Ein Blick in das Büro von Gabriele Rodriguez scheint zu antworten: mit sehr vielen Büchern. Wörterbücher, Namensbücher, geografische Lexika und fremdsprachige Fachliteratur stehen hier in den Regalen. Frau Rodriguez ist Gutachterin und Fachberaterin in der Namenberatungsstelle der Universität Leipzig, einer der größten ihrer Art in Deutschland. Hier melden sich Eltern auf der Suche nach dem perfekten Namen für ihr Kind, Ahnenforscher, die wissen wollen, woher ihre Familie ihren Nachnamen hat, Heimatkundler, die sich von der Bedeutung des Ortsnamens neue Erkenntnisse über die Geschichte ihres Wohnorts erhoffen.
Wenn ihr Beratungstelefon klingelt, schlägt die Namenkundlerin Wortstämme nach, sucht nach fremdsprachigen Einflüssen und berücksichtigt auch den Wandel von Sprache und Schreibweisen im Laufe der Jahrhunderte. Eine riesige Datenbank zeigt sprachliche Verwandtschaften zu anderen Wörtern auf; speziell für die Beratungsstelle entwickelte Programme liefern Informationen wie die geografische Verteilung eines Familiennamens in Deutschland oder historische Dokumente, in denen der Name auftaucht - wichtige Hinweise auf der Suche nach seinem Ursprung. „Manchmal kommen wir bei unserer Recherche zu mehreren Ergebnissen", erzählt Frau Rodriguez:
„Der Nachname Meißner etwa kann bedeuten, dass die Vorfahren aus Meißen kamen. Es kann aber auch sein, dass sie beruflich mit dem Meißener Porzellan zu tun hatten."
Mehr als 3000 Anfragen allein zu Vornamen landen jährlich in der Namenberatungsstelle. Zwei feste und sechs freie Mitarbeiter kümmern sich darum. Weitere Unterstützung kommt von den Studierenden des Wahlmoduls Namenkunde, das den ehemaligen Nebenstudiengang nach der Bologna-Reform abgelöst hat. Diese Hilfe nehmen Frau Rodriguez und ihre Kollegen gern an, denn zu ihrer Arbeit gehört noch mehr als die Beratung: Die Namenkundler veröffentlichen Fachbücher und eine Zeitschrift, bloggen, sind bei Facebook aktiv und veranstalten mit der Deutschen Gesellschaft für Namenforschung Workshops und Seminare. Aus Gutachten und Urkunden erstellen sie individuelle Geschenkbücher.
Die Arbeit wird Gabriele Rodriguez so schnell nicht ausgehen. Seit über zehn Jahren steigt das Interesse an Namenkunde und -beratung immer weiter an und treibt mitunter wunderliche Blüten. So meldeten sich anlässlich einer Fußballweltmeisterschaft die Medien in der Beratungsstelle und wollten wissen, welche Spieler aufgrund ihres Namens besonders erfolgreich sein könnten. „Natürlich kann man die Namen deuten"‚ sagt Frau Rodriguez schmunzelnd, „aber wie aussagekräftig das etwa bei Herrn Lahm ist, der ja dem Namen nach nicht gut laufen kann, bleibt dahingestellt."