Sachsen-Lese

Gehe zu Navigation | Seiteninhalt
Sachsen-Lese
Unser Leseangebot

 

Friedrich W. Kantzenbach

Erfundenes Glück

Der Autor beschäftigt sich auf lyrischem Weg mit den essentiellen Dingen des Lebens. Er reflektiert seine reichen literarischen Begegnungen und verarbeitet Reiseerlebnisse und persönliche Bekanntschaften mit Menschen, die ihn beeindruckten. Zunehmend durchdringen die Themen Krankheit, Tod und Vergänglichkeit seine Texte.

 

Strenge Verhaltensregeln für Wehmütter

Strenge Verhaltensregeln für Wehmütter

Lutz Fritzsche

Um 1800 galt Meldepflicht beim vorgesetzten Physikus, denn uneheliche Geburten wurden angezeigt.

Welch ein schöner Beruf, den kleinen Erdenbürgern den Eintritt in diese Welt zu erleichtern und zu überwachen und der beglückten Mutter in der schweren Stunde mit Umsicht und Hingebung beizustehen. Freilich ist die Hebammentätigkeit auch sehr verantwortungsvoll, denn Leben und Gesundheit sind ihr anvertraut. Auch erfordert die gewissenhafte Ausübung Opfer an Bequemlichkeit. Egal ob bei Wind und Wetter, ob Tag oder Nacht – die Hebamme muss immer bereit sein. Da die Arbeit der Geburtshilfe sehr wichtig ist, erfordert sie natürlich auch eine sorgfältige Ausbildung.


Aber schon früher wussten Staat und Volk ihre Bedeutung zu schätzen, oft mehr als heute. Besondere Institute zur Ausbildung gab es zwar noch nicht, vielmehr wurden die Hebammen durch beamtete praktische Ärzte ausgebildet. In schweren Fällen hatten sie schon damals einen Arzt zuzuziehen. 1788 stellte der Eilenburger Physikus folgendes Attest aus: „Ich, Endesbenannter, attestiere hiermit, dass Maria Elisabeth Kaiser aus Authausen in dem heute mit ihr gehaltenen Examen mit Geschicklichkeit genug, natürlich leichte Geburten zu behandeln, gezeigt hat, auch Hoffnung macht, aus dem ihr noch einige Zeit zu erteilenden Unterricht (wozu sie sich noch ein paarmal zu stellen verbindlich gemacht hat) so viele Fähigkeiten zu erlangen, dass sie zu dem Amte einer Kindmutter zu Authausen und Pressel gehörig vorstellen werde“.

Die Gemeinde Authausen beantragt beim Amtmann die Bestellung der Kaiserin. Dem Antrag war vorstehendes Attest und ein weiteres vom Pfarrer Leuchte über den christlichen und unbescholtenen Lebenswandel der Bewerberin beigefügt. Nachdem ihr die Verhaltenspunkte vorgetragen und der Eid abgenommen waren, wurde sie dem Antrag gemäß bestellt. 1808 erhielt eine Frau vom Alaunwerk bei Düben, die sechs Monate lang theoretischen und praktischen Unterricht beim Dübener Physikus Würzener genommen hatte, das Zeugnis „sehr gut“. Auch hier wurde es mit der Maßgabe erteilt, dass die Bewerberin „in allen Fällen sich des Rates und des Beistandes ihres vorgesetzten Physikus zu bedienen und bei regelwidrigen schweren Geburten, da ihr die Wendung nicht nachgelassen ist, einen legitimen Geburtshelfer in Zeiten herbei zu holen habe.“ Auch durfte sie sich niemals über 24 Stunden von ihrem Wohnort entfernen, ohne dem Physikus und der Obrigkeit dies zu melden.

Der Amts- und Stadtphysikus bezog 65 Taler Zinsen aus einem 1794 gestifteten Legat der Neuhofbesitzerin Frau Flitner. Dafür hatte der Physikus bei armen Kreißenden unentgeltlich Geburtshilfe zu leisten und die Wehmutter unentgeltlich zu unterrichten. Aus den „Verhaltenspunkten“ von 1788 und der Eideserklärung verdient herausgehoben zu werden, dass die Wehmutter immer nüchtern sein, überhaupt hitzige Getränke meiden solle, ferner sich vor dem „den meisten Hebammen noch anklebenden Missbrauch des Namen Gottes mit abergläubischen Unternehmungen, Beschützung des Bades, Tage wählen bei dem Bade und dergleichen hüten solle“. Sie hat niemals Arznei anzuwenden, sondern höchstens Rhabarbersaft und dergleichen unschädliche Mittel. Sie solle ferner verschwiegen sein und „nicht vor Weibern ausbreiten, was die Schamhaftigkeit verborgen gehalten will“. Hingegen soll sie der Obrigkeit oder dem vorgesetzten Medico ungesäumt anzeigen, wenn sie von unehelichen Geburten erfährt.

Bildnachweis

Beide Abb. sind Wikimedia entnommen; sie sind gemeinfrei.

Weitere Beiträge dieser Rubrik

Sommertheater Malve
von Dr. Konrad Lindner
MEHR
Anzeige:
Unsere Website benutzt Cookies. Durch die weitere Nutzung unserer Inhalte stimmen Sie der Verwendung zu. Akzeptieren Weitere Informationen