In der VI. Abteilung des Friedhofes erinnert auf der Wahlstelle Nr. 41 ein Grabmal an die hier bestatteten Toten der Familien Stelter, Wellner, Mildner, und Michaud. Sie waren einst Hoflieferanten für Teppiche und Tapeten, Dekorateure mit großem Hauptmöbelmagazin, Weber und Strickereifabrikanten. Ihre geschäftlichen Aktivitäten bedingten viele Möglichkeiten der Zusammenarbeit und so wirkten über die Jahre mitunter sicher auch ganz pragmatische Überlegungen dahingehend, sich durch Verheiratung noch enger zu verbandeln.
Die offenbar seit Generationen im vogtländischen Plauen beheimatete Familie Wellner entstammte ursprünglich einer dortigen Weberdynastie, die sich im 19. Jh. schließlich mit einigem Erfolg als Unternehmer in Plauen der Stickereifabrikation gewidmet hatte und welche zumindest den drei Brüdern Ernst Arthur, Richard und Gustav Louis zu Lebzeiten ein gutes Auskommen sichern konnte.
Am 26. Juli 1913 begaben sich der in Berlin wohnende, vermutlich ehelose Ernst Arthur Wellner gemeinsam mit seinem in Dresden ansässigen älteren Bruder Richard und dessen Frau auf eine Urlaubsreise nach Dänemark. Wegen einer enormen hochsommerlichen Hitze kam es an diesem Tage in der Nähe des Bahnhofes von Bramming zu einer Schienenverwerfung, wodurch der Schnellzug entgleiste und 15 Menschen starben. Unter den Toten waren auch Ernst Arthur Wellner und sein Bruder Richard.
Drei
Tage später berichteten die „Leipziger Neuesten Nachrichten“
ausführlich von diesem Eisenbahnunglück im Südwesten Jüdlands,
und die Familie Wellner vermeldeten in gleicher Zeitung den Tod der
beiden Brüder. Sie gab bekannt, dass die Beerdigung der Toten an
einem späteren Tage in Plauen stattfinden werde. Aber schon am
Folgetage verkündete die Familie in genannter Zeitung, dass bereits
am 1. August 1913 in der Hauptkapelle des Leipziger Südfriedhofes
die Trauerfeier stattfinden und anschließend im dortigen Krematorium
die Einäscherung der beiden Leichname erfolgen wird.
Tatsächlich
begann zeitgleich am 1. August 1913 genau um 12.00 Uhr in den beiden
Einäscherungsöfen I und II die Feuerbestattung der beiden Brüder.
Eigenartigerweise aber fand die Beisetzung ihrer Brandreste nicht
gleichzeitig statt. Am 4. August 1913 setzte man in der Grabstätte
die Urne von Richard Wellner* bei und erst einen Tag später geschah
das mit den sterblichen Überresten von Ernst Arthur.
Der Steinmetzmeister Oskar Volk, Inhaber der traditionsreichen, im Jahre 1847gegründeten Leipziger Steinmetz- und Bildhauerwerkstatt Ernst Julius Einsiedel, hatte bereits im Frühjahr 1912 das Hauptgrabmal aus gestocktem Fichtelgebirgsgranit auf der familiären Grabstätte errichtet. Wenngleich uns ein entsprechender Nachweis fehlt, so können wir aber mit absoluter Sicherheit davon ausgehen, dass Oskar Volk vermutlich noch im Jahre 1913 das Grabmal für den tödlich verunglückten Ernst Arthur Wellner geschaffen hatte.
Über einer starken Granitplatte, die gleichsam die kleine Gruft verschließt, welche die Urne mit den Brandresten des eingeäscherten Ernst Arthur Wellner birgt, thront das sich über ein zweistufigen Sockel aufbauende Grabmal mit flächiger Politur. Eine umlaufende Hohlkehle verjüngt im oberen Abschluss den Sockel und leitet über zu einem mächtigen Syenitblock, aus dem allseitig unvergängliche, Rosenblüten geschmückte Festons ausgearbeitet wurden als ein Zeichen liebevoller Verbundenheit mit dem so zeitig und unter so tragischen Umständen Abberufenen.
Frontseitig findet sich die vertieft eingearbeitete Inschrift mit dem Namen des Verstorbenen, seinen Lebensdaten und den Ort seiner Geburt und seines Todes. Sehr dominant bekrönt eine steinerne Urne das Grabmal. Ihr umlaufender Fries ist der „Laufende Hund“, eine abgewandelte Form des Mäanderbandes als ein klassisches Ewigkeitssymbol. Die Urne verweist frontseitig auf die Worte des Schriftpropheten Jesaja in der Heiligen Schrift, in der es bei Jesaja 55.8 heißt:
„Denn meine Gedanken sind nicht eure Gedanken, und eure Wege sind nicht meine Wege, spricht der Herr.“
Dieses Zitat verweist darauf, dass nur Gott allein den höheren Sinn des so zeitigen Lebensendes von Ernst Arthur Wellner kennt. Der Mensch kann sich letztlich nur vertrauensvoll und zuversichtlich dem göttlichen Ratschluss unterwerfen. Er sollte nicht hadern mit dem unerwartet eingetretenen Tod, mit der göttlichen Abberufung in die Ewigkeit.
Nachdem am 27. September 1929 Louis Gustav Wellner, der Erstgeborene der drei Brüder, im Alter von 76 Jahren gestorben war, wurde gemäß seiner testamentarischen Verfügung zuversichtlich 2 000 Reichsmark an die Städtische Stiftungsbuchhaltung ausgezahlt, um die künftige Unterhaltung der Grabstätte zu sichern. Aber diese Zuversicht hat sich, wie hundert andere, dem Autor bekannte derartige Vermächtnisse, nie erfüllt.
Das für Ernst Arthur Wellner bestimmte Grabmal wurde im Jahre 2018 durch die Paul-Benndorf-Gesellschaft zu Leipzig e. V. restauriert.
Bildnachweis
Alle Abb. sind von Herrn Heinz-Joachim Halbach fotografiert und vom Autor Alfred E. Otto Paul in dem 7. Band "Die Kunst im Stillen" veröffentlicht worden.