Die SBZ/DDR-Zeit hat Karlheinz Blaschke voll umfänglich erlebt, erlitten und auf seine Weise gestaltet. Geboren wie seine Mutter Kriemhilde, später Hilde, in Schönlinde in Nordböhmen, kamen beide nach dem frühen Tod des Vaters Heinrich (geb. 1897 in Hundorf /Böhmen- gest. 1936 Schönlinde) an TBC nach Leipzig. Der Vater war Autoschlosser und Monteur. Sein Sohn demnach Arbeiterkind nach der neuen DDR-Staatsräson. Die Mutter heiratete 1939 den Chemielehrer Dr. Gerhard Meinke, der selbst Witwer war und eine Tochter und einen Sohn in die Ehe mit einbrachte. Etwa 1940 zog die neue Familie nach Holzhausen in den Amselweg 2. Dort hatten sie ein Haus gekauft. Für Karlheinz Blaschke war es keine leichte Zeit. In dem Haus behielt er auch später noch ein Zimmer, als er an der Kirchlichen Hochschule, dem Theologischen Seminar, in Leipzig lehrte. In Rumburg bei Schönlinde besuchte er die Grundschule und anschließend in Leipzig die erweiterte Nikolai-Oberschule, unterbrochen durch Kriegsdienst und Gefangenschaft 1944/45. Nach Ende des Krieges legte er 1946 das Abitur ab, bestand 1948 die landwirtschaftliche Gehilfenprüfung und begann das Studium der Geschichte, Germanistik und Latinistik an der Universität Leipzig. Sein besonderes Interesse galt der sächsischen Landesgeschichte. Als Hilfsassistent arbeitet er zusätzlich im Universitätsarchiv. Sein akademischer Lehrer Rudolf Kötzschke förderte und forderte ihn. Bereits im Dezember 1950 promovierte Blaschke mit einer Arbeit über die fünf neuen Universitätsdörfer, darunter Holzhausen. Anschließend nahm er das Studium der Archivwissenschaft bei Heinrich Otto Meisner am Institut für Archivwissenschaft in Potsdam auf. Zwei Jahre später, nach erfolgreichen Abschluss seines Studiums, entschied sich Blaschke für das traditionsreiche Landeshauptarchiv in Dresden. In dieser Zeit entstand eines seiner Hauptwerke, das vierbändige „Historische Ortsverzeichnis von Sachsen“, zuletzt 2006 neubearbeitet in zwei Bänden.
1968 verlässt er aus politischen Gründen das Landeshauptarchiv und nimmt die einzige nichttheologische Dozentur an der Kirchlichen Hochschule in Leipzig, die staatlich nicht anerkannt war, an. Hier lehrte er bis 1990 und bildete künftige evangelische Theologinnen und Theologen aus, die keinen Platz an der Universität erhalten hatten. Der damalige Student und heutige Pfarrer Matthias Weber erinnert sich: „Unvergessen ist seine Vorlesung "40 Jahre DDR" vor einer großen Zuhörerschaft … Wer hätte damals gedacht, dass das schon ein Abgesang auf die DDR war.“
Blaschke lehnte die marxistische Regionalgeschichtsschreibung ab und forschte weiter zur Landesgeschichte. Als bekennender Christ hatte er kaum noch Spielräume im offiziellen System der DDR, vor allem keine Publikationsmöglichkeiten. An die fällige Ernennung zum Professor war nicht zu denken. Die wiederum verhinderte, vorgegeben, seine Mitgliedschaft in der Sächsischen Akademie der Wissenschaften. Lediglich in die Historische Kommission bei der Sächsischen Akademie der Wissenschaften war er früh gewählt worden. Sie war sein Forum im Oktober 1989 und 1998 wurde er zu ihrem Vorsitzenden bestimmt. Inzwischen hat er die erste Professur für Landesgeschichte an der TU Dresden innegehabt und war ordentliches Mitglied der Sächsischen Akademie der Wissenschaften zu Leipzig. Zu den zahlreichen Ehrungen gehörte auch 1999 die Verleihung des Bundesverdienstkreuzes erster Klasse.
Blaschke war seit über 60 Jahren Mitglied der Historischen Kommission, zuletzt ihr Senior. Die vergangenen 30 Jahre sollten seine fruchtbarsten werden. Genannt seien nur der “Atlas zur Geschichte und Landeskunde von Sachsen“ und die „Geschichte Sachsens im Mittelalter“. Neu belebt hat er das „Neue Archiv für Sächsische Geschichte“ mit dem 64. Band und die „Sächsischen Lebensbilder“.
Mit der Zuwahl in die Historische Kommission 1957 folgte nicht der akademische Aufstieg. Für die zweite deutsche Diktatur sollte Blaschke bald zur persona non grata werden, ein sogenannter bürgerlicher Historiker. Die Historische Kommission sollte für ihn über drei Jahrzehnte das einzige Forum bleiben, in dem er gleichzeitig den Gedankenaustausch mit Gleichgesinnten und die sachliche Auseinandersetzung mit marxistischen Historikern führen konnte. Als die von Blaschke vertretene Landesgeschichtsforschung zur „Regionalgeschichte“ und schließlich zu Geschichte der örtlichen Arbeiterbewegung verkam, hat er folgerichtig unter Einschluss großer persönlicher Schwierigkeiten seine Publikationstätigkeit nach der Bundesrepublik Deutschland verlagert. In vorbildlicher Weise hat er die Sächsische Geschichte gegen politisch determiniertes Denken vertreten, einer unterwürfigen marxistischen Regionalgeschichtsschreibung widersprochen. Davon zeugen die Protokolle der Historischen Kommission.
Etwa ab 1960 haben Blaschke
und der Germanist und Historiker Hans Walther eine besonders
wertvolle Schriftenreihe in der Kommission begründet und unter
schwierigen drucktechnischen Bedingungen im Sächsischen
Hauptstaatsarchiv auch betreut, die „Quellen und Forschungen zur
Sächsischen Geschichte“.
Als
zu Beginn der 80iger Jahre innerhalb der Historischen Kommission eine
Verfassergruppe gebildet wurde mit dem Ziel, eine Geschichte Sachsens
zu schreiben, blieb Blaschke auf heute wie damals seltsam anmutende
Weise davon ausgeschlossen, obgleich er nach eigener Aussage „mehr
als jeder andere über die Sächsische Geschichte veröffentlicht“
hatte.
Blaschke hat der Historischen Kommission in seiner langjährigen Mitgliedschaft mehr gegeben als umgekehrt. In seiner geraden, aufrichtigen Art hat er der Kommission mehr als einmal den Spiegel vorgehalten. Gewiss wurden Wunden geschlagen, auch nahm die Diskussion zuweilen scharfe Konturen an. Seine überlegenen Fähigkeiten und festen Überzeugungen ließen ihn manchmal als kantig erscheinen; er tat es aber immer um der Wahrhaftigkeit willen.
Stets unterschied er zwischen der sachlichen Auseinandersetzung und der persönlichen Würde, deren Schutz auch der größte Gegner von ihm erwarten durfte. Er verachtete die Lauen, die ihm besonders geschadet haben, Kombattanten des alten Regimes, Mitläufer, die plötzlich als Opfer ihre Rolle fanden und die zahllosen Inkonsequenten, die früher selbst an den Verhältnissen partizipierten und nun auf ihre machtlosen Gönner ein- und nachschlagen, um von sich selbst gebührend abzulenken. Blaschke blieb bis zuletzt das kritische Gewissen der Kommission.
Sein letztes großes Werk sprengte 2013 den sächsischen Rahmen: Nikolaikirchen und Stadtentstehung in Europa. Von der Kaufmannssiedlung zur Stadt. Der heilige Nikolaus als Schutzpatron der Kaufleute in Europa. Blaschke und der Kartograph Uwe Ulrich Jäschke kommen zu dem Schluss, dass zwischen dem europäischen Aufbruch und dem Nikolauskult ein Zusammenhang besteht.
Mit diesem Werk hinterlässt Blaschke ein kaum zu überschätzendes Zeugnis zur Entstehung der mittelalterlichen Stadt.
Karlheinz Blaschke war verheiratet mit Renate, geb. Hellmessen 1931 in Bad Lausick, seit 1954. Seine Frau hat Biologie studiert, promoviert und habilitiert. Sie war als Professorin für medizinische Mikrobiologie an der TU Dresden tätig. Aus der Ehe sind zwei Mädchen hervorgegangen: Mechthild (geb. 1962) und Gundula (geb. 1965).