Zwischen 1900 und 1914 entwickelte sich Schwarzenberg zu einer relativ wohlhabenden Stadt.
Die Einwohnerzahl nahm stetig zu. Das machte den Neubau zahlreicher Wohnhäuser erforderlich.
Bereits vor 1900 wurden Teile der Erlaer und der Karlsbader Straße bebaut, um 1900 dann die obe-
re Neustadt in Bahnhofsnähe. Ab 1908 folgten Badwiese und Krummer Weg, wobei die Stadt hier
auf „offener Bebauung" bestand. Das seit Jahrhunderten am Markt stehende Rathaus, in dem sich
zugleich die Gaststätte „Ratskeller" befand, genügte den Belangen der größer gewordenen Stadt
nicht mehr. So überließ die Stadtverwaltung dem Ratskellerwirt die bisher von ihr genutzten Räume
mit Ausnahme des Sitzungssaales und erbaute 1880 in der Erlaer Straße 3 eine neues „Stadthaus".
Neben zahlreichen Industriebetrieben bestanden über 40 Handwerksbetriebe, dazu je 8 bis 10
Bäckereien und Fleischereien sowie eine Vielzahl von Einkaufsmöglichkeiten. 1904 existierten 7
Hotels und Gasthöfe sowie über 20 weitere Gaststätten. Es gab neben der städtischen Sparkasse drei
Bankniederlassungen. Der Lebensstandard der Menschen hatte sich deutlich gehoben. Dazu trug
sicher bei, dass damals die Steuerquote‚ d.h. die Summe aller direkten und indirekten Steuern im
Durchschnitt nur etwa 5 % betrug. Trotzdem waren die öffentlichen Kassen nicht leer. Das zeigen
solche Bauten wie das ehemalige Finanzamt an der Bermsgrüner Straße (1909), die Realschule, das
heutige Gymnasium (1914/ 16) oder das Prinzeß-Marien-Stift ( 1913/14). Allerdings bestand 1907
die gesamte Verwaltung der Amtshauptmannschaft, deren Gebiet etwa dem bisherigen Landkreis
Aue-Schwarzenberg entsprach und die damals über 132 O00 Einwohner hatte, neben dem Amts-
hauptmann lediglich aus 20 Mitarbeitern.
Um Industrie- und Bauareal für die Stadt Schwarzenberg zu gewinnen, trat die Stadt am 3. April
1912 in Kaufverhandlungen mit dem Besitzer des Rittergutes Sachsenfeld, Karl F. Wußing, ein.
Am 15. Oktober 1912 ging das Gut mit einer Fläche von ca. 87 ha (davon etwa 25 ha Wald) für
300.000,- Mark in den Besitz der Stadt über. Gleichzeitig erfolgte die politische Vereinigung des
selbständigen Gutsbezirks Sachsenfeld mit der Stadt. Daraufhin nahm die Gemeinde Obersach-
senfeld Verhandlungen mit Schwarzenberg auf, deren Ergebnis die Eingemeindung des Ortes in
die Stadt am 1. Februar 1913 war. Aufgrund der kommunalen Selbstverwaltung konnte ein solcher
Schritt damals nur in freier Vereinbarung der Partner erfolgen. Dabei hatte Tischlermeister Fried-
rich Alwin Krauß als Gemeindevorstand von Obersachsenfeld für seinen Ort verschiedene Vorteile
durchsetzen können. Beispielsweise blieben für mindestens 10 Jahre die gegenüber Schwarzenberg
niedrigeren Steuersätze sowie der günstige Wasserpreis von 8 Pfennig pro Kubikmeter erhalten.
Von der regen gesellschaftlichen und kulturellen Vereinstätigkeit in Schwarzenberg sei der am
23. September 191l gegründete „Obererzgebirgische Verein für Luftfahrt" erwähnt, der weit über
unsere Stadt hinaus wirkte. Am 15. Februar 1914 hatte er bereits 252 Mitglieder, darunter viele
Geschäftsleute aus Schwarzenberg und weiteren Orten der Amtshauptmannschaft, doch auch Anna-
berg, Zwickau und Chemnitz sind vereinzelt als Wohnorte aufgeführt. Im Rosental, in unmittelbarer
Nähe des Wasserstoff- und Sauerstoffwerkes, entstand ein Ballonstartplatz. Von hier aus wurden
seit l912 zahlreiche Ballonfahrten unternommen.
Einen Viel beachteten Erfolg konnte der Verein verbuchen, als es ihm gelang, eine Landungsfahrt
des Luftschiffes „Sachsen" nach Schwarzenberg zu organisieren. Dafür musste er eine Landungs-
gebühr Von 400 Mark aufbringen. Am 16. Oktober 1913 mittags gegen 12.30 Uhr landete der Zep-
pelin auf den Wiesen zwischen Schwarzenberg und Bermsgrün. Man kann sich heute kaum noch
vorstellen, was für eine Sensation das in dieser Pionierzeit der Luftfahrt bedeutete. Viele Tausend
Menschen waren hinausgepilgert, um die von Zwickau kommende Riesenzigarre aus der Luft her-
abschweben und nach teilweisem Passagierwechsel 20 Minuten später wieder aufsteigen und Rich-
tung Annaberg davonfahren zu sehen.
Doch bald lähmte der 1. Welkrieg das kulturelle Leben. Die angespannte Arbeit in den teilweise auf Rüstungsproduktion umgestellten Betrieben und die zunehmend schlechtere Ernährungslage bedrückten die Menschen. Schlimmste Bilanz des Krieges war der Tod von 165 Männern aus der Stadt Schwarzenberg.
Bildnachweis: Die originalen alten Postkarten stammen aus der "Sammlung F. H. Hofmann", das Foto Ballonstart aus der Sammlung "Borak".