Sachsen
feiert im Jahr 2019 gemeinsam mit weiteren deutschen Ländern das
100-jährige Jubiläum des Bauhauses. Die Avantgardeschmiede, die am
14. April 1919 von Walter Gropius als "Staatliches Bauhaus
Weimar" gegründet wurde, wird häufig mit weißen Flachbauten
und Stahlrohrmöbeln assoziiert. Das Bauhaus beschritt aber nicht nur
neue Wege in Kunst, Architektur und Design. Es ging den Bauhäuslern
um nichts Geringeres als den Anspruch, die Lebenswelt zu reformieren
und den Alltag neu zu gestalten. Auch in Sachsen werden im
Jubiläumsjahr zahlreiche Ausstellungen und Veranstaltungen
angeboten, die das Bauhaus und die Moderne beleuchten. Die Resonanz
des Bauhauses hält bis heute an und prägt wesentlich das Bild
modernistischer Strömungen.
„Das Endziel aller bildnerischen Tätigkeit ist der Bau! […] Architekten, Bildhauer, Maler, wir alle müssen zum Handwerk zurück! […] Der Künstler ist eine Steigerung des Handwerkers.“
– Walter Gropius: Bauhaus-Manifest
Weitere Informationen: https://www.bauhaus100.de/programm/
Die Chemnitzerin Marianne Brandt gehört zu den bekanntesten Frauen, zur Avantgarde der Klassischen Moderne, am Bauhaus Weimar, später ansässig in Dessau Brandt ist dort ausgebildet worden und hat als Künstlerin für das Bauhaus gearbeitet. Berühmt geworden ist sie mit ihrer mondänen Kreation „Tee-Extrakännchen“ aus Messing und Ebenholz von 1924, das in keiner Veröffentlichung und in keiner Ausstellung über das Bauhaus fehlen darf. Auch ihre Aschenbecher, Kaffee- und Teeservices und Zuckerschalen gehören zu den berühmten Arbeiten. MT 49 – eine miniaturisierte Teekanne aus Silber und Ebenholz – hält den Rekord für den höchsten Preis, der jemals für eine Bauhaus-Kreation gezahlt worden ist: Im Jahr 2007 sind dafür 361 000 US-Dollar geflossen. Weniger bekannt ist die Vielfalt des Schaffens der Marianne Brandt. Lampen aus Metall, Gemälde, Skulpturen, Fotos, Zeichnungen, Collagen und Schmuck, viele Gebrauchsgegenstände im Alltag, gehören zu ihrem Werk. So verkaufte die Leipziger Lampen-Firma Kandem zehntausende Lampen nach Brandts Entwürfen. Ihr Motto lautete:
Keinen Tag ohne Suche!
Die am 1. Oktober 1893 in Chemnitz geborene Marianne Liebe stammte aus einem gutbürgerlichen Elternhaus. Ihr Vater, Franz Bruno Liebe, ein Rechtsanwalt, war Mitglied der Chemnitzer Kunsthütte und des Theatervereins. Marianne wuchs mit zwei Schwestern in einem noblen Wohnviertel in einem Haus auf, in dem Kunst, Musik und Literatur zum Alltag gehörten. Sie besuchte eine privat geführte, höhere Mädchenschule. Die Eltern förderten ihre Talente. Deshalb durfte sie bereits mit 18 Jahren nach Weimar gehen, um dort erst an der Freien Zeichenschule und ab 1912 an der „Großherzoglich-Sächsischen Hochschule für Bildende Kunst“ eine Ausbildung als Malerin aufzunehmen. Dort lernte sie ihren Mann, den Norweger Erik Brandt, kennen, den sie 1919 heiratete. Bereits 1918 hatte sie die Hochschule verlassen. Sie folgte ihrem Mann nach Oslo, später ging das Paar auf Studienreisen, sie lebten ein Jahr in Paris. Ende 1921 kehrte Marianne Brandt nach Weimar zurück, ihr Mann lebte später in Oslo bei seiner Familie.
Nachdem Marianne Brandt die große Weimarer Bauhaus-Ausstellung 1923 gesehen hatte und von der neuen Art der Kunst und Gestaltung tief beeindruckt war, schrieb sie sich im Wintersemester 1923/24 im Staatliche Bauhaus ein. Ihre Lehrer am Bauhaus waren László Moholy-Nagy und Josef Albers. Auch wurde sie von Wassily Kandinsky und Paul Klee unterrichtet. Moholy-Nagy erkannte in ihr das Talent. In einem Brief schrieb er:
„Meine beste und genialste Schülerin. Von ihr stammen 90 Prozent aller Bauhausmodelle.“
Moholy-Nagy bereitete Brandt auf die Arbeit in der Metallwerkstatt vor, so dass sie in diese „Männerdomäne“ wechseln konnte, anders als andere Bauhaus-Frauen, die traditionell in der Weberei arbeiteten. Im Jahre 1925 begann Marianne Brandt am Bauhaus, Metalllampen zu gestalten, insgesamt entwickelte sie 28 Modelle, für die sie berühmt geworden ist. Nach dem Weggang Moholy-Nagys war sie vom 1. April 1928 ein Jahr lang kommissarische Leiterin der Metallwerkstatt in Dessau. Marianne Brandt schrieb im Rückblick über diese Zeit:
„Eine lange handwerkliche Ausbildungszeit war mir nicht vergönnt. Es hieß sehr bald: entwerfen, ausführen, helfen, sich umtun und zuletzt, auf dringendes Zureden von Gropius und Moholy, als sie gleichzeitig das Bauhaus verließen, und auch ich aufgeben wollte, die Leitung der Werkstatt auf ein Jahr provisorisch zu übernehmen [...] doch schließlich musste ich endgültig Abschied nehmen, so schmerzlich es auch war. Doch hatte ich bald darauf die Freude, im Bauatelier von Gropius in Berlin mitzutun. Auch das war eine – wenn auch allzu kurze – glückliche Zeit!“
Nach diesem kurzen, vier Monate langen Zwischenspiel als Innenarchitektin im Architektenbüro von Gropius in Berlin, wird sie Ende 1929 Leiterin der Entwurfsabteilung der Ruppelwerke GmbH in Gotha. Sie richtete die Abteilung neu aus: Statt Luxus- und Scherzartikel konzentrieren sich die Entwürfe auf praktische Bedarfsgüter. Ende 1932 wird sie entlassen und bleibt bis 1948 arbeitslos. Ihre Karriere bricht mit der Machtübernahme der Nationalsozialisten jäh ab, denn diese fassen die Bauhaus-Bewegung als „entartete Kunst“ auf.
Marianne Brandt geht in ihr Elternhaus nach Chemnitz zurück und greift wieder zum Pinsel und malt, schlägt sich mit Gelegenheitsarbeiten durch. Vereinzelt kann sie gegenständliche Bilder ausstellen. 1936 wird ihre Ehe geschieden, ein Jahr später stirbt ihr geliebter Vater.
Nach dem Krieg bleibt Marianne Brandt in Chemnitz und kann ab 1946 ihre Bilder wieder in der Öffentlichkeit zeigen. Sie engagiert sich im Kulturbund, in der Gewerkschaft und im Künstlerverband. Und, anders wie von ungebildeten und von der eigenen Propaganda ideologisch befangenen Filmleuten dargestellt, erhält sie eine Dozentur von 1949 – 1951 an der Hochschule für Bildende Kunst in Dresden. Von 1951 – 191954 wird sie Dozentin an der Hochschule für angewandte Kunst in Berlin-Weißensee. !953/54 reiste sie einige Monate nach China, um dort eine Ausstellung Deutsche Angewandte Kunst in der DDR künstlerisch zu betreuen. Danach, nun im Rentenalter, widmete sie sich in ihrer Heimatstadt der freien Kunst und dem Kunsthandwerk. Hochbetagt starb sie am 18. Juni 1983 in einem Pflegeheim in Kirchberg bei Zwickau, sie liegt auf auf dem Nikolaifriedhof in Chemnitz-Altendorf begraben.
Bildnachweis
Kopfbild:
Irmgard Sörensen-Popitz and Marianne Brandt in 1926
Quelle:http://www.grassimuseum.de/fileadmin/content/grassi/kunst/Presse/Bauhaus_Sachsen/Inventar_100962.jpg
Urheber unbekannt
Abb. 2: Bauhaus designs on german postage aus Wikimedia, gemeinfrei
Abb. 1 und 3:
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