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Das verlassene Krankenhaus bei Tschernobyl

Nic

Heft, 28 Seiten, 2020 - ab 23 Nov. erhältlich

Die Stadt Prypjat liegt nur 3 Kilometer von Tschernobyl entfernt. Im hiesigen Krankenhaus wurden unmittelbar nach der Explosion des Atomreaktors die ersten stark verstrahlten Opfer behandelt. Viele von Ihnen sind an der massiven Strahlenbelastung gestorben.

Am 27. April 1986, einen Tag nach der Nuklearkatastrophe, wurde die Prypjat evakuiert. Seither ist die Stadt, wie auch das hier gezeigte Krankenhaus verwaist. 30 Jahre Leerstand hinterlassen Ihre Spuren. Nic führt uns auf einem Rundgang durch verlassene Gänge vorbei an verfallenen OP-Sälen und Behandlungszimmern.

Für alle Fans von Lost Places.

Ab 4 Heften versenden wir versandkostenfrei.

Schneeglöckchen mit Winckelmann gemalt

Schneeglöckchen mit Winckelmann gemalt

Dr. Konrad Lindner

Aquarelle im Quadrat

Der Pinsel, den der Künstler führet, soll im Verstand getunkt seyn.

 

Erstes Schneeglöckchen.
Erstes Schneeglöckchen.

 

Sie symbolisieren Hoffnung: Die Schneeglöckchen. Ihre eleganten Blüten hängen aus schlanken Stengeln heraus. Das leuchtende Weiß der Blütenköpfe bildet zu den langen Blättern, die meist dichte grüne Büsche bilden, ein uns berührendes Zeugnis des Lebens. Die Schneeglöckchen werden von uns auch deshalb bewundert, weil es ihnen trotz widriger Umstände wie Frost und Schnee bereits im Winter gelingt, sich zu behaupten. Noch ist das Frühjahr fern, aber in den Gärten oder den Wäldern stehen die Schneeglöckchen aufrecht vor uns. Am 27. Januar 2023 suchte ich nach Schneeglöckchen im Wald. Ich hatte Glück. Zu meiner Freude fand ich wenigstens eine Blüte, die bereits deutlich ausgebildet war. Sie befand sich aber noch im Hochformat. Ihre weißen Blütenblätter umarmten sich heftig und eng. Doch auch aus mehreren Stengeln blitzten mir kleinere weiße Spitzen entgegen. Viele grüne Blätter der Schneeglöckchen waren bereits zu sehen, die einen auffälligen Gegensatz zum Grau und Schwarz der vermoderten alten Baumblätter auf dem Waldboden bildeten. Die Erfahrung, dass bei einem aufmerksamen Hinschauen im Stengelgrün zarte weiße Schlitze zu erkunden sind, ließ den Gedanken reifen, dass ihr Aufscheinen zeitlich verfasst ist. Erst sehen die Blütenkörper wie Speerspitzen aus, dann klappen sie heraus und hängen mit dünnen Fäden an den sie überragenden Stengeln. Jetzt dauert es immer noch eine Weile, bis sich die Blüten öffnen und ihre Staubgefäße zeigen. Das Aufblühen der Schneeglöckchen beginnt also nicht mit einem lauten Glockengeläut und das heißt mit hängenden Blüten, sondern mit ihrem stillen Emporspießen. Eine erste Blüte, die schon hing, beobachtete ich an meiner Stelle im Wald am 31. Januar 2023. Zwei weitere Blüten waren deutlich ausgebildet; sie spießten aber noch hoch. Diese Konstellation von drei Blüten fand ich spannend. Ich wollte sie gern in einem Aquarell festhalten. Dabei kam es darauf an, durch das Wechselspiel eines dunklen Perylengrüns mit Gold- und Violetttönen den Hintergrund möglichst dramatisch zu gestalten, so dass mit dem Blütenweiß eine gewichtige Farbe aufleuchtet, die draußen in der Natur zum Markenzeichen der Schneeglöckchen gehört. Mein Aquarell erhielt den Namen Erstes Schneeglöckchen.

Schneeglöckchen im Wald.
Schneeglöckchen im Wald.

Der Bildhauer und Zeichner Matthias Jackisch schrieb mir am 01. Februar 2023 ermunternd: "Deine kommenden Schneeglöckchen sind in einen Farbfluß getaucht, da wirkt das zarte Weiß ganz wundersam, das gefällt mir." Wie sehr wir in einer Werdewelt leben, veranschaulicht gerade auch das Aufblühen der Schneeglöckchen. Das Drama des Wachsens und Werdens zu meinen Füßen auf dem Waldboden setzte sich fort. Am Vormittag des 01. Februar 2023 zeigte sich der Schneeglöckchenplatz immer noch mit hochspießenden Blüten, aber inzwischen auch mit vielen hängenden Glöckchen. Das Aquarell dieses Tages erhielt den Titel Mehr Schneeglöckchen im Wald. Auch bei dem zweiten Bild blieb ich bei dem dramatischen Hintergrund. Mir lag daran, das Ereignishafte der Ausbildung von Blüten auszudrücken und ihr feierliches Weiß hervortreten zu lassen. Dabei achtete ich darauf, die gruppenförmige Anordnung der grünen Blätter besser als im vorherigen Aquarell zu skizzieren. Matthias Jackisch schrieb: "Dein Schneeglöckchenaquarell macht mir doppelt Freude, einmal, weil es wirklich gut beobachtet ist und große Freude an Farbdramatik versinnbildlicht, zum andren, weil es mir den Frühling ins Gedächtnis ruft, bei uns ist heute Matsch und die Schneeglöckchen sind noch sehr vorsichtig." Wir Menschen leben im Reich des Möglichen. Wir sind Hoffnungswesen, die sich den Frühling vorstellen können und ihn herbeisehnen, auch wenn er lange noch nicht da ist. In dem Aquarell vom 01. Februar 2023 spießen zwei Blüten hoch, aber drei hängen bereits.

Schneeglöckchen im Wald 4. Februar.
Schneeglöckchen im Wald 4. Februar.

Am 04. Februar 2023 besuchte ich erneut die Schneeglöckchenstelle. Nach vielen, vielen grauen Tagen schien die Sonne und jetzt war die Blüte der Schneeglöckchen richtig in Fluss gekommen. Am Abend malte ich die Schneeglöckchen im Wald vom 04. Februar 2023. Sieben Blüten sind dargestellt. Links im Bild eine Blüte, die hochspießt und recht davon sechs Blüten, die wie Glocken an ihren Stengeln hängen, aber noch geschlossen sind. Matthias Jackisch schrieb: "... auch das dritte Bild finde ich gelungen, es tut gut, diese kleinen Hoffnungsblüher kommen zu sehen." Mir haben es die Hoffnungsblüher angetan, weil sie die Kraft und die Farbigkeit der irdischen Vegetation vor Augen führen, ohne die wir weder etwas zu essen noch zu atmen hätten. Sich mit Pinsel und Farbe den Schneeglöckchen zuzuwenden, die Carl von Linné (1707 – 1778) in der Mitte des 18. Jahrhunderts mit dem lateinischen Namen Galanthus L. versah, womit er ihre Blütenfarbe mit dem Weiß der Kuhmilch verglich, ist immer auch eine Übung der Dankbarkeit. Aber wenn ich als malender Philosoph mein Denken mit dem Dank beginne, dann kann ich nicht über das Aufblühen der Schneeglöckchen nachdenken, ohne in den Dank Johann Joachim Winckelmann (1717 – 1768) einzubeziehen. Der Kunsttheoretiker, dessen Bildnis uns durch die großartige Angelika Kauffmann (1741 – 1807) überliefert ist, besprach die Malerei in der Vereinigung mit Poesie, Dichtkunst und Tragödie. Er bestärkte die Kupferstecher wie die Farbkünstler in ihrer Phantasie und in ihrem Vermögen, durch Bilder, Zeichen und Symbole den anderen Menschen Geschichten zu erzählen. Im Guten wie im Bösen. In seiner Studie Gedanken über die Nachahmung der Griechischen Werke in der Malerei und Bildhauerkunst (1755/1756), die im Gespräch mit Adam Friedrich Oeser (1717 – 1799) in Dresden entstand und im Hause Breitkopf in Leipzig gedruckt worden ist, schrieb Winckelmann: "Der Pinsel, den der Künstler führet, soll im Verstand getunkt seyn, wie jemand vom Schreibegriffel des Aristoteles gesaget hat: Er soll mehr zu denken hinterlassen, als was er dem Auge gezeiget, und dieses wird der Künstler erhalten, wenn er seine Gedanken in Allegorien nicht zu verstecken, sondern einzukleiden gelernet hat ... so wird ihn seine Kunst begeistern, und wird das Feuer, welches Prometheus den Göttern raubete, in ihm erwecken." Meine drei Aquarelle erforderten es durchaus, wie ein Botanikus niederzuknien und den Schneeglöckchen ins Blütengesicht zu schauen. Aber meine Heldinnen auf dem Malkarton sind auch Allegorie. Sie sind Sinnbild dessen, dass mitten in Kälte, Krankheit und Tod in glücklichen Momenten auch in unserem Dasein immer wieder farbiges Leben erwachsen kann.

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