Am 4. Juli 1715 wurde der Dichter Gellert in dem kleinen Städtchen Hainichen am Rande des sächsischen Erzgebirges geboren. Wir begingen seinen 300. Geburtstag am 4. Juli 2015.
In ärmlichen Verhältnissen groß geworden, musste er mit finanziellen Nöten kämpfen, legte aber 1743 seinen Magister an der Universität Leipzig ab, erhielt dort 1751 eine außerordentliche Professur, eine ordentliche Professur lehnte er 1761 ab.
Seine zahlreichen Fabeln, die sehr populär geworden sind, veröffentlichte er in zwei Bänden, erschienen 1746 und 1748. Weiter publizierte er Erzählungen, Reden und Vorlesungen. In seiner Zeit war er hoch geschätzt und gehörte zu den meist gelesenen Schriftstellern. Carl Philipp Emanuel Bach, Joseph Haydn und Ludwig van Beethoven vertonten später "Die Geistlichen Lieder und Oden". Er starb am 13. Dezember 1769 in Leipzig. Nach mehreren Umbettungen befindet sich sein Grab auf dem Leipziger Südfriedhof. Anlässlich des 300. Geburtstages wurde das Grab neu gestaltet und geweiht.
Feiern wir das Jubiläum mit drei Fabeln.
Ursula Brekle
Von einem Greise will ich singen,
Der neunzig Jahr die Welt gesehn.
Und wird mir itzt kein Lied gelingen:
So wird es ewig nicht geschehn.
Von einem Greise will ich dichten,
Und melden, was durch ihn geschah,
Und singen, was ich in Geschichten,
Von ihm, von diesem Greise, sah.
Singt, Dichter, mit entbranntem Triebe,
Singt euch berühmt an Lieb und Wein!
Ich laß euch allen Wein und Liebe,
Der Greis nur soll mein Loblied sein.
Singt von Beschützern ganzer Staaten,
Verewigt euch und ihre Müh!
Ich singe nicht von Heldentaten,
Der Greis sei meine Poesie.
O Ruhm, dring in der Nachwelt Ohren,
Du Ruhm, den sich mein Greis erwarb!
Hört, Zeiten, hörts! Er ward geboren,
Er lebte, nahm ein Weib, und starb.
| Zur Elster sprach der Fuchs: »O, wenn ich fragen mag, »Dürft ich«, versetzt der Fuchs, »mit Bitten dich beschweren: So wie ein weiser Arzt, der auf der Bühne steht, Ihr Fuß bewegt sich, wenn er geht, |
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| Ja, dieses hat uns noch gefehlt! |
Der Kuckuck sprach mit einem Star,
Der aus der Stadt entflohen war.
»Was spricht man«, fing er an zu schreien,
»Was spricht man in der Stadt von unsern Melodeien?
Was spricht man von der Nachtigall?«
»Die ganze Stadt lobt ihre Lieder.«
»Und von der Lerche?« rief er wieder.
»Die halbe Stadt lobt ihrer Stimme Schall.«
»Und von der Amsel?« fuhr er fort.
»Auch diese lobt man hier und dort.«
»Ich muß dich doch noch etwas fragen:
Was«, rief er, »spricht man denn von mir?«
»Das«, sprach der Star, »das weiß ich nicht zu sagen;
Denn keine Seele redt von dir.«
»So will ich«, fuhr er fort, »mich an dem Undank rächen,
Und ewig von mir selber sprechen.«