Mein guter Großbabba war sächsischer Geheimer Rat und bei dem guten alten König Johann, dem als Philalethes berühmten Dante-Übersetzer, sehr beliebt wegen seiner mustergültigen Neueinrichtung des Haupt- und Staatsarchivs, wegen verschiedener Werke über sächsische Geschichte und wegen des gemütlich-witzigen Humors seiner Plauderkunst.
Als nun der König einmal ein großes Jubiläum feierte, war mein Großbabba gerade krank; er fuhr daher erst eine Woche nach dem Feste zum König, der in seinem chinesischen Schlößchen Pillnitz wohnte und eben in einem langen Laubengange lustwandelte. Mein Großbabba, der bisher, wie es dem treuen Beamten eines bartlosen Herrschers geziemt, stets glatt rasiert gewesen war, hatte sich während der Krankheit rings um das Gesicht herum eine Art Seemannsbart stehenlassen, der Backen und Kinn freiließ. Wie er sich nun in dem Laubengange dem König näherte, machte der immer größere Augen und sagte schließlich: „Ja - Wäber, wie sehen denn Sie bloß aus?!“ „Majestät“ sagte mein guter Großbabba, „das war de eenzge Festgirlande, die ich noch auftreiben konnte!“
Quelle
Hans von Weber: Das Anekdotenbuch deutscher Erzähler der Gegenwart. Hamburg 1924
Bildnachweis
Kopfbild: König Johann und Abb. des Schlosses Pillnitz sind Wikimedia entnommen, beide Abb. sind gemeinfrei.