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Christoph Werner

Buckingham Palace
Roman

Durch Zufall gerät Weimar in das Blickfeld des britischen Geheimdienstes, als dieser versucht, die englische Monarchie vor den Offenbarungen ihrer eigenen Vergangenheit zu schützen. - Ein spannender Roman, der den Leser in die Welt der Macht führt. Dabei wird ihm einiges abverlangt, denn die Handlung ergibt sich aus einem Puzzle von Szenen und erfordert detektivisches Gespür.

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Sonnenblumen –  in Erinnerung an Vincent van Gogh gemalt

Sonnenblumen – in Erinnerung an Vincent van Gogh gemalt

Dr. Konrad Lindner

"In einem Bild muß das Weiß die hellste Farbe sein." (Ludwig Wittgenstein am 24. März 1950. 10; S. 41.)

Sieben Sonnenblumen. Konrad Lindner.
Sieben Sonnenblumen. Konrad Lindner.

0. Amerikanische Ureinwohner

Mexikanische Ureinwohner bauten bereits vor mehr als 4500 Jahren Sonnenblumen an, wie Forscher von der Universität Cincinnati nachweisen konnten. (1) Erst im 16. Jahrhundert wurden Samen der Sonnenblumen von spanischen Seefahrern vom amerikanischen Kontinent nach Europa gebracht. (2) Im 18. Jahrhundert benannte Carl von Linné (1707 – 1778) die Sonnenblume, die französisch Soleil, englisch Sunflower oder schwedisch Solvända und russisch Podsolnuch genannt wird, mit dem lateinischen Doppelnamen Helianthus annuus L.. Die griechischen Wörter "helios" und "anthos"stehen für Sonne und für Blume. Das lateinische Wort "annuus" steht für einjährig. (3) Die Pflanzen aus der Familie der Korbblütler erreichen eine Wuchshöhe bis zu zwei oder sogar bis zu drei und mehr Metern. Ihre großen Blüten mit dem gelben Blütenrand wenden sich tagsüber dem Sonnenlicht zu und folgen der Sonnenbahn. Wer Sonnenblumen malt, beschäftigt sich in unseren Breiten mit den Herbstfarben, feiert aber darüber hinaus die Erde als den einzigartigen kosmischen Ort eines artenreichen pflanzlichen Lebens. Ausgehend von einer eigenen Blumenserie vom Herbst 2021 möchte ich an die Pflanzenpassion Vincent van Gogh's (1853 – 1890) erinnern. Der Künstler schuf 1888/89 eine große und heute berühmte Sonnenblumenserie. Bei der Erforschung der irdischen Vegetation hatten sowohl Linné als auch Charles Darwin (1809 – 1882) die Aufmerksamkeit für die Sexualität der Pflanzen und für den Aufbau der Blüten geweckt. Aber bereits in der Kunst war seit Jahrhunderten der ganzheitliche Blick auf die Pflanzen eingeübt worden. So porträtierte Albrecht Dürer (1471 – 1528) in seinem Großen Rasenstück (1503) zwei leicht gelb aufbrechende Blüten des Löwenzahns (Taraxacum officinale L.) als belebende Farbtupfer im grünen Gräserkosmos. Mit sicherem Blick und mit künstlerischer Wucht setzte van Gogh die Leuchteigenschaften der Blütenpflanzen vom Mohn (Papaver L.) über die Malven (Malva L.) bis zum Oleander (Nerium oleander L.) für eine Erneuerung der Malerei ins Bild. Seinen Stilwechsel konzipierte Vincent in seinem Brief vom 05. Mai 1888 vom Primat der Farbe her: "Der Maler der Zukunft, das ist ein Farbiger, wie es ihn noch nie gab." (6; S. 67.)

 

Zwölf Sonnenblumen in einer Vase. V. van Gogh.
Zwölf Sonnenblumen in einer Vase. V. van Gogh.

2. Vincent's Sinfonie in Gelb

Seit dem Sommer 1888 erwartete Vincent den Maler Paul Gauguin (1848 – 1903) zur Zusammenarbeit im Gelben Haus. Beide Künstler wollten in dem südfranzösischen Ort Arles eine Arbeits- und Lebensgemeinschaft bilden. Zur Feier der künstlerischen Partnerschaft mit Gauguin schuf Vincent im Vorfeld eine Blumenserie, die aus vier Bildern bestand: Drei Sonnenblumen, Fünf Sonnenblumen, Zwölf Sonnenblumen und Fünfzehn Sonnenblumen. Die großen Blüten sind jeweils in einer Vase versammelt. Seinem Bruder Theo berichtete Vincent im August 1888 über die Serie: "Wenn ich diese Idee ausführe, wird es ein Duzend Bilder geben. Das ganze Ding wird eine Sinfonie in Blau und Gelb. Ich arbeite daran jeden Morgen von Sonnenaufgang an, da die Blumen so schnell verwelken. Ich bin nun am vierten Bild mit Sonnenblumen. Das vierte ist ein Strauß mit 14 Blumen… es macht einen einzigartigen Effekt.“ (7) Ein weiteres Sonnenblumenbild malte Vincent wahrscheinlich am 01. Dezember 1888 während der Anwesenheit von Paul Gauguin.

Sonnenblume nach der ersten Frostnacht. Konrad Lindner.
Sonnenblume nach der ersten Frostnacht. Konrad Lindner.

Im Januar 1889 folgten noch einmal drei Bilder mit seinen Lieblingsblumen. Gauguin war am 23. Oktober 1888 in Arles angekommen. (8) Die Zusammenarbeit der beiden Maler verlief höchst produktiv. Doch ihr Zusammenleben auf engstem Raum führte bald zu einer Katastrophe. Am 23. Dezember erlitt Vincent aus Enttäuschung darüber, dass ihn Gauguin wieder verlassen wollte, einen Nervenzusammenbruch. Der verwirrte Maler griff zum Messer und schnitt sich einen Teil des linken Ohres ab. Van Gogh musste in eine Klinik eingeliefert werden und Gauguin reiste ab. Nachdem sich der seelische Zustand von Vincent etwas gebessert hatte und er wieder nach Hause zurückkehren durfte, nahm er das Sonnenblumenthema noch einmal auf und setzte seine Serie fort. Seine acht Sonnenblumenbilder der Schaffenphase in Arles sind großartige Werke. Es ist aufregend und spannend beim Betrachten der Werke zu entdecken, wie die Erde durch die gemalten Blüten als ein Sonnenplanet gefeiert wird. Die acht Meisterwerke van Gogh's zu Ehren von Gauguin sind aber nicht nur großartige Blumenbilder, sie sind auch gefahrvolle Seelenlandschaften. Denn die Sonnenblumenserie von August 1888 und Januar 1889 symbolisiert über die Leuchtkraft der großen gelben Blumen hinaus auch die gesundheitlichen Krisen und die seelischen Abgründe, aus denen heraus Vincent van Gogh sein Lebenswerk geschaffen und die Freundschaft zu Gauguin gesucht und erprobt hat.

 

Dreizehn Sonnenblumen. Konrad Lindner.
Dreizehn Sonnenblumen. Konrad Lindner.

3. Maler des Leuchtens

In ihrem Essay über Van Gogh's Sonnenblumen macht Alexandra Matzner darauf aufmerksam, dass Vincent in seiner Serie von 1888/89 mit 30 Gelbschattierungen gearbeitet hat. (7) In der Hell-Dunkel-Skala des Farbenraums spielt Gelb eine wichtige Rolle. Es gehört zu den Eigenheiten des jungen Friedrich Wilhelm Joseph Schelling (1775 – 1853) und des späten Ludwig Wittgenstein (1889 – 1951) in der Ästhetik, dass sie einen Blick für die Magie der Gelbtöne entwickelten. Schelling studierte in Tübingen Theologie und in Leipzig stürzte er sich von 1796 bis 1798 in die Naturwissenschaften. Dabei befasste er sich auch mit der Metamorphose der Pflanzen. Vor der Berufung an die Universität Jena reiste er im August 1798 nach Dresden und tauchte in die Kunstsammlungen ein. Im Brief an die Eltern vom 20. September 1798 aus Dresden staunte Schelling über "die göttlichen Gemählde der Raphaels und Correggios". (9; S. 191.) Der Logiker Wittgenstein wiederum war mit dem Schaffen von Gustav Klimt (1862 – 1918) gut vertraut, der 1905 seine Schwester Margarethe gemalt hatte. Aber auch ein Bauerngartenbild mit großen gelben Sonnenblumen schuf Klimt in diesen Jahren. Wittgenstein notierte in seinen "Bemerkungen über die Farben" in Cambridge später den Satz: "Aber auch das reine Gelb ist heller als das reine, satte Rot, oder Blau." (10; S. 41.)

Die Heilige Nacht. Correggio.
Die Heilige Nacht. Correggio.

Ein derartiger Hinweis auf die Abstufungen des Hellen ist hilfreich, wenn van Gogh's Sonnenblumenserie oder auch ein Gemälde wie Die heilige Nacht (1522/30) von Correggio betrachtet wird. Das Meisterwerk mit der Weihnachtsgeschichte gehört zu den Schätzen der Gemäldegalerie Alte Meister in Dresden. Das Jesuskind erscheint als Ort der höchsten Lichtdichte und erleuchtet den Bildraum durch ein fast weißes Licht, das mit größerem Abstand in warmgelbe Farbtöne übergeht. Auch van Gogh arbeitet bei den Sonnenblumenbildern mit einer ungeahnten Fülle an Gelbabstufungen. Die großen Blüten porträtiert er als ein Fest des Lichts. Die Regionen der höchsten Lichtintensität können von Betrachtern als Orte des Heiligen gedeutet werden. Eine derartige Deutung lag Vincent durchaus nicht fern, hatte er doch ursprünglich Laienprediger werden wollen. Mit Schelling kann sicher auch in Bezug auf van Goghs Sonnenblumen in der Neuen Pinakothek zu München von einem "göttlichen Gemählde" gesprochen werden. Bei diesem Bild handelt es sich um eine Arbeit von August 1888. Die Blüten heben sich nun aber nicht mit einem leuchtenden, sondern mit einem schattigen Gelb von dem Hintergrund ab, der in einem hellen Türkis gehalten ist. In seiner Sonnenblumenserie hat sich Vincent ähnlich wie Correggio in dem Werk Die heilige Nacht mit dem Leuchten des Wirklichen befasst. Der italienische wie der niederländische Maler schufen in ihren Bildräumen bei allen Unterschieden auf eine ähnliche Weise durch feine Abstufungen zwischen Weiß und Gelb Leuchtzentren, die sich von den dunkleren Bildregionen abheben.

Sonnenblume mit rotem Hintergrund. Konrad Lindner.
Sonnenblume mit rotem Hintergrund. Konrad Lindner.

4. Sonnenblumenherbst 2021

Von Anfang September bis Anfang Dezember 2021 malte ich Sonnenblumen. Ein konstantes Motiv ergab durch den Wandel der Anzahl und der Anordnung der Blüten sowie durch den Wechsel der Hintergründe und der Formate ein immer wieder neues Bild. Bei allen Studien kam es darauf an, ein Leuchtzentrum zu schaffen. Bei einer derartigen Malübung regt sich dann auch das Bedürfnis, sich mit der Tradition und speziell mit den Meisterwerken eines Vincent van Gogh zu befassen. Wer sich mit dem Leuchten des Wirklichen künstlerisch auseinandersetzt, wird früher oder später dahin geleitet, sich staunend die Blumenserie anzuschauen, die Vincent in Freundschaft, aber auch im Streit mit dem Maler Paul Gauguin geschaffen hat. Nach dem Nervenzusammenbruch van Gogh's ließ Gauguin seinen Kollegen Weihnachten 1888 allein in Arles zurück. Er ergriff angesichts der Selbstverstümmelung des Freundes die Flucht. Im realen Zusammenleben mit Vincent hatte Gauguin erfahren müssen, dass der Gemeinschaft von Genies Grenzen gesetzt sind. Die Autonomie der Person – bis in den Abgrund der Selbstzerstörung hinein – gehört zur dramatischen Erfahrung während der Auseinandersetzungen über die Grundlagen der Malerei im Gelben Haus in Arles. Die Sonnenblumenbilder van Gogh's erwiesen sich als gültige künstlerische Ausdrucksformen. Sie sind Schicksalswerke eines engagierten Malers, der noch in seinen Wahnwelten für das Primat der Farbe mit der Feier der Gelbtöne in seinen Bildern rang.

Literatur:

 

(1)

Markus Zens; vgl. den Link: https://www.wissenschaft.de/umwelt-natur/woher-die-sonnenblume-kommt/

(2)

Zum Thema "Sonnenblume" vgl. den Link: https://de.wikipedia.org/wiki/Sonnenblume

(3)

Zu den Namen für die Sonnenblume vgl. den Link: https://www.henriettes-herb.com/eclectic/madaus/helianthus.html

(4)

Carl von Linnè: Lappländische Reise und andere Schriften. Leipzig 1980. - Zu Leben und Werk des Arztes und Botanikers Carl von Linné vgl. den Link: https://www.biologie-seite.de/Biologie/Carl_von_Linn%c3%a9

(5)

Steven Naifeh/Gregory White Smith: Van Gogh. Sein Leben. Frankfurt am Main 2012.

(6)

Kurt Badt: Die Farbenlehre van Goghs. Köln 1981.

(7)

Alexandra Matzner: Van Gogh's Sonnenblumen. 14. August 2017. Vgl. den Link: https://artinwords.de/van-gogh-sonnenblumen/.

(8)

Alexandra Matzner: Vincent van Gogh: Paul Gauguin in Arles. Gescheiterte Künstlerkolonie im Gelben Haus vgl. den Link: https://artinwords.de/vincent-van-gogh-paul-gauguin-im-atelier-des-suedens/

(9)

Friedrich Wilhelm Joseph Schelling: Briefe 1. Briefwechsel 1786 – 1799. Herausgegeben von Irmgard Möller und Walter Schieche. Stuttgart 2001.

(10)

Ludwig Wittgenstein: Bemerkungen über die Farben. Baden-Baden 1979.

Sieben Sonnenblumen. Konrad Lindner.
Sieben Sonnenblumen. Konrad Lindner.

 

Danksagung:

 

Meine Bilder in Erinnerung an Vincent van Gogh darf ich zum Jahreswechsel 2021/22 in der Arztpraxis von Frau Dipl.-Med. Hannelore Kirstein in Leipzig-Gohlis Elsbethstraße 20 ausstellen.

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