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Friedrich W. Kantzenbach

Erfundenes Glück

Der Autor beschäftigt sich auf lyrischem Weg mit den essentiellen Dingen des Lebens. Er reflektiert seine reichen literarischen Begegnungen und verarbeitet Reiseerlebnisse und persönliche Bekanntschaften mit Menschen, die ihn beeindruckten. Zunehmend durchdringen die Themen Krankheit, Tod und Vergänglichkeit seine Texte.

 

Pumphut im  Vogtland

Pumphut im Vogtland

In Sachsen und weit darüber hinaus erzählt man sich mancherlei Geschichten von einem

wandernden Müllerknappen, den man »Pumphut« nannte. Auf seinen weiten Wanderungen zog

der Bursche dem Wasser nach von Mühle zu Mühle. Wo es ihm gefiel, da blieb er, und für einen

Schnaps machte er den Leuten allerlei ergötzliche Schwänke und spaßige Dinge vor. Nur wo man

ihm absichtlich schlechte Kost vorsetzte oder ihn gar hungern ließ, spielte er den Leuten arge

Streiche. Sonst war er ein harmloser Geselle. Wenn Pumphut an einen größeren Fluß kam,

machte er sich einen Papierkahn, setzte sich hinein und fuhr hinüber. Elbe, Saale und Mulde

hatte er auf diese Weise überquert. Zuweilen ritt er auf einer großen Heuschrecke durch die Luft.

Bei Dresden setzte Pumphut einmal bei großer Windstille alle Windmühlen in Bewegung, indem

er durch ein Nasenloch blies, während er das andere zuhielt. Einige Männer an der Saale

verweigerten ihm das übliche Handwerksgeschenk. Diesen leitete er das Wasser ab. Wer ihn

aber freundlich aufnahm, dem fehlte es nie an Wasser.

Im Vogtland. Foto Roland Drexler, Zaulsdorf.
Im Vogtland. Foto Roland Drexler, Zaulsdorf.


Einst wanderte Pumphut im Vogtland an der Burkhardsmühle vorbei. Drin waren viele Gäste, und

es ging gar lustig zu, denn ein neues Rad sollte gehoben werden. Das kam dem Pumphut gerade

recht, denn einen guten Schmaus und einen festen Trunk hatte er allezeit gern. Er trat auch gleich in

die Stube und setzte sich in eine Ecke.

Der Müller dachte: »'s ist nur ein wandernder Mühlgeselle«, und trug ihm ein Stück Brot auf und

ein Glas Branntwein dazu, nicht eben vom besten. Pumphut verzehrte das Gebotene und trollte sich

weiter. Als nun aber das Radheben angehen sollte; O weh, da war die Welle viel zu kurz – sie hatte

doch eben erst aufs Haar gepaßt!

Nun fiel den Gästen der wandernde Geselle ein, und es ging ihnen ein Licht auf. »Das wird der

Pumphut gewesen sein!« meinte einer. »Lauft, was ihr könnt, und bringt ihn wieder her.«

Ein paar Leute machten sich gleich auf die Beine und sahen bald den Pumphut dahinwandern. Sie

liefen, so rasch sie die Füße trugen, konnten ihn aber nicht erreichen. Endlich blieb er stehen und

hörte auf ihr Rufen. Doch erst nach langem Bitten ließ er sich bewegen, wieder umzukehren. Ehe er

aber in der Mühle ans Werk ging, aß und trank er sich einmal tüchtig satt. Dann ließ er sich zum

Rad führen, besah die Welle von allen Seiten, klopfte mit seinem Hütlein dran herum, und, siehe

da, auf einmal saß sie in dem Zapfen und paßte wie zuvor. Darüber war große Freude in der Mühle.

Pumphut aber wanderte still von dannen und ward seither nicht mehr gesehen.

Quelle:

Projekt Gutenberg - Klassische Literatur Online

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