Sachsen-Lese

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Heft 4

Konsonantenverbindungen sind schwer. Wir üben sehr!

Nun kommen Wörter mit neuen Lautbildungen (z. B. sp oder ng) schwierige Konsonantenverbindungen (z. B. Mitlautgruppen am Wortanfang) und ausgewählte rechtschreibliche Besonderheiten (z. B. ck oder tz). Die Wörter werden, in einem Übungswortschatz zusammengefasst, gelesen, geschrieben und mit den Rechtschreibkommentaren nach Prof. Weigt markiert.

Ein Drink bei Werner Finck

Ein Drink bei Werner Finck

Dr. Peter Gutjahr-Löser

Schufterle: „Ja, stelle mich vor ein Heer Kerls wie ich und

ich will aus Deutschland eine Republik machen, in der Satire

Pflichtfach wird wie Religion und Turnen! "

 

Dieter Hildebrandt

Werner Finck
Werner Finck

Am zweiten Weihnachtsfeiertag 1971 klingelte gegen drei Uhr nachmittags in meiner Wohnung in Gauting bei München das Telefon. ,,Hier spricht Werner Finck. Kennen Sie mich?" - Und ob ich ihn kannte. Aber mir verschlug es fast die Stimme. Werner Finck? Dieser schlagfertigste aller Satiriker, der die Nazis und speziell ]osef Goebbels bis zur Weißglut geärgert hatte? - Der 1934 im ,,Kabarett der Komiker" den Zwischenruf ,,Sie ]udenlümmel!" mit der Antwort parierte: ,,Sie irren. Ich sehe nur so intelligent aus!" - Mein Idol Werner Finck an meinem Telefon? - ,,Natürlich", stotterte ich, ,,selbstverständlich weiß ich, wer Sie sind." - ,,Können Sie gleich mal auf einen Drink bei mir vorbeikommen? Ich wohne in Schwabing, in der Destouches-Straße 67."

Ich ließ alles stehen und liegen, sprang in mein Auto und klingelte keine halbe Stunde später an seiner Wohnung. ,,Das ist schön, dass Sie gleich gekommen sind. Sie wissen also, wer ich bin?" - ,,Ich habe gerade Ihr Büchlein ,Der brave Soldat schweigt‘ gelesen." - ,,Psst! Dieses Wortspiel hat mir der Verlag von Haseks Schwejk-Roman gerade verbieten lassen. Das Buch musste mit dem neuen Titel ,Der brave Soldat Finck‘ neu herausgebracht werden. " - ,,So weit sind wir also schon wieder damit, dass Satire behindert wird. Die Herren bei Rowohlt müssten doch fröhlich sein darüber, wenn für ihren Klassiker auf diese Weise und noch dazu von einem Werner Finck geworben wird!" - ,,Ach wissen Sie, ich sehe darin nichts prinzipiell Fragwürdiges. Die Leute haben eben keinen Humor." -- ,,Aber genau das ist es doch! --- Sie haben doch in Ihrer Rede ,Sire, geben Sie Gedanken ...‘ selbst festgestellt, dass Sie den Nazis nicht als Satiriker unangenehm waren, sondern dass die keinen Humor hatten und es nicht ertragen konnten, dass Sie es allein damit geschafft haben, die braune Bande lächerlich zu machen." - „Da haben Sie schon recht. Aber wissen Sie, wenn heute jemand mit Hilfe von Anwälten oder Gerichten etwas durchsetzt, selbst wenn er sich damit lächerlich macht, dann geht das doch nicht an den Nerv. - Nein, mir geht es jetzt um etwas anderes, und deshalb habe ich Sie um Ihren Besuch gebeten." Und dann legte er mir auseinander, dass er es nicht mit ansehen könne, wie die beste Verfassung, die unser Land je besessen habe, von Feinden der Demokratie und Radaubrüdern bekämpft werde. Ich kenne ja, wie er gerade gehört habe, seine Rede, mit der er vor drei Jahren durch das Land gezogen sei. Die Leute seien in Scharen gekommen, sie hätten gelacht und geklatscht. Und das sei es dann aber auch gewesen. Nein, jetzt wolle er sich stärker einsetzen. Er wolle in die Schulen gehen und dort für die Verfassung werben: ,,Und man hat mir erzählt, Sie seien der Mann, der so etwas organisieren kann, denn dazu fehlt mir jede Fähigkeit."

Welch eine Herausforderung! Aber Fincks Anruf hatte mich erreicht, als ich gerade damit beschäftigt war, meine Koffer für einen Umzug nach Bonn zu packen, denn ich war am 23. Dezember aus der Generalverwaltung der Max-Planck-Gesellschaft in München ausgeschieden, um im Januar in Bonn das Amt des Geschäftsführers des Bundes Freiheit der Wissenschaft anzutreten, die Geschäftsstelle aufzubauen, die Lobby- und Pressetätigkeit anzukurbeln und dafür zu sorgen, dass die Sektionen an den einzelnen Universitäten Unterstützung erhielten - eine Aufgabe, die meinen vollen Einsatz forderte und die es unmöglich machte, auch noch eine Tournee Werner Fincks durch die deutschen Gymnasien zu organisieren. Im Nachhinein habe ich mich allerdings darüber geärgert, dass mir nicht eingefallen ist, dafür einfach einen weiteren Mitarbeiter anzustellen. Aber hinterher ist man ja immer klüger.

Aus dem einen Drink am Nachmittag wurden schnell mehrere. Wir entdeckten schon bald die gemeinsame Grundstimmung und als gegen 10 Uhr abends Fincks Lebensgefährtin nachschauen kam, wann ich endlich ginge, bat er um ein paar belegte Brote und der vergnügte Abend ging weiter. Finck zeigte mir Manuskripte und sprach von seinen Plänen, von seiner Rolle in Rainer Werner Faßbinders Fernsehserie ,,Acht Stunden sind kein Tag", in der er zusammen mit Louise Ullrich ein Rentnerehepaar auf Wohnungssuche dargestellt hatte. Er, Finck, habe sich nicht an das Textbuch gehalten, sondern ein paar Gags aus der Situation heraus erfunden, was die Ullrich ihm sehr übel genommen habe, von Faßbinder aber begeistert aufgenommen worden und in den Filmen erhalten geblieben sei. Um drei Uhr morgens stand ich wieder auf der Straße - es war ein herrlicher Abend gewesen.

Fünf Jahre später erhielt ich den Auftrag, für das zum Bildungszentrum der Hanns-Seidel-Stiftung umgebaute Sanatorium in Wildbad Kreuth eine Veranstaltung für Ofliziere der Bundeswehr zu planen. Das Programm der Tagung, die sich mit militärischem Führungsverhalten beschäftigen sollte, wurde gemeinsam von mir und einem Hauptmann des Münchener Wehrbezirkskommandos vorbereitet. Da es sehr viele und anspruchsvolle Themen behandelte, hielt ich eine Auflockerung dringend für erforderlich. Ich rief Werner Finck an und fragte, ob er aus seinem ,,Braven Soldaten" etwas vortragen würde. Er stimmte sofort zu, machte aber zur Bedingung, dass es hinterher zu einer Diskussion mit den Soldaten kommen müsse, was ich natürlich gern versprach.

Die Freude über seine Zusage währte nur kurz: Der Vorsitzende der Stiftung, Fritz Pirkl, erinnerte sich wohl noch daran, dass die CSU in den frühen fünfziger Jahren heftig gegen Fincks Kritik am Aufbau der Bundeswehr polemisiert hatte, und zwang mich, den Kabaretdsten wieder auszuladen. Das Telefonat, mit dem dies geschah, ist mir als das peinlichste Gespräch meiner Berufslaufbahn in Erinnerung geblieben. Finck ließ es mich nicht entgelten, im Gegenteil: Als er kurze Zeit später auf Einladung von Franz ]osef Strauß an einem Abend in der Bayerischen Landesvertretung in Bonn mitgewirkt hatte, verzichtete er auf das Honorar und ließ es dem Bund Freiheit der Wissenschaft überweisen.

Wildbach Kreuth, Hanns-Seidel-Stiftung.  Foto: J. Patrick Fischer.
Wildbach Kreuth, Hanns-Seidel-Stiftung. Foto: J. Patrick Fischer.

Kurz vor meinem Ausscheiden aus der Hanns-Seidel-Stiftung brachte ich Finck doch noch nach Wildbad Kreuth. Ich ahnte nicht, dass es sein letzter öffentlicher Auftritt werden sollte: Der mir väterlich-freundschaftlich verbundene Direktor der Akademie für politische Bildung in Tutzing, Manfred Hättich, fragte bei mir an, ob er nicht seine jährliche Mitarbeitertagung, die bisher immer in der Bildungsstätte der Friedrich-Ebert-Stiftung am Kochelsee stattgefunden hatte, auch einmal in Wildbad Kreuth durchführen könne. Da er mit seinem gesamten Personal kommen wollte, also von den Dozenten und wissenschaftlichen Assistenten über das Küchenpersonal, die Zimmermädchen bis zum Gärtner, überlegten wir ein passendes Thema und fanden es in dem Motto: „Satire als Mittel der politischen Bildung".

Als Referenten wirkten der Karikaturist der Süddeutschen Zeitung und Präsident der Bayerischen Architektenkammer Ernst Maria Lang, der Münchener Pädagogik-Professor und Mundart- und Satiredichter Helmut Zöpfl und Werner Finck mit. Ich selbst gestaltete ein Extempore mit Hilfe eines 20-bändigen Konversationslexikons, das ich auf dem Tisch vor mir aufgebaut hatte und in dem ich die Verweisungen von Definitionen zu Begriffen wie ,,Satire" siehe auch ,,Ironie" siehe auch ,,Witz" quer durch die Bände verfolgte.

Ich endete mit dem Begriff ,,Spott" und zog als historischen Beleg für die darin liegende Problematik einen Spruch Salomos heran: „Die Spötter bringen frech eine Stadt in Aufruhr; aber die Weisen stillen den Zorn" (Sprüche 29, 8). Ich verband damit die Frage, ob Satire per se a- oder gar antireligiös sei. Auffällig ist ja, dass die Kirchenväter, aber auch schon Aristoteles das Scherzen verurteilt und dass auch die heiligen Schriften aller Religionen den Witz und das Lachen entweder überhaupt nicht kennen oder wenn doch, dann in einem ethisch verwerflichen Sinn - wie bereits in der Genesis (1. Moses 18, 12), als Sarah über die Ankündigung Gottes an Abraham, er werde einen Sohn erhalten, wegen ihres ,,biblischen Alters" lachte. Mit der Frage, ob das Religiöse wegen seines Absolutheitsanspruchs mit Witz und Satire nichts anfangen könne, ob das Lachen-Machen nicht jedes Pathos verhindere und deshalb vor allem auch totalitären und autoritären politischen Systemen verdächtig sei, gab ich Werner Finck die Vorlage zu seiner Lesung aus dem Buch ,,Alter Narr, was nun?"

Ich hatte anlässlich einer Weihnachtsbetrachtung im Bayerischen Rundfunk geäußert: "Der Stifter des Christentums hat von seiner armen Mutter nichts anderes geschenkt hekommen, als das Leben. Und davon leben heute alle Geschaftsleute. " Die Herausforderung war ebenso harm- wie die Beantwortung humorlos. In einer offiziellen Stellungnahme (ergänze: der CSU) hieß es: "Das christliche Bayern kann nur empört sein. Wenn Herrn Finck nichts Besseres einfällt, möge er schweigen. "
Da war die Ost-CDU weit weniger zimperlich. In Ost-Berlin hatte man eines Tages die Bildung eines kirchlichen Kabaretts erwogen. Den Mittelpunkt der Diskussion bildete die Bibelarbeit eines Professors (D. Koch) über das Thema »Narren in Christo«. Darin wurde festgestellt, dass sich die Kirche viel zu ernst nehme. Der Humor sei fast völlig aus ihr verbannt worden. Aber die Theologie habe in den letzten Jahren den Humor Gottes wiederentdeckt ... " (Werner Finck, ,,Alter Narr, was nun?", München 1972, S. 262 f.)

Nach der Tagung brachte ich Finck nach Hause. Er wollte sich revanchieren und mich zum Essen in ein Restaurant einladen, obwohl ich abwehrte, weil ich ihm anmerkte, wie schwer ihm das Gehen fiel. Er war in den sieben Jahren, seit ich ihn zum letzten Mal gesehen hatte, sehr gealtert. Zwei Wochen später las ich in der Zeitung, dass er in seiner Wohnung gestürzt und mit einem Oberschenkelbruch in eine Klinik eingeliefert worden sei. Von der sich damit verbindenden Lungenentzündung erholte er sich nicht mehr.

Im Bayernkurier erschien ein ehrender Nachruf, den Franz Josef Strauß selbst verfasst hatte. Für Pirkl, mit dem ich nie richtig ausgekommen bin, eine Ohrfeige erster Klasse und für mich eine Genugtuung, auf die ich aber liebend gern verzichtet hätte.

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