Das Lesen seine Erfüllung war.
Er kletterte auf Leitern,
musste sich bücken.
Regale zu erweitern,
war sein Entzücken.
Ein schweres Buch auf den Kopf;
gestorben ist der arme Tropf.
Wir können es ruhig sagen:
Die Weisheit der Welt hat ihn erschlagen.
Er ruht in einer Bücherkiste,
weil keiner ihn bisher vermisste.
Von Gottes Gnade.
Das Leben fand er keineswegs fade.
Er machte immer das Beste daraus.
Er liebte und lachte in Saus und Braus.
Er wollte einen Brunnen anschließen.
Die Oma sollte die Blumen gießen.
Er rutschte in des Brunnen Grund.
Plötzlich war er ganz verschwund.
Da keiner in der Nähe war,
fand man ihn am Abend zwar;
da aber war inzwischen
alles Leben aus ihm entwichen.
Damals, heute, bewegt er die Geister
Einfachste menschlichste Formen,
Grundgedanken, frei von Normen.
Bronze, Gips, Holz sind seine Materie;
jedes Stück anders, keine Serie.
Gefesselt, die Hexe, singend der Mann;
Wiedersehensfreude, man tut, was man kann.
Die alte Frau, die nichts hatte gelernt,
die alles wusste, in Rußland weit entfernt.
Gesichter, Hände, Augen und Mund,
alles hat einen tiefen Grund.
In dem Jahr, wo ich geboren,
haben wir den Barlach verloren.
Schwebender Engel im Güstrower Dom.
Der ist für uns der größte Lohn.
Auch er schiss einst
in seine Hose.
Später komponierte
er andere Töne,
damit er unser
Herz verwöhne.
Wir danken Dir, Herr,
für diesen Mann;
für alles, was er konnte
und kann.
Wir wagen mit ihm
einen Himmelsblick;
müssen aber auf
die Erde zurück.
Quelle:
Steiger, Friedemann: Hier liegt.... Engelsdorfer Verlag 2010. Die Rechte liegen beim Autor.