stimme des Bauern Nepumuk, der einen Holzknüppel in der Hand hielt und zu einem weiteren Schlag ausholte. „Was treibst du dich hier herum", schrie er Pumphut an. „Es ist schon das zweite Mal, dass ich dich hier sehe. An deinem Hut bist du leicht wieder zuerkennen."

„Höre mich erst einmal an", bat Pumphut. „Man hat mir erzählt, dass du den besten Spargel züchtest. Da wollte ich dich fragen, ob du bereit bist, für gutes Geld einige Klauen zu verkaufen. Weit von hier entfernt wären einige Bauern froh, wenn sie wie du Spargel anpflanzen könnten. Ihr Boden gibt nichts anderes her und so leiden ihre Familien großen Hunger."

„Den Teufel werde ich tun", antwortete Nepumuk grob. Wieder erhob er seinen Knüppel und bedrohte Pumphut. „Was ich mit dir anstellen werde, will ich mir noch überlegen. Bis dahin werde ich dich einsperren."

Er packte den Müllergesellen am Kragen und zwang ihn, mit ihm in eine nahe gelegene Scheune zu gehen. Dort warf er Pumphut zu Boden, kümmerte sich nicht weiter um ihn, verließ die Scheune und verriegelte sie von außen.

Pumphut brauchte einige Zeit, um zu sich zu ?nden. Seinen Ranzen mit dem Geld besaß er noch und auch sein Hut lag neben ihm auf dem Boden. Nepumuks einzige Sorge schien es also zu sein, dass jemand hinter seine Züchtergeheimnisse kam. Pumphut hielt seinen Zauberhut vor sich und die Spitze nach unten gerichtet. „Ich wünsche mir, dass mein Kopf zu brummen aufhört", sagte er als erstes. Sofort ließen seine Schmerzen nach. Nepumuks Schlag hatte glücklicherweise der Zauberkraft des Hutes nichts anhaben können. Dann wünschte sich Pumphut, dass sich die Tür der Scheune öffnen solle. Sie sprang sofort auf und Pumphut hätte davon ziehen können. Doch er blieb, wo er war, und sagte: „So einfach will ich es dir nicht machen, mein eifersüchtiger Nepumuk. Ohne deine Klauen werde ich nicht von hier weggehen." Dann wünschte er sich, dass sich die Tür wieder verschließen sollte, was sie dann auch sofort tat.

Dunkelheit lag noch über der Scheune, als am frühen Morgen Nepumuk wieder dort erschien. „Ich werde dich nicht, wie ich es ursprünglich vorhatte, vor Gericht bringen", sagte er zu Pumphut. „Da du aber ein kräftiger und gewandter Kerl bist, wirst du mir helfen, meine Klauen in die Erde einzubringen. Ich habe mehrere Körbe voll davon mitgebracht. Ein Morgen wie der heutige ist hervorragend geeignet, meine Spargel anzupflanzen."

Pumphut stöhnte und murmelte dann einige Worte in sorbischer Sprache, die Nepumuk nicht verstehen konnte. Dann aber antwortete er schnell: „Selbstverständlich werde ich dir zur Hand gehen. Spätestens am Abend können wir mit unsrer Arbeit fertig sein."

Die beiden traten vor die Scheune, luden die Körbe auf Schultern und Rücken und brachten sie zu den Feldern. Dann begannen sie mit den Pflanzungen, für die Nepumuk genaue Anweisungen gab. Als der Tag anbrach, zogen sich am Himmel dunkle Wolken und über den Feldern dichte Nebelschwaden zusammen. Die Sichtweite zwischen den Männern betrug nur wenige Ellen, doch Nepumuk störte es nicht. Er war ein geübter Spargelzüchter. Da es nicht regnete, kamen die beiden schnell voran und am Abend hatten sie alle Klauen eingebracht.

„Ich werde im Gasthaus übernachten und morgen früh wieder hierherkommen und dich um einen kleinen Lohn bitten", sagte Pumphut zu Nepumuk. Der aber grinste nur und dachte bei sich: „Einen weiteren Schlag mit meinem Prügel kannst du bekommen, mehr nicht." Er wandte sich ohne Gruß von Pumphut ab und ging zufrieden nach Hause.

Asparagus tetragonus.
Asparagus tetragonus.

Am folgenden Morgen hielt es Nepumuk nicht lange in seinem Bett. Er war neugierig, ob Pumphut es tatsächlich wagen würde, Lohn von ihm zu fordern. Vor allem aber wollte er sich das Ergebnis der Arbeit des vergangenen Tages bei Helligkeit anschauen. Als er zu seinen Feldern kam, konnte er nirgendwo Pumphut entdecken. „Entweder der Kerl pennt noch oder er hat sich überlegt, was ihm heute Morgen noch blühen könnte", sagte Nepumuk zu sich selbst und hob seinen Prügel bedrohlich in die Höhe. Doch plötzlich stutzte er. Was war mit seinen Feldern geschehen? Sie lagen brach vor ihm. So sehr er auch auf ihnen hin und her lief, nirgendwo konnte er eine Pflanzstelle erkennen.

Am selben Morgen trafen sich die Bauern in Spohla mit Pumphut und fragten ihn, ob er die versprochenen Klauen bei sich hätte. „Es ist mir gelungen, die besten Setzlinge weit und breit zu erwerben", antwortete der. „Ihr werdet es nicht glauben, aber ich habe nicht einmal dafür bezahlen müssen. Ihr bekommt euer Geld wieder und nicht nur das: Der wegen seiner guten Spargel gerühmte Bauer Nepumuk aus der Kurpfalz war so freundlich, mir dabei zu helfen, die Klauen trotz Nebel und dunkler Wolken in euren Feldern anzu- pflanzen. Ihr braucht also nur noch einmal zu düngen, zu jäten und dann die Ernte abzuwarten."
So sorgte Pumphut dafür, dass Spohla zum Anbaugebiet für allerbesten Spargel wurde.

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