Sachsen-Lese

Gehe zu Navigation | Seiteninhalt
Sachsen-Lese
Unser Leseangebot

 

Sommerschnee

Berndt Seite

Hardcover, 124 S., 2020 erscheint demnächst; Bereits vorbestellbar

ISBN: 978-3-86397-134-2
Preis: 15,00 €

Sommerschnee – das sind die luftig-bauschigen Samenfasern der Pappelfrüchte, die sich im Sommer öffnen und die Welt mit ihrem weißen Flaum überziehen: Schnee in der wärmsten Jahreszeit. Mal melancholisch, mal mandelbitter, aber stets in größter Genauigkeit geht Berndt Seite auch in seinem neuen Lyrikband den Erscheinungsformen der Natur nach und lotet in ihnen die Bedingungen des Lebens aus.

Michael Epplers  große Zeichnung für die Menschen von Schkeuditz

Michael Epplers große Zeichnung für die Menschen von Schkeuditz

Dr. Konrad Lindner

1. Zeichnen ist denkendes Beobachten

Michael Eppler beim Zeichnen in Schkeuditz.
Michael Eppler beim Zeichnen in Schkeuditz.

Es dürfte das bisher größte Porträt sein, das ein Künstler von dem Städtchen Schkeuditz zu Papier gebracht hat. Die Große Zeichnung von Michael Eppler für die Menschen der Flughafenstadt am Rande von Leipzig. Höher als fünf Meter und breiter als ein Meter hängt das Riesenblatt seit dem 18. September 2021 in der Kunstkapelle auf dem Alten Friedhof. Das gute Dutzend Einzelstudien, aus denen das Gesamtkunstwerk "Schkeuditz" hervorgeht, beginnt mit dem Friedhof im Zentrum der Stadt und mit dem Blick auf den Ziegelbau der rötlichen Kapelle. Hier leitet der Absolvent der Akademie der Bildenden Künste in Karlsruhe seit September 2020 einen Aquarellkurs, der sich von dem Jahr 2007 bis zum Sommer 2020 um die Schkeuditzer Malerin Petra Jensch versammelt hatte. Wer Michael Eppler kennenlernt, vermutet zunächst nicht, dass dieser Zeitgenosse in Permanenz und mit kritischem Geist in seiner Umgebung und in seiner Mitwelt Motive entdeckt. Auch in Schkeuditz ist er mit seinem dicken Skizzenblock unterwegs. Hinzu kommt, dass er seinem Zeichenstift die ironische Zuspitzung und die Parodie erlaubt, wenn er seine Mitmenschen beobachtet und in kleinen Skizzen ins Bild setzt.

2. Stadt- und Naturszenen in ein Ganzes überführt

Epplers große Zeichnung.
Epplers große Zeichnung.

In dem Zeichenkunstwerk für die Stadt Schkeuditz treten die einzelnen Menschen und die Typen von Leuten dieses Landstrichs entlang der Auenlandschaft der Weißen Elster und der Luppe in den Hintergrund. Ins Zentrum rücken Gebäude wie die Feuerwehrwache, das Straßenbahndepot, das Rathaus sowie die Kirchen und einige Schulen. Nicht nur die Stadtkirche St. Albanus ragt in der Zeichnung in den Himmel, auch die Altscherbitzer Kirche und ihr schwungvoller Schieferturm rufen nach Beachtung. Der Zeichner begab sich noch etwas weiter in Richtung Leipzig bis in den Stadtteil Wahren hinein. Er schaute hin zu dem weiträumigen Baumarkt Hellweg und zum Bismarckturm, den er von der stattlichen Lindenallee aus porträtierte. Areale und Architekturen, die wie der Schlosspark Lützschena zur nächsten Umgebung von Schkeuditz gehören. Erst entstanden Einzelbilder. Bei der künstlerischen Arbeit Ende Juli 2021 vollzogen die Einzelskizzen in dem altehrwürdigen Straßenbahndepot zu Schkeuditz die Metamorphose zu einem Ganzen: Zu einem Gesamtkunstwerk. Den Rahmen dieser Arbeit eröffnete ein Kunstsymposium in Schkeuditz. Auf einem Sechs-Meter-Papierbogen wuchs aus der Hand von Michael Eppler mit Schwung eine durchdachte und souveräne Annäherung an die Facetten der traditionsreichen Stadt in Nordsachsen. Beim Übergang von der Einzelzeichnung zur großflächigen Gesamtdarstellung ereigneten sich erstaunliche Transformationen.

Epplers große Zeichnung. Bismarck-Turm und Baumarkt.
Epplers große Zeichnung. Bismarck-Turm und Baumarkt.

Der graue Betonklotz des Bismarckturms zum Beispiel erscheint in der großen Zeichnung wie ein weißes Traumgebilde. Ein schwebender Gedenkort an den Kanzler und Reichsgründer Otto von Bismarck, der gleichsam an die Entstehungszeit der Sozialdemokratie von Ferdinand Lassalle und August Bebel erinnert. Der dreiteilige Turm scheint in der Zeichnung von Michael Eppler wie ein Märchengebilde aufzuleuchten. Seine originale Bedrohlichkeit hat er fast völlig verloren. Aber auch der Diana-Tempel im Schlosspark Lützschena kommt im Bildwerk von Eppler zum Zuge. In einer Einzeldarstellug. Ein Ort für Träumer und Verliebte. Das weiße Sinnbild im Grünen wird freundlich wie nüchtern vorgestellt: Ein nahes Ausflugs- und Wanderziel der Schkeuditzer, aber durch den Schlosspark Lützschena ferner ein Sehnsuchtsort für sehr viele Menschen, die in dem Großraum zwischen Leipzig und Halle zu Hause sind. Auch wenn sich auf den Bildern für Schkeuditz keine Leute tummeln, sind jedoch zahlreiche Autos zu sehen, die vor dem Baumarkt am Rande von Schkeuditz parken.

 

3. Zerrissen zwischen Stadtkultur und Nachtlärmdeponie

Epplers große Zeichnung Storchennest.
Epplers große Zeichnung Storchennest.

Das Zentrum von Schkeuditz bilden nicht allein Rathaus und Kirche, sondern in der Mitte erhebt sich der schlanke Turm mit dem Storchennest drauf. Gegenüber dem Stadtmuseum. Ein stattliches Nest hoch über den Köpfen der Leute, das Jahr für Jahr von Storchenfamilien bewohnt wird. Das Leben und Treiben der Stadtbewohner "Storch", die häufig auch in den Auen stolzierend anzutreffen sind, wird von vielen Menschen mit Freude und Interesse beobachtet. Doch über den Köpfen der Bevölkerung von Schkeuditz sind nicht nur leise Störche unterwegs. Unterhalb des schwebenden Bismarckturms ist auf dem superlangen Schkeuditzplakat von Michael Eppler ein ganzer Pulk schlanker Metallvögel zu erkennen: DHL-Transportmaschinen. - Auch wenn die große Zeichnung nicht dröhnt, setzt sie in Gestalt der vielen Flugzeuge den gewaltigen Lärm ins Bild, der nach dem Wiedergewinn der deutschen Einheit und im Gefolge der Verlagerung des Frachtdrehkkreuzes von Brüssel nach Leipzig zu einem höchst trügerischen Alleinstellungsmerkmal von Schkeuditz geworden ist. In keiner anderen Kommune in Deutschland ist es einem Unternehmen erlaubt, tagein und tagaus und über Jahre und Jahrzehnte hinweg während der Nacht- und Schlafstunden mitten in einem Ballungszentrum einen bedrohlichen Lärm zu produzieren.

4. Im Geist von Vincent van Gogh gezeichnet

Epplers große Zeichnung. Vorstellung im Malkurs.
Epplers große Zeichnung. Vorstellung im Malkurs.

Wortgeschichtlich ist daran zu erinnern, dass bereits in dem Wort "Lärm" der Krieg steckt, da das Wort "Lärm" von "Alarm" kommt und die italienische Rede "all`arme!" in der deutschen Sprache "Zu den Waffen!" heißt. In den Schkeuditzer Nächten sind Transportmaschinen mit einem Schalldruck unterwegs, der die Leute wenn nicht aus ihren Betten fallen lässt, aber doch in der Tendenz stärker unter Schlafstörungen, unter Tinnitus bis zum Herzinfarkt und somit an vielen verschiedenen Erkrankungen leiden lässt. Wenn ich über die große Zeichnung von Michael Eppler schreibe, dann auch deshalb, weil er in der art Kapella einen tüchtigen Mal- und Aquarellkurs leitet. Aber vor allem berichte ich aus dem Grund, weil er mich in seiner Weise zu zeichnen und zu denken an keinen Geringeren als an Vincent van Gogh erinnert. Bei Vincent war es so, dass er vor seinem Aufbruch in die Farbe vor allem zeichnete. Er liebte den Gegensatz von Schwarz und Weiß und verehrte die unendliche Vielfalt an Grauschattierungen. Aber nicht nur das. Als er um 1879/80 in einem verrußten belgischen Kohlerevier lebte und viele Arbeiter als Modelle zu sich ins Atelier schleppte, trainierte er sein Zeichenhandwerk. Er fuhr aber im Januar 1879 auch in ein Bergwerk ein, um betroffen zu beobachten, dass hier die Hunte voller Rohkohle nicht nur von Pferden, sondern auch - wo die Stollen sehr niedrig sind – von Kindern gezogen werden. Der noch junge Maler und Zeichner versperrte die Augen nicht vor den Leiden der arbeitenden Menschen im frühen Kapitalismus. So sehr Vincent später auch die Pfirsichblüte und die Sonnenblumen malte, seine in der Nachwelt erfolgreichen Bilder waren für ihn selber immer auch eine Feier des Staunens und des Sehens der irdischen Schöpfung für alle Menschen. Nicht eine Kunst allein für die Promis da oben, sondern ein Schaffen für alle Schichten der Gesellschaft erwuchs aus seinem Wollen. Vincent van Gogh patschte nicht zuletzt bei seinem Nachtcafé (1888) die bunte Schmiere aus seinen Farbtuben immer auch für die einfachen, die arbeitenden und leidenden Menschen Pinselstrich für Pinselstrich und manchmal sogar direkt auf die Landwand.

5. Apokalyptische Gefahren

Epplers große Zeichnung Flugzeuge.
Epplers große Zeichnung Flugzeuge.

Das Schkeuditz auf weißem Papier von Michael Epplers ist schön, aber vor allem auch im Geiste des niederländischen Künstlers Vincent van Gogh wahrhaftig. Deshalb, weil der prekäre Nachtlärm dieser Stadt nicht weggeschönt wird. Aber viel mehr noch ist zu konstatieren, wenn ich das Eppler-Bild auf mich wirken lasse: Sehe ich die Flugzeugschwärme in Schkeuditz in der Kunstkapelle vom Herbst 2021, dann erfasst mich bei allem Glück in dieser Stadt für einen Augenblick auch ein grenzenloses Erschrecken. Ich denke an meine Kindheit mit den nächtlichen Schreien meiner Mutter. Noch Jahrzehnte nach dem Erleben der angloamerikanischen Bombenangriffe auf die Hafenstadt Stettin verfolgten sie Angstträume. Eine Kriegstraumatisierung, hinter der bereits damals beachtliche Flugzeuggeschwader standen. Durch diese familiäre Prägung trat die große Zeichnung in der Kunstkapelle zu Schkeuditz bei mir den folgenden Affekt los: Wenn wir nicht aufpassen, könnten im 21. Jahrhundert nicht nur Paketfrachter, sondern auch echte Kriege in Schwärmen derart auf uns zufliegen, dass durch absurde planetare Zerstörungen der menschlichen Lebenswelt unser Vorstellungs- und Fassungsvermögen ins Unaussprechliche überschritten wird.

6. Zeitkritischer Geist schmückt Kunstkapelle

Epplers kleine Zeichnung Kunstkapelle.
Epplers kleine Zeichnung Kunstkapelle.

Die große Zeichnung von Michael Eppler schmückt die Kunstkapelle auf dem Alten Friedhof zu Schkeuditz seit dem 18. September 2021. Immerhin wird eine ganze nordsächsische Stadt durch einen großen Wurf wie durch zahlreiche kleinformatige Einzelentdeckungen mit Liebe und mit Geist ins Bild gesetzt. Die Präsentation erfolgt im Rahmen einer Ausstellung von drei Künstlern mit dem Titel "m. m. m. Michael Eppler/Maeshelle West-Davies/Manuel Schneidewind".

Kuratiert wurde die Ausstellung von Petra Kießling, die den Schkeuditzer Kunstverein art Kapella leitet.

 

Stand 07. Oktober 2021

Literatur- und Quellenverweis:

 

Zum Werk von Michael Eppler vgl. den Link: www. michael-eppler.de

 

Zu Leben und Werk von Vincent van Gogh:

Steven Naifeh / Gregory White Smith: Van Gogh. Sein Leben. Frankfurt am Main 2012.

 

Zum Schkeuditzer Kunstverein art Kapella vgl. den Link: https://artkapella.de

 

Fotografien:

 

Die Aufnahmen fertigte Dr. Konrad Lindner an. Sie entstanden während der Malkurssitzungen vom 14. September und 05. Oktober 2021 in der Kunstkapelle auf dem Alten Friedhof in Schkeuditz.

Weitere Beiträge dieser Rubrik

Krabat-Festspiele 2018 in Schwarzkollm
von Dipl.-Päd. Ursula Brekle
MEHR
Anzeige:
Unsere Website benutzt Cookies. Durch die weitere Nutzung unserer Inhalte stimmen Sie der Verwendung zu. Akzeptieren Weitere Informationen