Volker Pohlenz hat am 4. Dezember 2012 seine Arbeit, ein zweimal drei Meter großes Ölgelmälde „Die Weihe der Schlosskapelle zu Torgau" mit seinem Namenszug signiert. Er benutzte dazu russische Farbe, die er noch aus seiner unterstützenden Mitarbeit in den 1980ziger Jahren an dem Monumentalgemälde „Frühbürgerliche Revolution in Deutschland" aufbewahrt hatte. Und so spannt sich der Bogen: Am 16. Oktober 2012 jährte sich zum 25. Mal die Signierung des Meisterwerkes in Bad Frankenhausen durch den Schöpfer Werner Tübke. Volker Pohlenz gehörte damals zu einer Manschaft junger Maler, die ihre Fähigkeiten ganz in den Dienst des Meisters Werner Tübke stellte. Dazu gehörte, die altmeisterliche Malweise Tübkes perfekt kopieren zu können und diese zu beherrschen. Diese altmeisterliche Perfektion gepaart mit Kunstfertigkeit sticht dem Betrachter des Gemäldes „Die Weihe der Schlosskapelle zu Torgau", das am 4. Dezember auf Schloss Hartenfels im Heinrich-Schütz-Saal feierlich enthüllt und übergeben worden ist, ins Auge. Dort wird das Bild auf einer vom Tischlermeister Karl-Heinz Henkel, der auch den Rahmen für das Bild fertigte, dafür hergestellte Staffelei ausgestellt bleiben, bis es seinen endgültigen Platz in den Kurfürstlichen Gemächern auf Schloss Hartenfels finden wird, die gegenwärtig rekonstruiert werden. Das Bild wird zum 500-jährigen Reformationsjubiläum im Jahre 2017 noch einmal im Mittelpunkt der Öffentlichkeit stehen, denn kein geringerer als Martin Luther hatte am am 5. Oktober 1544 die Schlosskapelle auf Hartenfels geweiht. Sie war die erste kurfürstliche, reformatorische Kapelle.
Volker Pohlenz gelingt es, einen authentischen Moment der damals eilig anberaumten Weihe einzufangen und diesen zu einer lebendigen Bildkomposition zu verdichten, die den architektonischen Zustand der Schlosskapelle zum Zeitpunkt der Weihe mit einer illustren höfischen Gesellschaft zeigt. In dem Bildpersonal, das 71 authentische Personen aus damaliger Zeit erkennbar macht, sind die Zitate des Malers aus den Meisterwerken der Cranach-Werkstatt in Wittenberg unverkennbar. Pohlenz verlässt sich, und das gehört zu seinen Tugenden, in der Komposition und Darstellung auf akribische historische Studien und Archivalien. Er nimmt sich aber, wie viele Maler vor ihm, die künstlerische Freiheit, die höfische Gesellschaft so zu versammeln, wie sie damals niemals hätte zusammen kommen können, denn die abgebildeten Kinder zum Beispiel waren zum Teil noch nicht geboren oder die Kurfürsten Friedrich der Weise und Johann der Beständige, hier als Bild im Bild dargestellt, waren zum Zeitpunkt der Weihe schon mehrere Jahre verstorben. Aber das gehört zu den ausgeklügelten Finessen des Bildes, die den Betrachter zum Wissensreport herausfordern.
Im Zentrum des Bildes steht Martin Luther, der von der Kanzel predigt. Vis-á-vis sehen wir auf der ersten Empore wichtige Vertreter der Reformation, darunter Georg Spalatin und Philipp Melanchton. Alle befinden sich auf Augenhöhe mit dem Kurfürsten von Sachsen Johann Friedrich I., der in der Mitte der ersten Empore plaziert ist. Dieser erhielt den Beinamen „der Großmütige", weil er sich früh für die Reformation einsetzte und als Förderer und wichtiger Gönner Martin Luthers galt. Johann der Großmütige, Neffe Friedrichs des Weisen und Sohn Johanns des Beständigen, wurde am 30. Juni 1503 in Torgau geboren. Torgau war damals neben Wittenberg, Dresden und Meißen ein Zentrum der Macht der Herrscher aus dem Hause Wettin. Schloss Hartenfels wurde damals zu einem der modernsten Wohnschlösser in Europa ausgebaut. Dass der Untergang der ernestinischen Herrschaft mit der Gefangennahme von Johann dem Großmütigen nach verlorener Schlacht bei Mühlberg bald bevorstand, ahnte niemand. Allenfalls Moritz von Sachsen, der die Kurwürde dann übernahm, plante schon den Übertritt in das katholische Lager des Kaisers. Er ist ebenso abgebildet wie der Kurfürst Joachim II. von Brandenburg. Die Porträts der beiden wichtigen Vertreter des deutschen Hochadels gehen zurück auf Grafiken, Tafelbilder und Ölgemälde aus dem 16. Jahrhundert. Das gilt für das gesamte Bildpersonal. Nur einige können in diesem Rahmen beschrieben werden. Deshalb ist zu empfehlen, Torgau und das Schloss Hartenfels zu besuchen und das Bild im Heinrich-Schütz-Saal selbst anzusehen.
Jedoch sollen neben den Vertretern aus dem Adel einige Bürgerliche noch genannt werden. So sehen wir am rechten unteren Bildrand auffällig positioniert Lucas Cranach den Jüngeren und, rechts gleich daneben, Lucas Cranach den Älteren, gewissermaßen als Paten dieses Ölgemäldes. Ob sie tatsächlich teilgenommen haben, bleibt offen. Vom sagenumwobenen Hofnarr Friedrich des Weisen, Claus Narr, der in der rechten unteren Bildhälfte hockt, wissen wir es: Er war bereits verstorben. Von ihm ist im Flügel C des Schlosses noch heute eine Altanfigur zu bewundern, die dem Maler als Vorlage diente.
Die Leser der www.sachsen-lese.de, dort unter „Streifzüge" und „Sagen und Märchen", kennen einen anderen damals berühmten Bürgerlichen, den treuen Oberförster Thomas Meißner aus Weidenhain, der dem Kurfürsten August einst das Leben bei der Bärenjagd gerettet hatte. Ihn nimmt der Maler mit ins Bild. Zum Andenken an das böse Abenteuer wurde später mitten im Walde an der heutigen B183 bei Weidenhain eine Steinsäule errichtet. Auf ihr wird die Szene dargestellt. Die Steinsäule hat die Jahrhunderte überlebt und ist noch heute als „Bärensäule" bekannt.
Volker Pohlenz war es wichtig, am linken unteren Bildrand den Laienchor unter Leitung des Kantors Johann Walter zu plazieren, der in diesem Weihegottesdienst die musikalische Ausgestaltung übernommen hatte. Von Johann Walter existiert keine Abbildung, deshalb hat der Maler eine Collage eingefügt, der das originale Notenblatt aus der eigens dafür komponierten Mottete mit dem Namenszug des Kantors zeigt. Nicht nur hier erkennen wir die originäre künstlerische Gestaltungskraft von Volker Pohlenz.
Martin Luther handelte nach dem Grundsatz „Die Musik ist die beste Gottesgabe". Er gestand der Musik im Gottesdienst größte Bedeutung zu. Dass sie von Laien dargeboten wird, war eine Neuerung der Reformation. Die Johann-Walter-Kantorei war das Vorbild für das Kantoreiwesen in Deutschland bis in die heutige Zeit hinein. Und so schließt sich der Kreis.
Quellen:
- Gespräche der Autorin mit dem Maler Volker Pohlenz
Klöppel, Lydia: Volker Pohlenz: Die Weihe der Schlosskapelle zu Torgau, aus: Kulturraum Leipziger Raum, Dezember 2012
Rainer Groß, Stephan Hoppe, Ruth von Bernuth, Hans-Joachim Krause, Christoph Wetzel, Friedhelm Brusniak, alle in: Glaube und Macht, Dresden 2004 und 2006
Delang, Steffen: Torgau. Stadt der Rennaissance, Dresden 2004