„Es ist unter dem Druck der allgemeinen Not verstärkt zu beobachten, dass alleinstehende Frauen leichtfertig neue Herrenbekanntschaften schließen und ohne Bedenken eine Einladung annehmen, den unbekannten Mann zu begleiten.“ Die Warnung der Chemnitzer Zeitung basierte auf Erkenntnis. 1888 hatte in London Jack the Ripper fünf Frauen abgeschlachtet, nun fand das Grauen an der Chemnitz statt. Am 29. Januar 1931 hatte der Schleusenwärter am Neumühlenwehr einen Jutesack der Rositzer Zucker-Raffinerie aus dem Wasser gefischt. Am Abend öffnete man bei Riebeck-Bräu am Friedrichplatz ein herrenloses Paket: Es barg den Kopf einer Frau, „zwischen 25 und 30, volles braunes Haar mit Bubi-Frisur, blaue Augen, kleine Nase, anliegende Ohren“.
Im Sack lag der dazugehörende Rumpf. Unbekannt blieb die Leiche, bis Zeitungen den Kopf abbildeten und um Mithilfe baten. Die Tote war Hilma Hofmann, 27, Kellnerin. „Entgegen den Beteuerungen der Eltern über die freundliche Art ihrer Tochter häuften sich nach Bekanntgabe der Identität andere Hinweise.“ Hilma H. verkehrte in Dirnenkreisen und vollzog bei zahlungskräftigen Kunden den Beischlafdiebstahl. Binnen einer Woche waren 150 Strafanzeigen gestellt. Die Gerichtsmediziner engten den Verdächtigenkreis ein. „Kopf und Gliedmaßen sind post mortem abgetrennt worden, nicht, wie zunächst angenommen, mit einem Beile, sondern fachgerecht mit einer Säge wie sie im Fleischerhandwerk verwandt wird.“ Wie in London: Es gingen unzählige Bekennerschreiben bei der Polizei ein, der Täter wird nie gefasst.
Neumühlenwerk
Georgstraße
09111 Chemnitz
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Textquelle
Kotte, Henner: Chemnitz: Die 99 besonderen Seiten der Stadt, Halle: Mitteldeutscher Verlag, 2017.
Bildquelle
Vorschaubild: Rositzer Zuckerhut (ca. 1890), 2008, Urheber: via Wikimedia Commons Gemeinfrei.